Kaiserslautern Fado neu interpretiert

Lieder um das Leben, die Liebe und die Sinnlichkeit: Gisela Joao.
Lieder um das Leben, die Liebe und die Sinnlichkeit: Gisela Joao.

Das war ein Auftakt nach Maß. Zum Start des dreitägigen „Festivals der Kulturen“ präsentierte sich die großartige Gisela Joao, die als die neue Stimme des portugiesischen Fado gilt und in ihrer Heimat bereits als Megastar gefeiert wird. Am Donnerstagabend, im völlig ausverkauften Cotton Club, übertrug sie ihre Gefühle mit Emotion und Intensität auf ihre begeisterten Zuhörer.

Dem Fado und seinen Interpretinnen wohnt stets etwas Ehrwürdiges inne. Man empfindet ihn am wahrhaftigsten, wenn er – ähnlich wie der Flamenco – nach vom Leben gezeichneter Schwere und Reife klingt. Diesen Eindruck erweckte zunächst auch der kraftvoll-tiefe, majestätische wie raue Gesang Gisela Joaos. Dabei entledigte sich die gerade mal 33-Jährige in vielerlei Hinsicht den mit Fado assoziierten Charakteristika und Klischees. Nicht als puristisches Kunstwerk, kühl und unantastbar, erschien sie auf der Cotton-Club-Bühne: Sie trug ein schwarzes Mini-Glitzerkleid, ihr schulterlanges, mittelblondes Haar hatte sie zu einem Zopf gebändigt, und an den Füßen trug sie rote High Heels. Damit führte sie, auch was ihr heiteres, dem Publikum zugewandtes Auftreten anging, auf eine andere, eher fadoferne Fährte. Sie wollte sich nicht als Botschafterin eines Anachronismus verstehen. So brach sie mit der Fado-Tradition und verwarf insbesondere das alte Lied über Alltagselend. Es währte auch nicht lange, bis die zierliche Frau sich ihrer Schuhe entledigte und anfing zu ihrem Gesang zu tanzen. Dennoch umgab sie eine Aura, die die Menschen bei der Seele packte. Schon mit den ersten Liedern gelang es ihr, dass ihr die Sympathien der Zuhörer zuflogen. Vorbehaltlos und begeistert. Das lag nicht nur an ihrer Musik, sondern an der Ehrlichkeit, mit der sie die Klänge und ihre Person preisgab. „Für mich ist der Fado Leben“, bekannte die Sängerin, die weitab der Fado-Zentrale Lissabon, in Barcelos, im hohen Norden Portugals, geboren ist. „Ich halte es für sehr wichtig, dass wir möglichst oft unseren Spaß am Leben haben. Das gehört schließlich zum Leben, das uns mal zum Weinen, dann wieder zum Lachen oder aber zur Ruhe bringt.“ Deshalb scherzte sie mit dem Publikum, klärte es mit viel Humor über die Hintergründe ihrer Lieder auf. Dieses Durchleben der Aufs und Abs zeigte sie auch mit ihren Liedern. Da ging es um Leben, Liebe, Sinnlichkeit, auch in Hinsicht auf die Wahrnehmung der Umwelt. Und mit welcher Leidenschaft sie sang! Ihre geschmeidige Stimme mit dem satten, dunklen Timbre wärmte, lockte, schmeichelte und webte überraschende Wendungen in einfache Töne. Ein Fado, ja, aber kein herkömmlicher Fado und schon gar kein Touristenspektakel. Vielmehr verwandelte sie den Fado in ein subtiles, intelligentes, poetisches, geheimnisvolles Medium, das sich zwischen ihr und dem Publikum entwickelte – unabhängig davon, ob die Besucher des Portugiesischen mächtig waren und die Texte verstanden. Ihre Lieder zelebrierte sie mit einer Hingabe, als gelte es, böse Dämonen zu vertreiben. Joaos Ausstrahlung war faszinierend. Mit Talent, Charme und professioneller Wirkung sowie ihrer brillanten Stimme und ihrer Natürlichkeit machte sie den Fado zu ihrer individuellen Herzensangelegenheit. Ihre Stimme wurde dabei zum Instrument. Der ganze Körper zum Klangträger. Dazu tanzte sie bei Liedern wie „Noite De Sao Joao“ (von ihrem neuesten Silberling „Nua“), das ihr die Kollegin Capicua auf den Leib schrieb, oder dem humorigen „O Senhor Extraterrestre“, der Geschichte von außerirdischen Herren, die mit ihrem Ufo im Garten des Nachbarn landen und unser Leben zerstören wollen, leichtfüßig wie ein Kätzchen. Bei melancholischen Liedern hingegen, wie dem uralten Klagelied „Llorona“, war ihrer Stimme Bitterwürze beigemischt, und der ganze Körper, von der Mimik über die Gestik bis zur Bewegung, drückt tiefste Tragik aus. So war ihre Stimme gleichsam ein wunderbares Instrument, mit dem sie den Hörer sehnsüchtig machte. Süchtig machten auch die drei Begleitmusiker. Virtuos beherrschte Bernardo Couto die portugiesische Gitarre mit dem runden Korpus, der seinem Instrument mit bravourösem Fingerpicking herrliche, mandolinenartige Klänge entlockte. Und ebenso virtuos begleiteten Francisco Gaspar auf dem Bass und Nelson Aleixo auf der Fado-Gitarre. Stehend klatschte das begeisterte Publikum zwei Zugaben heraus. Konzert Heute, 20 Uhr, im Cotton Club, es singt Mariama Lieder aus ihrer westafrikanischen Heimat Sierra Leone; Tickets: Abendkasse.

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