Donnersbergkreis Marnheimer Gnadenhof für Schweine kämpft ums Überleben

Munteres Futtern: In Marnheim betreibt Silke Arnold so etwas wie einen Gnadenhof für Schweine – ehrenamtlich als Funktionärin de
Munteres Futtern: In Marnheim betreibt Silke Arnold so etwas wie einen Gnadenhof für Schweine – ehrenamtlich als Funktionärin des Vereins Schweinefreunde.

Sie ist sozusagen die „Schweineflüsterin vom Donnersberg“: Silke Arnold pflegt in Marnheim 18 Paarhufer, die einst verwahrlost kurz vor dem Tod standen. Von dem Gelände muss sie aber bis 2018 verschwinden. Die Suche nach neuer Unterkunft gestaltet sich als Spießrutenlauf. Womöglich mit drastischen Folgen für die Schweine.

Ursel ist neun Jahre jung, wiegt mehrere Zentner und muss vielleicht bald sterben. Wenn sie kein neues Zuhause findet, dann auf jeden Fall. Natürlich weiß Ursel das nicht. Sie ist ein Schwein. Sorglos. Unbekümmert. Ohne Vorahnung. Wie sie so durch den feuchten Matsch watet, wirkt sie ein bisschen verträumt. Selig zermalmt sie ihre Karotte. Dann schleicht sie aus der Sonne, schließt die Augen und lässt sich ungeniert plumpsen. Unter einen Strauch, in den kühlen, nassen Schlamm. Ursel döst. Joe und Maggy, zwei kleinere rosa Mini-Schweine, futtern nebenan munter weiter. „Die haben hier ein gutes Leben“, sagt Silke Arnold kopfnickend.

Geplagt von der Angst

Betrübt steht sie an den Holzzaun gelehnt. Sie wird geplagt von einer Angst, die ihre große Leidenschaft gefährdet: Arnold und ihre 18 Schweine müssen hier weg. Bis Mitte 2018. Dann hat das etwa 5.000 Quadratmeter umfassende Pachtgelände gegenüber dem alten Marnheimer Bahnhof einen neuen Besitzer – und der will auf der Fläche Pferde weiden lassen. „Ich vermenschliche Schweine nicht. Aber das hier, das ist mein Lebensinhalt“, flüstert Arnold. „Mir geht es damit im Moment richtig, richtig elend“, schiebt die Wahl-Einselthumerin nach.

"Gnadenhof für Schweine"

Silke Arnold betreibt in Marnheim so etwas wie einen „Gnadenhof für Schweine“: Als Funktionärin des Vereins Schweinefreunde verschreibt sie sich dem Tierschutz – ohne kommerziellen Hintergedanken, ehrenamtlich. Sie rettet die Tiere vor der Verwahrlosung. Manchmal gar vor dem qualvollen Tod, der ihnen bei ahnungslosen Käufern winkt. Schweinchen Maggy, um einen Fall exemplarisch anzuführen, lebte in einer Etagenwohnung. Ihr Auslauf begrenzte sich auf eine enge Terrasse, dauernd knickte sie ein. Es zeigte sich später, dass die Herrchen Maggy nach Zuchtplan ernährten – ein trockenes Stück Brot, zwei Scheiben Salatgurke täglich. Ihr fehlte die Energie, sich auf den Beinen zu halten. „Jedes der Schweine hier hatte ein schlechtes Leben“, so Arnold. „Wir achten auf alle Vorgaben“, betont Ehemann Thomas, einen Schubkarren mit Futter über das wild bewachsene Gelände kutschierend.

Im schlimmsten Fall droht die tödliche Spritze

Arnold und ihre 18 Schweine müssen weg. Das Problem: Sie wissen nicht wohin. Für Ursel oder Maggy kann das, im schlechtesten Fall, mit der tödlichen Spritze enden. Ein Fiasko für ihre Halterin. „Wenn wir nichts finden, was ich befürchte, dann müssen die Tiere vermittelt werden. Wenn das fehlschlägt – Einschläferung“, spricht Arnold Klartext. Im Umkreis von 50 Kilometern habe sie alles abgegrast. Ohne Erfolg. Denn ein Anliegen wie ihres ist an einen knüppeldicken Apparat bürokratischer Hürden gekoppelt, wie Uwe Welker, Abteilungsleiter Bauwesen der Kreisverwaltung, bestätigt. Er weiß: „Um im Außenbereich eines Ortes Tiere halten zu dürfen, muss man zur Errichtung baulicher Anlagen baurechtlich privilegiert sein.“

