Donnersbergkreis Freifunk in der Westpfalz: Nick Janson will zum Teilen ermuntern

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Kirchheimbolanden. Fast genau vor zwei Jahren ging es los: In Kirchheimbolanden wurde damals bei der Bäckerei Brand der erste Knoten errichtet. In mehr als 60 Ortsgemeinden gibt es mittlerweile Freifunk Westpfalz. Sebastian Stollhof hat sich mit dem Kirchheimbolander Nick Janson über das freie Internet, die Freifunk-Welle, aber auch über Probleme und das Vorhaben eines freien WLAN von ERP in der Kleinen Residenz unterhalten. Der 37-Jährige, der bei der Deutschen Bahn im IT-Bereich tätig ist, betont dabei: Frei ist nicht gleichzusetzen mit kostenlos, Freifunk ist für ihn viel mehr.

Herr Janson, wie viele Ortsgemeinden sind denn mittlerweile in der Westpfalz mit Freifunk versorgt, und wie ist der Stand?

63. Momentan stagniert es etwas. In Rockenhausen gibt es beispielsweise weiterhin einen Aufschwung. Da pusht auch die Verbandsgemeinde das Ganze, stellt DSL-Leitungen zur Verfügung – was in Kirchheimbolanden leider nicht der Fall ist. Auch in Göllheim könnten noch mehr mitmachen. Derzeit haben wir dort zehn Knoten. In Harxheim dagegen sind wir ziemlich gut durchgestartet. Momentan funktioniert in Kirchheimbolanden das Netz nicht überall. Wird das Freifunk-Netz durch den vorgesehenen Internetausbau von Primacom schneller? Das ist schwierig zu sagen. Wenn das Internet langsam ist, ist es trotzdem so, dass das Netz stark sein kann. Auf dem Römerplatz beispielsweise kann ich vollen Ausschlag bei WLAN haben, aber es geht nichts durch. Das haben wir zum Beispiel beim Christkindlmarkt, Residenzfest oder generell, wenn da ein bisschen mehr los ist. Vom Ausbau verspreche ich mir, dass dann wieder mehr Bandbreiten zur Verfügung gestellt werden und das Freifunk-Netz stabiler ist. Auch die Stadt selbst könnte da schon was tun, was sie leider bisher noch nicht gemacht hat. Die Verbandsgemeinde Sprendlingen-Gensingen stellt beispielsweise in allen öffentlichen Gebäuden Freifunk-Router hin. Dadurch wird der Grundbedarf schon etwas abgedeckt. Wenn die Primacom mehr Bandbreite zur Verfügung stellt, wird das Netz auch stabiler. Wir hoffen, dass dann manche auch wieder ihre Uplinks zur Verfügung stellen, die das mittlerweile nicht mehr machen. Was sind ein Uplink und ein Knoten? Uplink ist der Übergang zum Internet, also die Bandbreite, die der Router-Inhaber der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Als Knoten bezeichnet man einen Router mit der Freifunk-Software. Wenn also die Stadt Kirchheimbolanden an ihren Gebäuden und ihren Flächen verstärkt etwas machen würde, dann wäre das Netz auch stabiler? Genau. In Mainz beispielsweise sind sogar beim Rosenmontagsumzug die Rettungsdienste über Freifunk angebunden gewesen. In der Stadthalle ist was ähnliches installiert worden, aber mit einem kommerziellen Zweck. Sobald man sich dort aufhält und sich einloggt, nutzt man einen Anschluss der Stadt. Diesen Zugang könnte man für Freifunk nutzen. Wie viele Knoten haben Sie derzeit in Kibo? Derzeit sind 225 Knoten online. Am Residenzfest haben wir schon mal 1200 Personen, die das Netz dann nutzen. Und in Rockenhausen? Ungefähr 100 Knoten und 30 Uplinks. Wenn Sie Bilanz ziehen, zwei Jahre Freifunk Westpfalz, sind Sie zufrieden? Enorm. Die Nutzeranzahl ist sehr, sehr stark angestiegen. Leider haben wir eine leicht rückgängige Zahl an denjenigen, die Knoten mit Uplinks zur Verfügung stellen. Speziell in Kirchheimbolanden. Wie ist die Vorgehensweise, wenn jemand Freifunk einrichten möchte? Rufen da Ortsgemeinden bei Ihnen an und fragen, ob sie auch mit Freifunk versorgt werden können? Genau. Die melden sich, telefonisch oder per E-Mail an donnersberg@freifunk-westpfalz.de. In Weitersweiler wurden wir beispielsweise angefragt. Klaus Brand und ich sind hingefahren. Mit Laptop und LTE-Stick hatten wir dann direkt sogar die ersten Knoten eingerichtet. Innerhalb von nicht ganz einer Woche hatten wir da schon ein Netz stehen. Harxheim war ähnlich, auch dort durften