Kaiserslautern Vertraut und doch ungewohnt

Bei Ketti W. aktiv: Shakti und Mathias Paqué.
Bei Ketti W. aktiv: Shakti und Mathias Paqué.

Als der Kaiserslauterer Arzt und Musiker Gerald Wittek im März 2016 verstarb (wir berichteten), schien auch das nach ihm benannte Bandprojekt beendet zu sein. Aber „Wittek“ macht weiter – mit neuem Namen und unter veränderter Prämisse. Am kommenden Freitag tritt die neue, alte Band „Ketti W.“ erstmals öffentlich auf.

Groß war die Ver- und Bewunderung, als der seit den frühen 1990er Jahren in unserer Stadt praktizierende Gerald Wittek vor ziemlich genau zehn Jahren ohne große Vorankündigung die CD „Wie aus einem anderen Land“ veröffentlichte. Der in der DDR geborene Mediziner, der sich schon früh mit Gitarre und Gesang hobbymäßig, aber ausgesprochen professionell der Musik gewidmet hatte, wollte die anspruchsvollen ostdeutschen Rock- und Liedermacher-Titel seiner Jugend nicht in Vergessenheit geraten lassen. Auch auf die poetischen, oft politisch-kritischen Liedtexte (die häufig geschickt an der staatlichen Zensur vorbei formuliert wurden) wollte er hinweisen. Die Überraschung gelang, und Gerald Wittek festigte in der Folgezeit mit ausverkauften Konzerten in und um Kaiserslautern sowie im Jahr 2012 mit der zweiten Produktion „Keine Zeit mehr“ seinen Ruf als versierter Künstler. Spätestens jetzt konnten auch bisherige Nicht-Kenner der DDR-Musikszene vornehmlich der 1970er Jahre mit Komponisten und Bands wie Gerhard Gundermann und Renft, mit Stücken wie „Wand an Wand“ und „Als ich wie ein Vogel war“ vertraut sein. Mit dem frühen Tod Witteks endete jedoch die auf noch viele weitere erfolgreiche Jahre hindeutende musikalische Linie seines Wirkens. Aber ein Ende birgt auch immer die Möglichkeit eines Neuanfangs in sich. Über ein Jahr nach seinem Tod hat Witteks Witwe Anett die Kraft und die Möglichkeit gefunden, die künstlerische Arbeit ihres Mannes in dessen Sinn fortzuführen. Neben mehreren früheren Weggefährten der Band Wittek steht nun das Künstler-Ehepaar Shakti und Mathias Paqué im Mittelpunkt der neuen Formation. Das Paar, das unter anderem durch das Chanson-Projekt „Mon Mari et moi“ bekannt ist, war seit längerem gute Bekannte der Witteks. So nahm Gerald Wittek einst zur qualitativen Abrundung seines Gitarrenspiels Unterrichtsstunden bei dem erfahrenen Gitarristen und Songschreiber Mathias Paqué (Ex-Peppermint- Patty), und dessen Frau Shakti kannte und schätzte die Lieder Witteks und deren besondere Interpretation schon seit vielen Jahren. Irgendwann formte sich da der Gedanke, gemeinsam weiter zu machen und aus den bewährten Vorgaben heraus etwas Neues zu versuchen, zumal eine Zusammenarbeit schon zu Lebzeiten Witteks angedacht worden war. Klar, eine billige Kopie konnte und sollte es nicht werden. Ein Musiker ist auf seine Art immer unersetzlich, und ein neuer Interpret wird bekannte Stücke immer auf seine ganz eigene, persönliche Art wiedergeben. Allein schon die Tatsache, dass die Titel jetzt von einer weiblichen Stimme gesungen werden, beeinflusst den Vortrags-Charakter des Repertoires. Shakti Paqué indes darf man zutrauen, die Stücke mit ihrer sonoren, an Hildegard Knef erinnernden Stimme emotional dicht und expressiv wie die Vorlage wiederzugeben. Auch, dass die aus Hamburg stammende Sängerin die DDR und die Musik aus der gewählten Zeit nicht selbst erlebt hat, dürfte der Intensität der Interpretationen und auch nicht der Intention Gerald Witteks entgegenstehen. Hier darf man auf das Einfühlungsvermögen der im Übrigen nicht nur im musikalischen Bereich aktiven Künstlerin vertrauen. Man muss ja schließlich auch beispielsweise nicht Mozart und seine Zeit persönlich gekannt haben, um Werke des Meisters „perfekt“ zu präsentieren. Die Veränderungen sind an mehreren Stellen spürbar und auch notwendig. „Wir wollen nicht so tun, als wäre nichts geschehen“, erklärt Anett Wittek dazu im Gespräch mit der RHEINPFALZ. So wird es denn am Freitag im Lauter Atelier also etwas Neues auf der Basis des Bekannten geben. Das schließt auch mit ein, dass Shakti und Mathias Paqué (Gesang, Gitarre) und Anett Wittek (Gesang) zusammen mit den bereits früher mit der ursprünglichen Band aufgetretenen Gruppenmitgliedern Stefan Hofmann (Gitarre, Bass), Vera Lill (Cello), Albert Koch (Mundharmonika) und Moritz Braun (Saxophon) – jetzt übrigens auch ohne Schlagzeug, was den Sound zusätzlich verändert – nicht nur die alten Nummern bringt, sondern auch neue, vorher noch nie öffentlich gespielte Songs der ostdeutschen Szene, aber auch – gänzlich neu – Adaptionen von westdeutschen Liedermachern und Titeln moderner Bands wie Element of Crime. Dazu gehört letztlich auch die Veränderung des Bandnamens. Die Formation Wittek gibt es nicht mehr, aber sie existiert dennoch fort - unter dem Namen Ketti W. – was schlicht „Wittek“ rückwärts geschrieben ist. Da steckt tatsächlich Vieles drin: eine buchstäblich neue Ausrichtung von etwas schon Vorhandenem zum Beispiel und wohl auch ein bisschen die Assoziation mit einer verbindenden „Kette“. Und der Eindruck, dass es sich um den Namen einer Person handelt – vertraut irgendwie, persönlich halt, ungewöhnlich (durch die Schreibung) – eben genau so wie die dahinter stehende Band. Man darf auf den ersten Auftritt unter neuen Vorzeichen gespannt sein. Konzert Auftritt der Band Ketti W. am Freitag, 23. Juni, 19.30 Uhr im Lauter Atelier, Gaustraße 4; Karten an der Abendkasse. Ein Teil des Erlöses kommt im Sinne Gerald Witteks der Kaiserslauterer Anne und Wilm Wippermann Stiftung und ihrem aktuellen Projekt „Canto elementar – Singen im Kindergarten“ zu Gute.

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