Kaiserslautern Geistiges Eigentum im Umsonst-Medium

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Filme, Musikalben, komplette Bücher lassen sich im Netz sekundenschnell kopieren und mit wenigen Klicks mit Tausenden anderen teilen. Ob die Vervielfältigungen erlaubt sind, danach fragen mittlerweile nur noch wenige. Das Urheberrecht ringt in Zeiten der digitalen Vernetzung um Akzeptanz.

Der Schaden, der weltweit pro Jahr durch Urheberrechtsverletzungen entsteht, kann nur geschätzt werden. Die Internationale Handelskammer Deutschland beziffert den jährlichen Verlust der Weltwirtschaft durch illegale Kopien und Co. mit 600 Milliarden US-Dollar – er entsteht durch Umsatzeinbußen für Händler beispielsweise oder durch entgangene Steuereinnahmen. Urheberrechtsverletzungen sind ein Problem, das durch das Internet zum Massenphänomen wurde. War es früher mit einem Fotokopierer noch sehr mühselig, Kopien eines ganzen Buches anzufertigen, braucht es in der digitalen Zeit nur wenige Sekunden und ein paar Klicks dafür. Geistiges Eigentum habe ein Akzeptanzproblem, sagt Christian Russ, Rechtsanwalt und Honorarprofessor für Medienrecht an der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden. „Sacheigentum hat es immer schon gegeben und Sanktionen darauf, wenn jemand einem anderem etwas weggenommen hat. Geistiges Eigentum dagegen ist eine sehr junge Entwicklung.“ 1871 gab es zum ersten Mal ein Urheberrecht in Deutschland. Deshalb habe es nicht den Stellenwert in der Gesellschaft wie Sacheigentum. Wirtschaftlich gesehen sei das illegale Kopieren eines Bildes im Internet sogar schlimmer als der Diebstahl eines Konsumguts, etwa eines Schokoriegels, meint Russ: „Einen Schokoriegel kann ich nur ein Mal stehlen. Ein Bild kann ich kopieren, jemand anders kann die Kopie kopieren und so weiter. Mit jedem Mal steigt die Zahl der Rechtsverletzungen.“ Die laxe Haltung vieler Internetnutzer dem Urheberrecht gegenüber hat sich in den vergangenen Jahren noch verschäft: als nämlich die sogenannte Abmahnindustrie entstand. Tausenden von Internetnutzern flatterten saftige Rechnungen für illegale Kopien ins Haus. „Die Urheberrechtsinhaber haben sich durch die Art und Weise der Durchsetzung ihrer Rechte unbeliebt gemacht“, meint Russ. Das Grundproblem des Urheberrechts in Zeiten der Digitalisierung sei aber weniger die fehlende Akzeptanz, glaubt der Medienanwalt: „Das große Problem ist, dass das jetzige Recht einerseits sehr kompliziert ist und andererseits die Urheber im Internet nicht mehr ausreichend schützt. Eine Verbesserung des Schutzes ist aber nicht zu erwarten, weil das Internet in der Tendenz ein ,Umsonst’-Medium ist und auch die öffentliche Hand, etwa Bibliotheken oder Bildungseinrichtungen, alles gern umsonst hätten. Das Dilemma, in dem Verlage stecken, hat sich vor einiger Zeit auch beim Leistungsschutzrecht gezeigt. Das sieht vor, dass Verlage für die Anzeige von Vorschaubildern und Textanrissen Geld bekommen. Google stellte Verlage vor die Wahl: Entweder sie überließen dem Unternehmen die Texte ohne Lizenzgebühr, oder sie würden nicht mehr gelistet in der Suchmaschine. Das Ende ist bekannt – die Verlage knickten ein. So stehen sich seit einigen Jahren zwei Lager gegenüber: Auf der einen Seite Künstler, die für ihre Arbeit bezahlt werden wollen, auf der anderen große Teile der Netzgemeinschaft, die fordern, Wissen und geistiges Eigentum müssten im Internet für jeden frei und kostenlos zugänglich sein. Was also tun? Fakt ist: Das Internet macht geistiges Eigentum nicht kaputt, sondern vielfältiger. Fakt ist aber auch: Das Urheberrecht muss an die digitale Zeit angepasst werden – nicht nur in Deutschland. Günther Oettinger, EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, will bis September diesen Jahres einen Entwurf für ein modernisiertes europäisches Urheberrecht vorlegen. Darunter sollen dann diejenigen Produkte geistigen Eigentums fallen, die eine grenzüberschreitende Bedeutung haben. Eine Lösung zu finden sei nicht einfach, gibt Russ zu. „Klar ist, dass es so nicht weitergehen wird wie momentan“, sagt er. Zwar werde das Urheberrecht an sich bestehenbleiben. Er sieht jedoch vor allem die Künstler in der Pflicht, sich auf die Möglichkeiten des Internets einzulassen: „Die Urheber werden sich umstellen müssen.“ So, wie das beispielsweise Teile der Musikindustrie schon getan hätten: Musiker verdienten schon seit Längerem ihr Geld mehr mit Konzerten als mit dem Verkauf ihrer Werke. Der Buchbranche sei es gelungen, E-Books zu fast den gleichen Preisen wie gedruckte Bücher anzubieten. „Die haben den Menschen klar gemacht, dass es um den Inhalt geht, egal in welcher Form man ihn liest.“ Ein Modell, das sicher weiter verfolgt werde, sei das der verpauschalisierten Abgaben, glaubt Russ: Partybesucher beispielsweise zahlen schon lange mit Eintritt und Getränken eine Abgabe an die Musikverwertungsgesellschaft Gema. Viel wichtiger für Verlage und Künstler sei es jedoch, den Widerstand gegen die Möglichkeiten des Internets aufzugeben. „Sie müssen Inhalte schaffen, für die die Menschen gerne bezahlen“, sagt Russ.

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