Donnersbergkreis Fragmentierung und der Weg zum „Ding an sich“

Claudia Gross aus Kaiserslautern vor zwei Arbeiten in ihrer Ausstellung im Kahnweilerhaus.
Claudia Gross aus Kaiserslautern vor zwei Arbeiten in ihrer Ausstellung im Kahnweilerhaus.

«ROCKENHAUSEN.» Als „gute, alte Bekannte“ bezeichnete Luise Busch vom Arbeitskreis Kahnweilerhaus in ihrer Begrüßung der zahlreichen Gäste anlässlich der Vernissage die Kaiserslauterer Künstlerin Claudia Gross, die noch bis zum 17. September ihre Werke im Kahnweilerhaus ausstellt. Gross hat schon verschiedentlich im Kahnweilerhaus wie im Museum Pachen in Ausstellungen eingeführt und an dem Buch über Ann Blaum, der verstorbenen Künstlerin aus Katzenbach, mitgearbeitet.

Kunsthistorikerin Antje Buchwald bezog sich in ihrer Einführung in die Ausstellung auch auf Daniel Henry Kahnweiler, was sicher auch dem Ort geschuldet war, an dem die Ausstellung stattfindet. Für Kahnweiler zielte der Kubismus mit seiner fragmentierten Darstellung auf eine „représentation totale“ ab. Unter Berücksichtigung neukantianischer Überlegungen argumentiert er, dass die Fragmentierung, die Durchbrechung der natürlichen, geschlossenen Form eines Gegenstands, das Anzeichen einer besonders adäquaten Darstellung der Dingwelt sei, da mit ihr, im Sinne Kants, die Trennung von erkennbarer Erscheinung und unerkennbarem „Ding an sich“ berück-sichtigt werde. Fragmentierung, Formzersplitterung, Deformation und Dissoziation, Zerstückelung und Zerstörung sind Stichworte, die das kubistische Gestaltungsprinzip seit seinem Aufkommen im frühen 20. Jahrhundert beschreiben. Claudia Gross zerschneidet die Digitalisate nach den Werbefotografien in schmale Papierstreifen und webt aus ihnen ein neues Bild. Diese Tissagen sind oft verstörend. Das Idealbild der Frau, eine makellose, kühle Schönheit, wird zerschnitten. Gesicht und Körper werden deformiert. Das Mannequin ist ein Scheinbild, das Gross durch Verschiebungen und Versetzungen in ein Zerrbild überführt . Inspiriert zu dieser Vorgehensweise wurde Duza, wie sich die Künstlerin auch nennt, durch die Werbefotografien mit Schaufensterpuppen von Heinrich Obermaier aus den 1930er Jahren. Sie wendet dafür auch gleichzeitig eine neue Technik an, die Technik der Tissage. Duzas Tissagen sind, im Gegensatz zu ihren früheren Cutouts, großformatig. Wird bei den Mannequins-Tissagen jeweils das Bild aus einer Papiervorlage gewebt, so gibt es auch Verwebungen aus mehreren Vorlagen, die sie in Printmedien entdeckt. Sie zeigen Modells vor einem Pool wie in „Carolina, she is from Texas“ oder Fragmente von Körperteilen wie z. B. die Arbeit „You still look like a movie“ oder „A picture of guilt and sympathy“, die ebenfalls in der Ausstellung zu finden sind. In einer Werkgruppe kommt die Webstruktur, das regelmäßige Darunter und Darüber der Schuss- und Kettenpapiere, ganz besonders stark zum Ausdruck. Streng hält sich die Künstlerin an traditionelle Webmuster, etwa Leinwand- oder Köperbindung. Aus der Ferne wirken diese Verwebungen wie impressionistische Malerei oder wie Pixelungen beim digitalen Bild. Claudia Gross wendet in ihrer Kunst Techniken an, die weiblich konnotiert sind: Scherenschnitt, Sticken, Weben und Quillten. Diese dem Kunsthandwerk oder dem künstlerischen Dilettantismus zugehörigen Techniken waren – und sind es zum Teil auch heute noch – kanonisch von der sogenannten Hohen Kunst getrennt. Der kunsthistorische Kanon, begründet von Giorgio Vasari (1511-1574), existiert mit einigen Abstufungen bis heute noch. Zentrale Kategorien künstlerischer Produktivität wie „Genie“, „Künstler“ und „Kreativität“ sind geschlechtsspezifisch konnotiert und konzipiert und von Vasari an den Mann gekoppelt. Wenn Duza sich heute in „genuin“ weiblichen Techniken ausdrückt, so befragt sie ironisch ihren Status als Künstlerin und stellt gleichzeitig das System Kunstgeschichte infrage. In ihrer Kunst untersucht sie die Vielzahl an Weiblichkeitsdarstellungen. Sie befragt die Funktion des Weiblichen innerhalb eines Repräsentationssystems. Sie untersucht den von Silvia Eiblmayr definierten „Bildstatus“ der Frau. Dieser Bildstatus spielt auf die strukturelle Beziehung zwischen weiblichem Körper und der „symbolischen und materiellen Form des Bildes“ an.

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