Donnersbergkreis Eritreer pulverisiert die Bestzeit

«Kirchheimbolanden.» Wahnsinn! Ein Streckenrekord, der nie zu wackeln drohte, ist gebrochen. Ja, gar pulverisiert. Um ganze 17 Sekunden. Der 22-jährige Eritreer Miebale Ademicale (TV Alzey/Team Gasser), neuer Laufstar der Region, ist der König Kirchheimbolandens: In 31:17 Minuten flog er beim 23. Residenzfestlauf der LLG Wonnegau zu Gold. Lokalmatador und Podium-Abonnent Max Kirschbaum lief auf Drei. Mit der für ihn besten Zeit in der Nordpfalzperle (34:16 Minuten).

Miebale Ademicale schnaufte nicht einmal schwer. Ein finaler Schub, und der drahtig-dünne Eritreer spurtete luftig-leicht über die Ziellinie. Unter dem Beifallssturm ungläubiger Zuschauer. Die riesige Digitaluhr über ihm präsentierte eine Zeit von 31:17 Minuten, als der Ostafrikaner die elektronische Mess-Barriere passierte – und in einem lähmenden Moment, einem Hauch von Zeitlosigkeit, schien die Anzeige stillzustehen. So, als wollte sie jedem, der darauf starrte, die Zahlen einbrennen. Nachdrücklich und scharf. 31:17. Ein königlicher Streckenrekord, den der 22-jährige Ademicale locker aus den Beinen zauberte. Denn Reserven hatte er noch. „Der Junge ist einfach stark. Wenn jemand zu Fuß eine Flucht durch mehrere Länder hinter sich hat, braucht er Zeit, bis er sein altes Tempo wieder erreicht. Er verbessert sich“, frohlockte Max Gasser, Ademicales Teamchef im Gasser-Lauftrupp des TV Alzey, über den Flüchtling, der seit etwa einem halben Jahr in Rheinhessen lebt. Als Gasser von der Rekordzeit erfuhr, ballte er die Faust. Wieder eine Etikette mehr in seinem Lauf-Stall. „Geht hoch und tief“, „kalt, Wind, Regen“ waren einige der deutschen Brocken, die der Eritreer Ademicale grinsend im Zieleinlauf stotterte. Er war fit, er lief gemächlich aus. Ein bisschen geschwitzt, aber kaum pustend. Und das bei einer Siegerzeit, die Simon Stützels vorherigen Rekord um 17 Sekunden übertrumpfte. Fehlte nur, dass Ademicale in bester Abebe-Bikila-Manier – 1960 gewann der Äthiopier in Rom barfuß legendär Olympia-Gold im Marathon – über das rutschige Kirchheimbolandener Kopfsteinpflaster gerannt wäre. Erst als Mannschaftskollege und Landsmann Selama Tesfamariam Estopia als Zweiter mit gehörigem Rückstand einlief (33:39 Minuten), fanden Ademicales Worte eine Übersetzung. „Für uns war das nicht einfach. Das Wetter sind wir nicht gewohnt, wir haben an den Beinen gefroren und hatten Gänsehaut“, sagte Estopia. War die Witterung – trotz einiger Tropfen – für hiesige Läufer fast perfekt, klagten die Eritreer. Klar. Bei 17 Grad in ihrem Heimatland würden sie sich nahe an der Eiszeit wähnen. „Generell hätte er schneller laufen können. Aber er hat nicht voll durchgezogen“, meinte Estopia über Ademicale. Die 10-Kilometer-Bestzeit des Eritreers liege bei 29:03 Minuten. Zur Einordnung: 1950 wäre das der Weltrekord gewesen, der aktuelle steht bei 26:17 (Kenenisa Bekele)... Und die Strecke in Kirchheimbolanden, das kurvige Auf und Ab, die steile Tortur die Langstraße hinauf, Pflastersteine, Unebenheit – das eignet sich nicht für persönliche Bestleistungen. Dennoch: Ademicales furioser Sieg im 240 Kopf starken Feld kommt nicht aus dem Nichts. Er ist in diesem Sommer der Star der pfälzischen und rheinhessischen Läufer-Welt. Ein Dominator. Gold in Glan-Münchweiler (31:13), Kaiserslautern (31:04), Heltersberg (31:13) – er düpiert wöchentlich hochkarätig besetzte Läufe. In die Phalanx der Eritreer war am Samstag nicht einzubrechen. Das gestand auch der Eisenberger Top-Athlet Max Kirschbaum (Asics Frontrunners/LG Ohmbachsee). In der ersten Runde setzten sich die beiden Afrikaner vom Trail-Spezialisten ab, peu à peu bauten sie ihren Vorsprung aus. Kirschbaum, einer der besten Ultra-Läufer der Nation, rannte schnell. Aber: Nach dem dritten 2,5-Kilometer-Durchlauf war die Lücke auf über zwei Minuten gewachsen. Ein nahezu utopischer Abstand. Ademicale zog an, Kirschbaum drosselte. Bronze für den Pfälzer (34:16 Minuten). Vor Dauer-Rivale Tom Heuer (TuS Heltersberg, 35:35 Minuten), der ebenfalls zu Beginn den Kontakt zu den Eritreern abreißen lassen musste. „Ich habe früh gemerkt, dass ich zu schnell angegangen bin. Da war schon klar, dass es nicht für ganz vorne reicht“, resümierte Kirschbaum. Hindernis: Überrundungen, die Sekunden kosteten. „Da kann man nicht mehr beschleunigen“, so der Staufer, der dem Veranstalter massiv ankreidete: „Das mit dem Überrunden weiß man ja. Aber man muss doch unterbinden, dass die Leute mit Kopfhörern in den Ohren laufen und nichts um sich hören. Das bremst.“ Für ihn waren die Kirchheimbolandener zehn Kilometer lockeres Einlaufen für nächste Woche, denn dann steht der 63 Kilometer lange Hunsbuckel-Trail an. Da würde dann auch Ademicale schwitzen.

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