wir auf den Kirchturm. Wie viele aktive Freifunker haben Sie im Donnersbergkreis? Etwa sechs. Die Aktivsten davon sind hier in Kirchheimbolanden. Das sind Thomas Bock, Klaus Brand, Günter Kissinger und ich. Wir haben alle IT-Kenntnisse. Wir haben aber auch Dachdecker dabei, die einen Knotenpunkt auf einem Dach installieren. Was motiviert jemanden, sich ehrenamtlich hier zu engagieren? Das ist der Gedanke, ein freies Netz jedem zugänglich zu machen – ohne, dass ich Daten hinterlegen muss, das heißt, ohne dass ich irgendetwas von mir preisgeben muss. Und der Gedanke zu teilen. Gerade das Teilen ist bei der Menschheit leider nicht mehr so vorhanden – zumindest gefühlt. Die Bereitschaft, was abzugeben, was man sowieso hat und ein anderer auch noch ein Nutzen davon haben könnte. Wir nehmen gerne den Begriff des digitalen Wasserglases. Wenn jemand Durst hat – so sind wir bei Freifunk eingestellt –, bieten wir demjenigen auch das Wasser an. So ist auch Freifunk zu verstehen, dass man etwas, was man nicht 24 Stunden nutzt, auch freigeben kann. Ohne irgendwelche Befürchtungen zu haben. Heißt das – und das ist ja auch immer mal Thema –, dass jemand, der sich an Freifunk beteiligt, keine rechtlichen Risiken zu befürchten hat? Die eingesetzten WLAN-Frequenzen im Freifunk sind explizit zur öffentlichen Nutzung freigegeben. Technisch und rechtlich braucht der „Knotenbetreiber“ keine Befürchtungen zu haben, denn durch die Verwendung eines Freifunk-Knotens wird ein sogenannter „Tunnel“ zu Freifunk aufgebaut und jeder Datenverkehr, der darüber läuft, wird nicht gefiltert oder kontrolliert und geht über das Freifunk-Netz ins Internet. Der eigentliche DSL-Anschluss beziehungsweise der Knotenbetreiber tritt nicht in Erscheinung. Wie viele Ortsgemeinden sind denn im Donnersbergkreis versorgt? Rund 20 Ortsgemeinden. Haben Sie sich für den Kreis ein Ziel gesetzt, wie viele Ortsgemeinden Sie mit Freifunk versorgen wollen? Zum Ziel habe ich mir gesetzt, noch mehr private Leute von Freifunk zu überzeugen. Meine Vision ist es schon, dass man, egal wo man ist, auf Freifunk zugreifen kann. So können wir beispielsweise Flüchtlingen oder auch anderen Menschen, die sonst keinen Internetzugang hätten, ein Netz bieten. Wir wollen das flächendeckender hinbekommen. Im Freundeskreis werde ich auch schon einmal gefragt, was jemand persönlich davon hat. Für mich ist das der falsche Gedanke. Was habe ich davon, wenn ich jemandem ein Wasserglas gebe? Ich habe nichts davon. Aber dafür dafür derjenige, dem ich das Glas reiche. Mein Wunsch ist zudem, dass ein virtueller Stadtrundgang oder digitale Dienste ins Freifunknetz kommen. Da fehlt mir derzeit die Motivation, noch aktiver zu werden. Weil solche Dinge nun auf einmal kommerzialisiert werden. Sie sprechen das Vorhaben von ERP an. Der Energieversorger will ja auch ein freies WLAN in Kibo einrichten. Ja. Die Ideen, die ERP präsentiert hat, hatten wir auch schon bei der Stadt vorgetragen – wie Webcams oder Wetterstationen mit in das Netz einzubauen. Auch den virtuellen Stadtrundgang. Jetzt nimmt das die ERP in die Hand. Eigentlich wollten wir das mit Freifunk pushen. 2015 hatte ich das Klaus Hartmüller und Hans Leverkus schon vorgeschlagen. Man hört hier Enttäuschung heraus. Genau. Aus diesen Ideen wird Kommerz. Jeder schreit, dass das Ehrenamt gestärkt werden soll. Das kann ich hier leider nicht erkennen. Wir sind viele Ehrenamtler in der ganzen Westpfalz. Jetzt werden diese Ideen genommen. Das ist schade. Wir hatten Gespräche geführt, beispielsweise mit dem Offenen Kanal, der sehr gute Arbeit macht, oder wie wir die Schilder an den Sehenswürdigkeiten umsetzen können. Nun hat ERP vor, diesen Stadtrundgang zu machen. Ich persönlich würde mich aber nicht in ein WLAN einloggen, in dem ich meine persönlichen Daten eingeben muss, um dann einen virtuellen Stadtrundgang zu machen. Da ist frei eben nicht frei. Bei Freifunk muss ich keine Daten eingeben, muss mich nirgends einloggen und kann mich ganz frei bewegen.

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