Kaiserslautern „Ich kann nur empfehlen: Engagiert Euch“

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Sieh an: So schnell kann aus einem Halbzeit-Geplauder zwischen zwei FCK-Freunden auf dem „Betze“ gehaltvoller Unterrichtsstoff für angehende Abiturienten entstehen. Und dabei hätte besagter Stoff mit Sicherheit gereicht, mehr als „nur“ eine Doppelstunde gut zu füllen. Denn dieser Kurt Beck, der hat durchaus was zu erzählen. Bewiesen hat es der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident vor Schülern der IGS (Integrierte Gesamtschule) Bertha von Suttner.

Mittwochmittag, Schulzentrum Süd: Kurt Beck fährt vor; genauer: lässt sich chauffieren. Was ihm durchaus zusteht, dem amtierenden Vorsitzenden der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung, Ex-„Landesvater“, -Landes- und sogar -Bundes-Chef der Sozialdemokraten. „Mir geht’s recht gut“, sagt der 67-Jährige, der vor fast vier Jahren die politische Bühne verlassen hat, im Januar 2013 zurückgetreten ist. Von einer gesundheitlichen Attacke habe er sich gut erholt. Sichtlich. An jenem Mittwoch hat der Südpfälzer vor Kaiserslauterer Oberstufenschülern gesprochen, ihnen auch Raum eingeräumt statt sich im Monolog geübt, hat Rede und Antwort gestanden. Eingefädelt worden ist der Besuch tatsächlich im Fritz-Walter-Stadion. „Ich hab’ ihn angesprochen, er hat sofort zugesagt“, blickt Patrick Stemler kurz zurück. Und in der Tat dauerte es nicht lange, bis der Lehrer Rückmeldung hatte, Terminvorschläge ins Postfach flatterten. „Ich mach’ sowas öfter, mach’s auch gern“, sagte Beck, als er bei der Begrüßung von sich aus auf die ungewöhnliche Kontaktaufnahme in der Fußball-Arena zu sprechen kam. Des Gymnasiallehrers Wunsch, Schülern Einblicke ins politische Geschäft zu vermitteln, sei er jedenfalls gerne nachgekommen. Tja, in der Tat: Physik sei sein liebstes Fach gewesen, schwelgte Beck kurz in Erinnerungen, als er den Platz vor der Tafel im naturwissenschaftlichen Stufensaal einnahm. Sein Anliegen schob der Polit-Veteran gleich vor. „Ich kann Ihnen nur raten: Engagieren sie sich“, betonte Beck. Das könne gern, müsse aber nicht politisches Engagement sein. Sich – wo auch immer – für gesellschaftliche Belange einzusetzen, das zahle sich aus. Davon profitiere auch stets selbst, wer es denn tue. Beck hat sich engagiert. Anfangs vor allem für Chancengleichheit in Sachen Bildung, wie er betonte. Zu seiner Zeit sei es fast eine Selbstverständlichkeit gewesen, eben nicht eine höhere Schule zu besuchen. Volksschule – Schluss. Lehre, eben noch Berufsschule. Chancengleichheit in Sachen Bildung, das habe ihn getrieben, sagte Beck, der denn auch die Schulpolitik des Landes seit dem Regierungswechsel 1991 skizzierte, auf die Frage aus den Schülerreihen auch erläuterte, warum für die SPD die Einführung der Gesamtschule wichtig gewesen sei. Beck sprach über den historischen Einschnitt, der zur Überwindung der deutschen Teilung geführt, bei aller Freude darüber aber auch Probleme aufgeworfen habe. Das wusste der erfahrene Politiker trefflich an speziell Kaiserslauterer Verhältnissen zu veranschaulichen: Eiserner Vorhang fällt, Kalter Krieg vorbei. Nato-Truppen, vor allem eben US-Amerikaner, ziehen aus der Pfalz ab. Und hinterlassen Lücken, die schmerzen. Vor allem in wirtschaftlicher Sicht. „Manch einer hat ein Haus gebaut und bei der Finanzierung auf die Einnahmen durch amerikanische Mieter gesetzt“, erläutert Beck. Und plötzlich brechen Tausende Mieter, auch Kunden weg. Beck erläutert, wie Bemühungen um die sogenannte Konversion zu Erfolgen geführt, nicht zuletzt zur Entwicklung Kaiserslauterns zum High-Tech-Standort geführt haben. Die jungen Zuhörer zeigen sich interessiert, machen prima mit, warten auch mit durchaus interessanten Fragen – etwa zur Hahn-Affäre – auf, die der Politik-Profi wohltuend offen beantwortet. Na, zumindest offener, als es die noch aktiven Politiker jemals könnten. Die Schüler seien sehr angetan gewesen, versichert Sozialkunde-Lehrer Stemler. Gibt’s nun eine Neuauflage? Durchaus erwünscht. Und Beck sei keineswegs abgeneigt.

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