Kaiserslautern Wie Johnny Cash nach fünf doppelten Espresso

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Wer da meint, in Kaiserslautern sei kulturell während der Ferienzeit nicht viel los, wird zurzeit überall in der Stadt eines Besseren belehrt. Mehr noch: Manchmal ist dabei auch noch ein richtig außergewöhnliches, aufregendes Konzert dabei – und das dann auch noch sogar an einem ganz normalen Montagabend. So war es der Fall mit der Band Multibird, die im gut gefüllten Roachhouse für ein Stück nicht alltäglicher musikalischer Kultur sorgte.

Mastermind des Quartetts ist der Amerikaner Seth Faergolzia, der als Sänger, Gitarrist und Komponist schon einiges erreicht hat: Mitglied in zahlreichen erfolgreichen musikalischen Projekten, über 20 Alben und Auftritte in etwa genau so vielen Ländern der Welt zeugen von seiner Schaffenskraft und seiner Wirkung. Ein Grund für seine Rezeption (und zugleich wohl auch der Grund dafür, dass er unverdienterweise nicht noch viel bekannter ist) ist der Umstand, dass Faergolzia sich nur an der Basis an die Konventionen moderner Unterhaltungsmusik hält und darüber hinaus im genau richtigen Moment mit den Erwartungen bricht, die daraus entstehenden Scherben neu ordnet und diese dann zu die Gehörgänge des Publikums ordentlich durchpustenden frischen musikalischen Kabinettstückchen zusammensetzt. Im „Roachhouse“ konnten er und seine Jungs dadurch mehrmals angenehm überraschen. Eigentlich ist diese Art von Musik im besten Sinne unbeschreiblich. Wir versuchen es trotzdem: Oft klingen die Songs wie klassischer Country und Western, der auf einer anderen, komplizierteren Interpretationsebene abläuft – schneller, härter, pointierter. Im Roachhouse klang das dann häufig wie Johnny Cash nach fünf doppelten Espresso. Auch mal wie die rockig angehauchte Titelmusik eines ultra-modernen Western und dann wieder einfach nur avantgardistisch. Daneben standen balladesk-folkige Songs voller Gefühl und Intensität; auch die bisweilen mit ungewöhnlichem, aber stets präzisem Vokaleinsatz zwischen Solo-Rufen und von allen getragenem Chorgesang. Eintönig wurde es bei dieser Mixtur logischerweise nie, das Hinhören lohnte sich immer: Seth Faergolzia (Gitarre, Gesang), Shaun Jones (Gitarre), Stan Martinelli (Bass) und Dominic Marini (Schlagzeug) gaben vom Einerlei moderner Populärmusik noch unbeeindruckt gebliebenen Ohren beständig neue Impulse und brachen gar, insbesondere mit ihren härteren Darbietungen, verkrustete Hörgewohnheiten auf. Auch inhaltlich haben Seth Faergolzia und seine aus früheren Projekten bestens bekannten Mitmusiker als Multibirds einiges zu bieten. Die Texte beinhalten eigenes Erleben („Berlin“), philosophische Betrachtungen und mitunter skurrile Fantasien. In „Rubber Bands On The Railroad Track“ zum Beispiel wird von einem Zug erzählt, der von Gummibändern zum Halten gebracht wird. Das Fahrgeräusch der Eisenbahn wird dabei, ganz klassisch Country und Western-like, vom Rhythmus des Stücks nachempfunden. In diesem Stück spürte der Zuhörer denn wieder so richtig die ursprüngliche musikalische Basis der Musiker. Dass Faergolzia und Freunde, die derzeit eine Europa-Tour absolvieren, erfahrene Show-Hasen sind, merkte man auch an vielen Kleinigkeiten dieses Auftritts im Roachhouse. Kurze Tänze vor der Bühne, saubere Publikums-Animationen und das Wechseln einer Gitarrensaite mitten im Konzert, während der Chef mal eben gleichzeitig die Musiker vorstellte und diese stoisch einfach weiterspielten, gehören dazu. Das hatte schon was von positiver Routine und Abgeklärtheit. Die gute Atmosphäre kam vielleicht auch daher, weil Faergolzia sich in Kaiserslautern, wo er nun schon zum vierten Mal spielte, sichtlich wohlfühlt und ihn darüber hinaus die Pfalz mit ihren großen Waldflächen und den kleinen Dörfern (so erklärte er während des Auftritts) an seine Heimat rund um Rochester im US-Bundesstaat New York erinnert. Das machte ihn umgekehrt natürlich noch ein bisschen sympathischer. In die Pfalz und nach Kaiserslautern dürfen der Musiker und seine Band jederzeit wiederkommen. Nicht nur wegen ihrer Zuneigung zur Region.

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