Rheinpfalz Die Hölle im Büro

Chefs, die sich überschätzen, Kollegen, die andere ausnutzen, Untergebene, die alles tun, nur nicht, was sie sollen – Alltag eines Arbeitnehmers. Heike Abidi aus Otterbach hat wahre Geschichten darüber gesammelt.

Frau Abidi, cholerische Vorgesetzte und Mobbing unter Kollegen sind an für sich ja nicht witzig. Hat sich alles, was in Ihrem Buch steht, so ereignet?

Es ist alles hart an der Realität. Man fügt einzelne Anekdoten zusammen zu einem Tag. Ein Großteil hat sich genauso oder ganz ähnlich zugetragen. Andere sind auf der Grundlage von Erfahrungsberichten entstanden, sie hätten durchaus so passiert sein können. Das Erstaunliche ist: Je dichter eine Geschichte an der Wirklichkeit ist, desto unglaublicher liest sie sich. Sie haben vorsichtshalber darauf verzichtet, die einzelnen Geschichten den Autoren zuzuordnen. Welcher Text stammt von Ihnen? Von mir ist die Typologie der Chefs. Diese einzige Person definiert das Betriebsklima unabhängig davon, ob eine Firma drei oder 300 Mitarbeiter hat. Wenn man mit ihr nicht klarkommt, kann selbst der interessanteste und bestbezahlte Job zur Hölle auf Erden werden. Doch das Klarkommen kann man lernen, indem man erkennt, mit welchem Typ Chef man es zu tun hat. Sie machen mich neugierig. Nun, da gibt es zunächst einmal den Typ „Gorilla“. Das ist ein friedfertiger Familientyp mit moralischen Ansprüchen. Loyalität ist für ihn das Maß aller Dinge. Seinem Team gegenüber ist er ein sanfter Beschützer, kluger Entscheider und fairer Schiedsrichter. Was er nicht ertragen kann, ist Verrat. Dann gibt es den „Tiger“ – ein nur sehr bedingt teamfähiges Kraftpaket mit eingeschränkten Führungsqualitäten – und die „Giraffe“, der Harmonie wichtiger ist als Machtkämpfchen, weil sie ein antiautoritärer Teamplayer mit Überblick ist. Der „Pfau“ ist ein selbstverliebter Möchtegern-Star mit Hang zum Drama, dessen Mitarbeiter auf eigene Verbesserungsvorschläge verzichten und sich stattdessen als begeistertes Publikum erweisen sollten. Eine bizarre Menagerie, die Sie da aufmarschieren lassen. Das ist noch nicht alles. Chefs vom Typ „Kamel“ – also ausdauernde Leistungsträger mit extrem gutem Gedächtnis – sind schwer zu beeindrucken, weil sie selbst das beste Vorbild zu sein glauben. Der „Buckelwal“ ist dagegen ein soziales Wesen, ein geselliger Spaßmacher mit Vorliebe für Kommunikation. Das „Nashorn“ sollte man nicht unterschätzen. Es ist weder majestätisch noch elegant, sondern bodenständig. Aber es wirkt nur träge und harmlos. Wehe, es wird gereizt. Sie ertappen mich beim Sinnieren, welcher Typ mein ... Lassen wir das. Haben Sie selbst derartige Erfahrungen mit Chefs oder als Chefin gemacht? Ich bin seit mehr als 20 Jahren selbstständig als Eine-Frau-Unternehmen, also ohne Angestellte. Aber einiges hat sich aus der Erfahrung mit unterschiedlichen Vorgesetzten eingeprägt. Am meisten ärgert mich, dass viele Chefs so geizig mit der günstigsten Motivation umgehen, die es gibt: mit Lob und Information. Was zeichnet einen guten Vorgesetzten sonst noch aus? Ein guter Chef kennt die Stärken seiner Mitarbeiter. Er setzt sie dort ein, wo sie diese Stärken einbringen können. Das ist gut für die Firma und gut für die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Wer macht mehr Probleme: der Chef oder die Kollegen? Ein Choleriker als Chef ist ziemlich übel. Doch mit Schaumschlägern, Besserwissern, Jammerlappen oder Schleimern zusammenarbeiten zu müssen, ist auch kein Spaß. Mit tollen Kollegen lässt sich ein mieser Chef besser ertragen als umgekehrt. 41 Prozent der arbeitenden Bevölkerung wünschen sich einen anderen Job. Das hat viele Gründe. Wenn man sieht, dass man an seinem aktuellen Arbeitsplatz nicht vorankommt, seine Vorstellungen nicht verwirklichen kann oder mit der Atmosphäre nicht klarkommt, erwacht der Wunsch nach einem Wechsel. Aber es gibt sicher auch Leute, die neue Herausforderungen, bessere Aufstiegschancen oder schlicht andere Gesichter suchen. Andererseits: Welcher Beamte würde seine Position aufgeben, auch wenn er noch so gemobbt wird? Der Titel Ihres Buchs suggeriert eine „Bürohölle“. Da oft aber rund ein Viertel des Arbeitstages für Privatgespräche, Surfen im Netz oder Zigarettenpausen draufgeht, kann es auch recht locker zugehen, oder? Es ist eine Illusion, man könne acht Stunden am Stück produktiv oder gar kreativ sein. Eine zweite Illusion ist das Vorurteil, das Gespräch mit Kollegen, die Zigarette oder Aktivitäten in sozialen Medien seien unproduktiv und unkreativ. Denn dabei werden oft großartige Ideen geboren, Abläufe besprochen und Lösungen gefunden – was man von einem stundenlangen Meeting nicht immer behaupten kann. Als Mann muss ich einwenden, dass nach meiner Beobachtung Kolleginnen häufiger „das Gespräch suchen“. Aber die Frage aller Fragen ist: Sind Frauen oder Männer die besseren Chefs? Leider gibt es ja immer noch deutlich weniger Chefinnen als Chefs. Deshalb fällt ein direkter Vergleich eher schwer. Ich halte auch wenig von diesen typisch Frau- und typisch Mann-Vorurteilen. Es gibt tolle Chefs und üble Chefinnen und umgekehrt. Wichtig ist doch, dass Vorgesetzte empathisch sind und motivieren können. Und dass sie wissen, Konflikte sowohl zu lösen als auch aus ihnen zu lernen. INFO Heike Abidi, Jg. 1965, ist Sprachwissenschaftlerin, Werbetexterin und Autorin von Jugendbüchern sowie Unterhaltungsromanen und lebt in Otterbach. Heike Abidi, Anja Koeseling (Hg.): „Willkommen in der Bürohölle – Von schrecklichen Chefs, fiesen Kollegen und unfähigen Untergebenen“. Eden Books, 350 Seiten; 9,95 Euro. (rik)

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