Kaiserslautern Eine Virtuosin ersten Ranges

Selten erwiesen sich hinterher die Titel der Konzerte der städtischen Reihen als so zutreffend wie am Freitagabend beim Klavierkonzert im Casino der Volksbank. „Romantische Intensität“ darf der Konzertpianistin Sachiko Furuhata-Kersting allemal bei ihren Klavierrezitals bestätigt werden. Die stilistische Frage lautete aber vielmehr beim ihrem Auftakt, ob Ludwig van Beethoven überhaupt als Wiener Klassiker aufführungspraktisch in das sonst schlüssig aufgebaute Programm passt, wenn er so wie an diesem eher schwach besuchten Abend (über)interpretiert wird.

Ist Beethoven nun ein „Stürmer und Dränger“, ein formal klassisch denkender oder diesen Formenkanon erweiternder und sogar bisweilen auflösender Revolutionär und Neuerer? Oder harmonisch in seinen späten Streichquartetten ein Romantiker – seiner Zeit weit voraus – oder, bei der „Eroica“ spürbar, vom Donnerhall der Französischen Revolution geprägt? Die erste zentrale Frage lautet also, wo steht Beethoven in der Musikgeschichte? Die zweite des Klavierkonzertes, wo derzeit interpretatorisch die in der Barbarossa-Kulturmetropole lebende Konzertpianistin? Die Aufführung der „Waldstein-Sonate“ hatte ihre klanglichen Härten, eruptive Ausbrüche, entfesselte orchestrale Klangenergien. Da wirkten Themen wie in Stein gemeißelt und nicht klassizistisch ziseliert oder gar zelebriert. Salopp ausgedrückt, wer bei Beethoven schon sein ganzes Pulver an allerhöchstem klanglichem, dynamischem und agogischen Einsatz verschießt, hat für weitere „Kaliber“ wie beispielsweise Franz Liszt oder Sergei Rachmaninow kaum noch Reserven und Steigerungsmöglichkeiten. Der Zugriff der Pianistin war bei diesem Beethoven also ungewöhnlich packend, mitreißend, unerbittlich in der Trennschärfe der Themen, kristallklar allerdings auch in den strukturierten, präzisen, aber nicht immer konzisen Abläufen. Die Pianistin Sachiko Furuhata-Kersting ist unbestritten eine Virtuosin ersten Ranges, ist sie aber auch eine analytisch denkende und vergleichend Entwicklungen aufzeigende Interpretin? Und vor allem: Ist sie eine Klangästhetin und poetisch empfindende Interpretin? Auf diese brennenden Fragen gaben erst die folgenden Werke zunehmend eine klarere Antwort. Während der Kritiker-Papst des 19. Jahrhunderts, Eduard Hanslick, den folgenden Klavierzyklus von Johannes Brahms mit sechs Charakterstücken op. 118 als nach innen gewandte Monologe in träumerischer Wehmut empfand, konnte sich Furuhata-Kersting nur sporadisch und zögerlich von „ihrem“ Beethoven und der dort entwickelten spielerischen Bravour lösen. Vor allem die Intermezzi wirkten phasenweise mehr wie ein innerer Kampf als eine Meditation. In den Sätzen der Ballade und Romanze gab sie dagegen mehr einer auch zu entdeckenden Subtilität und romantischen Empfindsamkeit anstelle von überbordender Intensität und emphatischer Expressivität nach und deutete erstmals eine entsprechende Sensibilität und Flexibilität an. In der Folge wählte sie bevorzugt jene romantischen Klavierwerke aus, die – schon in den Satzbezeichnungen – mehr den leidenschaftlich pathetischen Tonfall, den resoluten Zugriff und die innere Dramatik der kompositorischen Entwicklung einfordern. So bei Robert Schumanns Klavier-Fantasie C-Dur oder bei Frédéric Chopins Scherzo, das eigentlich ebenfalls vielmehr eine Art Konzertfantasie darstellt. Zunächst flossen aber bei Schumann die Satzvorgaben und die klangliche Charakteristik und interpretatorische Umsetzung in angemessener Weise zusammen. Hier entstanden erstmals an diesem Abend inspirierende Momente lyrischer Faszination in Pastelltönen. Dieser Schumann war interpretatorisch die eigentliche Entdeckung des Abends, zeigte eine deutliche Weiterentwicklung der Pianistin, hin zu mehr Klangfarben und Nuancen des Anschlags und der Artikulation. Aber auch Chopins Klangbeispiel zwischen bohrend-brodelnder Motivik zu Beginn und zunehmend graziler, spielerischer Auflockerung offenbarte dann alles an Klangfarben und Empfindungen – ohne zu übertreiben. Fazit: Romantische Angemessenheit und nicht nur Intensität.

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