Kaiserslautern „Ich singe für mein Leben gern“

Im zeitgenössischen Stück „Neda“: Monika Hügel.
Im zeitgenössischen Stück »Neda«: Monika Hügel.

Die Brüder Grimm haben ihre Märchen mit einer Datierung versehen: Sie spielen „in alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat“. Manchmal liegt ein märchenhafter Segen auch auf dem Berufs- und Karriereweg von Menschen unserer Tage, beispielsweise der Sängerin Monika Hügel vom Pfalztheater.

In der zurückliegenden Saison war sie unter der überschäumend fantasiereichen Regie von Andreas Bronkalla in Humperdincks „Hänsel und Gretel“ zu sehen und hinterließ als willensstarke Sklavin in Mashayekhis „Neda, der Ruf“ einen starken Eindruck. Die Diskrepanz dieser beiden Figuren – hier das Mädchen im Hexenhaus, dort die liebende Leibeigene – spiegelt die darstellerische Bandbreite der Sopranistin wider. Denn Monika Hügel besitzt neben ihrer bestechenden gesanglichen Fülle zugleich schauspielerisches Talent – eine Doppelbegabung, die so manche(r) Belcanto-Kolleg(inn)en schmerzlich vermissen dürften. Hügel vermag das lyrische, warme Timbre ihrer klaren Stimme mit Charme, Temperament, bei Bedarf auch sanfter Erotik zu unterfüttern: als Marzelline in „Fidelio“ wie als Professorentochter „Im weißen Röss’l“, als vermögendes Mündel Rosina im „Barbier von Sevilla“ nicht weniger effektvoll wie als kapriziöse Primadonna in „Viva la Mamma“. „Ich singe einfach für mein Leben gern“, fasst die Württembergerin kurz und bündig zusammen. Sie stammt aus dem „Bauland“ zwischen Odenwald, Tauber, Jagst und Neckar. Geboren in Bad Mergentheim, wuchs sie im Hohenlohekreis auf – „in einer Familie ohne klassische musische Vorbildung, aber es wurde viel gesungen, und mein Vater spielte die Quetschkommode“. Hier nimmt das Märchen der wunderbaren Sängerinnenkarriere seinen Anfang. Monika Hügel begeisterte sich „wie alle Mädchen in diesem Alter“ für Whitney Houston und Mariah Carey. Ihr Interesse fürs Klassische erwachte, „als eine Opernsängerin in unser Dorf zog und mich zum Unterricht überredete“. Den privaten Gesangs- und Klavierstunden folgten ein Studium an der Mannheimer Hochschule für Musik und Darstellende Kunst sowie diverse Meisterkurse. Wie im Märchen wurde Monika Hügel schon beim allerersten Agentenvorsingen 2007 vom Fleck weg engagiert. Dreieinhalb Jahre lang gehörte sie dem Ensemble des Städtebundtheaters Hof an, dessen damaliger Intendant Uwe Drechsel zwischenzeitlich mehrfach in Kaiserslautern inszeniert hat. Schon in der Saale-Metropole bewährte sie sich im Opernfach (Papagena in der „Zauberflöte“) ebenso wie als Soubrette (Lisa in „Gräfin Mariza“), sang die Sopran-Partie in „Carmina burana“ und die Hutverkäuferin Minnie in „Hello Dolly“. Nach Auslaufen ihres Festvertrags gastierte sie in Würzburg und Coburg. Auch an der Lauter war die Sängerin von der Kessach gastweise zu erleben, etwa als Zofe Ciboletta in „Eine Nacht in Venedig“. „Eine gute Rolle, eine interessante Figur muss neben dem stimmtechnischen Anspruch emotionale Herausforderungen bieten“, sagt die Yoga-Anhängerin. Diese Extreme bewältigt sie seit ihrem Festengagement 2012 in Kaiserslautern scheinbar mühelos. Vor allen anderen ist ihre Maria in Bernsteins „West Side Story“ zu nennen. In Cusch Jungs grandioser Inszenierung – einer ob ihrer Dynamik wehmütigen Reminiszenz an die große Musical-Ära des Pfalztheaters! – sang und spielte sie die puerto-ricanische Immigrantin so mitreißend zwischen Lebensgier, Lebenswut und Lebensangst, dass es dem Publikum den Atem verschlug. Das gilt nicht minder für ihre Gilda im „Rigoletto“ Urs Häberlis, deren Opferbereitschaft sie engelhaft rein, zurückgenommen, vibratoarm besang – und damit fernab der für diese Figur sonst üblichen schweren Stimmen. Monika Hügel war eine kokette, allzeit lächelnde Handschuhmacherin in „Pariser Leben“, ein wirbelndes Hannchen im „Vetter aus Dingsda“ sowie (im schönen Zusammenspiel mit Annalena Loretta Müller) eine herrlich verschrobene, magiebegabte Diva in „Hexe Hillary geht in die Oper“. Im vergangenen Frühjahr konnte sie als eine der Tevje-Töchter in „Anatevka“ sogar neben Astrid Vosberg und dem übrigen Aufgebot an populären Pfalztheater-Stars bestehen; ab Samstag steht Anatol Preislers publikumswirksame Inszenierung noch einmal auf dem Spielplan des Lauterer Theaters. Für Oktober ist die Premiere von „Orpheus in der Unterwelt“ geplant, mit Monika Hügel als Eurydike und dem bereits mehrfach als Darsteller in Erscheinung getretenen Ersten Konzertmeister Pierre-Eric Monnier in der Titelrolle. Diese Besetzung lässt eine märchenhafte Aufführung erwarten, ehe Hügel 2018 in Urs Häberlis Neuinszenierung der „Aschenputtel“-Vertonung „La Cenerentola“ singt.

Vor dem Musentempel: Monika Hügel.
Vor dem Musentempel: Monika Hügel.
Im Pfalztheater-„Barbier“: Monika Hügel, mit Daniel Kim, Daniel Böhm.
Im Pfalztheater-»Barbier«: Monika Hügel, mit Daniel Kim, Daniel Böhm.
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