Kaiserslautern Solist mit Dialogen

Holger Haase
Holger Haase

Die zweite Ausgabe der diesjährigen Treppenhauskonzerte in der Apostelkirche ging gestern zunächst der grundsätzlichen Frage nach, inwieweit historische Vorläufer in der gegenwärtigen Kunst- und Kunstausübung Aktualität haben und ob sich Analogien finden lassen.

Beim Gedenken an den Barockmeister Telemann im Jahr seines 250. Todestages und der programmatischen Würdigung durch die Aufführung von heuer sechs Solo-Fantasien durch den Oboisten Holger Haase finden sich hinsichtlich Notation, Tonarten und taktlicher Metrik viele gemeinsame Grundlagen. Doch Haase ging mutig einen Schritt weiter, besetzte die beiden Telemann-Fantasien am Mittwoch (Nr. 3 und 4) alternativ mit der transponierenden Oboe d’ amore, die eine kleine Terz tiefer als notiert erklingt. Somit wurde die Fantasie Nr. 3 statt in h-moll jetzt entsprechend in gis-moll aufgeführt. Bemerkenswert, dass das um 1900 in der Apostelkirche installierte Glockengeläut nach Haases Recherche auch in gis-moll erklingt, womit diese eigentlich ungewöhnliche Tonart den Kirchenbesuchern wieder vertraut ist. Vertraut dürfte auch vielen die wieder als Kontrast eingebaute „Musik für Oboe allein“ von Erich Sehlbach sein, die 1956 erschien und in dreiteiliger Satzfolge und ihrer ebenfalls klar thematisch erkennbaren Periodik klassizistisch wirkt. Lediglich der übliche begleitende Klavierpart fehlt und wird ersetzt durch die komprimierte Konzentration der melodischen Substanz auf das Soloinstrument. Bewundernswert, wie hier Haase einerseits den spieltechnischen Anforderungen souverän trotzte, andererseits aber auch mit großem gestalterischen Atem den Spannungsbogen dieser Musik erschloss. Dieses Klangbeispiel hat bei dem Ausführenden einen biographischen Hintergrund: Es war einst der Auftakt für eine intensive Auseinandersetzung mit der Oboenliteratur des 20. Jahrhunderts und führte dann mit zu der Konzertidee, die erarbeiteten Stücke in einem Konzertzyklus vorzustellen. So auch die folgende Fantasy von Malcolm Arnold, der ein Kompositionsschüler von Gordon Jacob war und sich nach Jahren als Trompeter beim renommierten London Symphony Orchestra nur noch dem Komponieren widmete. Entsprechend dem Charakter eines Wettbewerbs-Bravourstückes war Arnolds Solo-Fantasy (für die „Birmingham International Wind Competition“) virtuoser, komplizierter in der einsätzigen Anlage. Ähnlich wie die Telemann-Fantasien werden melodische Linien auf verschiedene Register im schnellen Wechsel verlagert. Es entsteht der Eindruck eines Monologs oder gar Dialogs und das ganze Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten, an Tonumfang und Brillanz wurde ausgereizt. Geschickt nutzte Haase den programmatischen Ablauf, um nach den beiden Werken des 20. Jahrhunderts wieder zum Ursprung zurückzukehren: Zur vierten Fantasie von Telemann und nach den beiden Episoden mit Sehlbach und Arnold zeigte sich, wie mutig schon die Barockzeit Kolorierung, Figurierung und Variierung von Motiven anging. Haase nähert sich den Satzfolgen nicht etüdenhaft, sondern versucht hinter den heiklen Umspielungen die melodietragenden Töne hervorzuheben, zeigt Entwicklungen und Steigerungen auf und arbeitet Schlusswirkungen deutlich verzögernd heraus. Konzert Letztes Treppenhauskonzert am Freitag, 12 und 19.30 Uhr; Eintritt frei.

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