Schwierige Rechtslage für die Schweinehaltung

Nach Paragraf 35 des Baugesetzbuches sind das gerade Landwirte. Arnold fehlt dieses Privileg. Noch verzwickter: „Im Innenbereich“, so Welker, „darf in reinen und allgemeinen Wohngebieten grundsätzlich keine landwirtschaftliche Tierhaltung erfolgen.“ Das klären die Paragrafen 3 bis 6 der Baunutzungsverordnung: Jene Wohngebiete „dienen dem Wohnen“, heißt es dort – und keiner Schweinehaltung, die durch eventuelle Lärm- oder Geruchsimmissionen Anwohner belästigen könnte. Zulässig wäre Arnolds Vorhaben höchstens in Dorf- oder Mischgebieten, also laut Welker in „noch immer landwirtschaftlich geprägten Dörfern“. Davon gibt es nicht mehr viele. Und: „Hier muss der Einzelfall geprüft werden. Weitere Institutionen wie unter anderem die Untere Wasserbehörde, die Gewerbeaufsicht, die Landwirtschaftskammer sowie die Ortsgemeinde müssten eingeschaltet werden.“ Plausibelste Lösung für Arnold wäre eine Kooperation mit einem Bio-Landwirt. Oder ein altes Gehöft. Oder ein Aussiedlerhof. „Das läuft nach Recht und Gesetz, den zuständigen Stellen kann ich keinen Vorwurf machen“, meint sie und fordert direkt neben dem Schweinegehege bei knapp 30 Grad trotzig auf: „Riechen Sie mal. Es riecht immer so – nämlich gar nicht!“

Ablehnung in der Bevölkerung

Dass Schweine stets mit Gestank und Jauche verknüpft werden, kann und will sie nicht nachvollziehen. Für sie der Grund, weshalb sie bei ihrer Suche oft „gegen eine Wand“ laufe. Ablehnung der Bevölkerung, Widerwillen, Klischees. Das weiß Ingrid Bernhard vom Veterinärwesen bestens. Die Bürger „sind ruckzuck bei uns und beschweren sich über eine Geruchsbelästigung oder wegen Fliegen“, sagt sie. Kein Problem sei für Arnold natürlich das Thema Tierschutz. Die gesetzlich für die Haltung vorgegebenen 0,9 Quadratmeter pro Schwein müsste ihre Anlage bei weitem überbieten – „sonst wäre ich ja um keinen Deut besser als die, vor denen ich die Schweine rette“. Genügend Auslauf, doppelte Umzäunung zum Schutz, alles nicht der Rede wert. Komplikationen jedoch könnte die zwölfseitige Schweinehaltungshygieneverordnung heraufbeschwören. Ein Block voller Einschränkungen. Gerade die Seuchengefahr – Ende Juni erst wurden in Tschechien Fälle der Schweinepest gemeldet – muss minimiert werden. Stallung, Hygiene, Transport oder ärztliche Aufsicht sind von den zig Richtlinien betroffen. „Mit der Tierhaltung im Ort ist es heute sehr schwierig“, bescheinigt Bernhard. Juni 2016. Vor Arnold tut sich der Ausweg auf. Ein ehemaliger Geflügelstall am Albisheimer Ortsrand, etwa 10.000 Quadratmeter. 500 davon würde der Besitzer sofort zum Weiden verpachten. Perfekte Lage, beste Bedingungen. In einer Mail wendet sich Arnold an die Verbandsgemeindeverwaltung Göllheim. Am 11. Juli 2016 antwortet diese, man könne „zeitnah keine abschließende Rückmeldung“ geben. Knappe zwei Monate später heißt es, „einer Tierhaltung an dem Anwesen“ könne „zum jetzigen Zeitpunkt nicht zugestimmt werden“. Hintergrund: Auf VG-Ebene wird derzeit die Änderung des Flächennutzungsplanes beraten. Und solange da nichts sicher sei, erläutert Melanie Radetz von der Verwaltung, könne man natürlich keine Nutzungszusage ausgeben.

Die Zeit rennt

Es bestehe die Möglichkeit, das entsprechende Flurstück vom Außenbereich in ein Mischgebiet umzuwandeln. Das aber, so Radetz, sei Zukunftsmusik. „Wir sind in der Ideenfindung. Man kann Frau Arnold derzeit nicht von der Pachtung abraten, sie aber auch nicht dazu drängen“, räumt sie ein. Eine Umstrukturierung des Flächennutzungsplans nehme Jahre in Anspruch. Silke Arnold rennt die Zeit weg: Da sie das Marnheimer Gelände 2018 räumen muss, bleiben ihr nur noch wenige Monate, um ein geeignetes Objekt aufzutreiben. Gut möglich, dass in Albisheim bis dahin keine Lösung in Sicht ist. „Wenn man das Wort ,Schwein’ erwähnt, ist es bei vielen Leuten vorbei. Ich habe so schon mehrere Absagen kassiert“, grollt Arnold. Ihre Welt würde zusammenbrechen, sagt sie. Findet sie demnächst nichts, schwinden die Überlebenschancen des Rudels. Dann bleibt wirklich nur zu sagen: Die armen Schweine ...

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