Donnersbergkreis „Nie ohne Witz in den Kuhstall gekommen“

Fund im Göllheimer Gemeindearchiv: Eine Rechnung von 1949 über eine Behandlung des Gemeindebullen, ausgestellt von Tierarzt Otto
Fund im Göllheimer Gemeindearchiv: Eine Rechnung von 1949 über eine Behandlung des Gemeindebullen, ausgestellt von Tierarzt Otto Karl Roos. Unten hat, wie von Helmut Janson beschrieben, Peter Roos’ Mutter Margot den Empfang des Rechnungsbetrags quittiert.

Und „die Frau Doktor Roos“? Das sei ein ganz kleines, zierliches „Frausche“ gewesen, die die Rechnungen am Schreibtisch in die grüne Schreibmaschine getippt oder mit einem grünen Pelikanschulfüller handgeschrieben habe; sie hat Buchhaltung der Praxis gemacht, die Kasse geführt, und der hat man für die große grüne Kasse das Geld „gebrung“! Vergnügt sagt er:„E Persönsche, gonz klee un schmal“, schmunzelt vergnügt, „e freundlisches mit em kurze Bubikopp“, immer adrett angezogen und besorgt nur, wenn er im Auftrag seiner Firma, dem „Knauber“, die Ofenrohre „gebutzt“: dass da ja kein Ruß auf die weißen Bettüberzüge flöge. Und ja nicht auf die desinfizierten Instrumententücher! Da war Herr Doktor sehr streng. „Man ist ja sonst unternander nicht zusammengekommen mit den Herrschaften im Dorf“, konstatiert Janson, da stand zu viel Respekt, Achtung und sozialer Unterschied dazwischen. Obwohl, „obwohl der Dr. Roos ein sehr beliebter, leutseliger Mann war in seinem Göllheimer Gebiet, nahbar, mit offenen Ohren; er war etwas Besonderes, ohne Standesdünkel. Immer bereit. Er wurde ja gebraucht! Vor allem in den neuen Aussiedlerhöfen auf der Füllenweide. Mein Vater hat viel mit ihm geredet, beide haben ja das Großvieh geliebt, über Viehzucht ’gefachsimpelt’, Roos hat das immer so genennt, er hat sich ausgetauscht über Tierhaltung, ein gesprächiger Mann. Nie ohne Witz in den Kuhstall gekommen! Immer mit einem Mordskoffer voller glänzender Instrumente und interessanter technischer Werkzeuge, die er gerne vorführt, vor allem den Kindern. Mir hunn drumrumm gschdann un warn naseweis, ’s Gesicht immer vornedran ghatt!“ Das durfte man beim Dr. Roos, auch als Kind. „Der hat immer einen Spaß gemacht mit uns, und mir Kinner warn gern um ihn rum!“ Das war ungewöhnlich, dass man das sogar als Kind durfte – naseweis sein, vorne dran stehen. „Einfache Instrumente durften wir sogar anfassen, e glänzendes Chrom-Hämmersche in die Hand nemme; aber nie die Sägen, die Skalpelle, die Hufmesser. Das hat uns fasziniert. Der Dogder Roos ist immer selbstsischer uffgetret“, vor allem am Bullen, hochdeutsch weiter, „keine Angst vor keinem Bullen, energisch, kraftvoll, geschickt, tierlieb, konnte immer helfen, sehr erfolgreich – ein guter Tierarzt.“ Einmal hat er sogar eine komplizierte kostbare Zange vor uns in die Hand genommen und vorgeführt, aber ausprobieren wollte er sie nicht an uns: „Sonst schneidet Ihr Euch die Finger und Arm ab. Damit dere Zang kann man jeden hervorstehenden Teil vom Körper mit einem Schnitt trennen!“, hat er erklärt und gelacht, und alle hatten ihren Spaß. „Und dann hat er uns ganz ernst erklärt, wie er ein Kälbsche aus dem Kuhbauch holt!“ Verklärt blickt Janson auf das Ölbild überm Sofa mit dem Pferdefuhrwerk auf seinem Acker, im Hintergrund die Katholische Kirche von Göllheim. „Der Doktor Roos war einfach eine Figur im Dorf!“, stellt er fest, eine Respektsperson, eine Autorität, „er war der Tierarzt mit seinen vielen Assistenten. Er hatte einen guten Ruf. Ein guter Mann!“ Und wenn es schon einmal vorkommt, dass Janson überhaupt jemanden, einen Bauern, einen Handwerker, einen Pfarrer oder einen Viehhändler tituliert als „ein guter Mann!“, danach einen Satz aussetzt, hörbar schweigt, spürt man seinen Respekt vor dessen Können. Jedenfalls sei der Dr. Roos nicht nur „ein Mensch gewesen, der jedem Bauer die Zigarre angezündet hat, und er hat auch nicht nur einen Stumpen spendiert“, wenn er seine legendäre „Spendierhose“ getragen habe, immer mit dem Witz „Roos blotzt Rösli“. Man habe jederzeit seinen Rat einholen dürfen, ohne dass tags darauf eine Rechnung unter der Tür gelegen habe. Vor allem, wenn eine Geburt geglückt war, dann „gab es einen Schnaps und eine Zigáárr!“ Und wenn man die Rechnung bezahlt oder im Arzthaus den Kurzschluss repariert hatte, hat er einen kurzum zum Mittagessen eingeladen an den Familientisch mit allen zusammen! Richtig böse habe er aber auch werden können! Der Viechdogder! Wenn Bauern in Eigenregie eine Geburt verhunzt hätten, Steißlage falsch eingeschätzt, das „Kälbsche“, wie Janson das Neugeborene immer liebevoll gellemerisch benennt, das „Kälbsche“ verreckt wäre im Mutterleib, dann habe man „den Roos midde in de Nacht aus’m Bett ghohlt“, damit er das „Kälbsche“ in der Gebärmutter hatte zersägen müssen, um wenigstens die Kuh zu retten – o weh!: die kräftige Roos-Stimme, seine markigen Sprüche, sein Schimpfen und Fluchen höfeweit gehört morgens um Fünf. „Jaja!“, kann ich nur beipflichten, die Familie hat dann tagelang Unmut, Sorgen, Frustration und die Folgen der schlaflosen Nacht des Vaters abgekriegt und vor allem seine veterinär-medizinischen Zweifel, ob er nicht doch noch das „Kälble“, wie er es liebevoll schwäbisch nannte, hätte noch retten können! Kurz-Info Die ersten Folgen sind unter den Titeln „Und ob das alles wichtig ist“ (30. September), „Mir warn die arme Leit“ (7. Oktober) erschienen. Die nächste Folge befasst sich mit dem einfachen Leben im Ort und der alten Dorfkultur „vor der Industrialisierung“.

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