Grünstadt Stimmgewaltiges Energiebündel

Tess D. Smith (rechts), hier im Duett mit Sabine Weidinger.
Tess D. Smith (rechts), hier im Duett mit Sabine Weidinger.

Haben die Burgsommer-Organisatoren, Tobias Ueberschaer und Rainer Klundt, es tatsächlich geschafft, Tina Turner nach Neuleiningen zu holen? Am Freitagabend hat man das fast glauben können. Da fegte eine Frau über die Bühne, in gleicher Weise wie die legendäre Rockröhre aus Tennessee und mit einer zum Verwechseln ähnlichen Stimme. Tess D. Smith begeisterte mit ihrer ausgezeichneten Band und einer grandiosen Show das Publikum. Vom ersten Ton an.

Im schwarzen Mini und mit Netzstrumpfhose auf goldenen Pumps stolziert die Sängerin auf die Bühne, wo ihre Musiker bereits mitten drin sind in einem flotten Rock ’n’ Roll-Rhythmus aus den Sechzigern, als Tina Turner mit ihrem Ehemann Ike als Duo auftrat. Smith sucht direkt den Kontakt zum Publikum und tanzt sich singend auf den kleinen Laufsteg, der in den Zuschauerraum ragt. Die charmante Filipina schüttelt ihre Wuschelmähne und schwärmt in großer Ehrfurcht von ihrem amerikanischen Vorbild, das man mit so einer Frisur kennt. Doch nicht nur die Haare und die Figur – auch die Bewegungen, geprägt von unbändiger Kraft und Ausdrucksstärke, sind eine gelungene Kopie des Originals. Smith bringt das gleiche Temperament mit wie ihr Idol. Wie ein junges Mädchen tobt das 54-jährige Energiebündel, das von zwei hervorragenden Showtänzerinnen flankiert wird, von einer Ecke in die andere. Sie rollt sich auch mal elegant über den Boden, um Sekunden später wieder aufzuspringen, die Arme hochzureißen und die Beine nach vorn zu schleudern – dabei aber in keiner Weise stimmlich schwächelnd. Und als sei das an demonstrierter Power noch nicht genug, zieht sie sich nahezu zu jedem Lied um. Mal im kurzen, silbern glänzenden Paillettenkleidchen, mal im pinkfarbenen Abendkleid, dann wieder im lässig gebundenen gelben Hemd zu Shorts und Turnschuhen, greift sie zum Mikrofon. Und was dann zu hören ist, geht ins Herz, ist fantastisch. Tess kopiert Tina nicht nur, Tess ist Tina, spürt ihr ganzes Leben nach – mit allen Höhen und Tiefen. Sie erzählt von den seelischen und körperlichen Verletzungen, die Turner durch ihren Mann Ike zu ertragen hatte, und von der folgenden Depression. Es folgt ein emotionales „Help“, bei dem jedes Wort mit Inbrunst, unterstrichen von entsprechender Mimik und Gestik vorgetragen wird. Später nimmt das Publikum Anteil an Turners privatem Drama, ihrem mutigen Entschluss, nach 14 Jahren Martyrium die Scheidung einzureichen, garniert mit textlich zum Lebensabschnitt passenden Songs. Zu „Proud Mary“ und „Nutbush City Limits“ bebt der Burghof, „Steamy Windows“ wird bejubelt, „I Don’t Wanna Fight“, „Typical Male“, „Disco Inferno“ und „What You Get Is What You See“ werden mit Begeisterung aufgenommen. Zu „Private Dancer“ geben sich Smith und ihre zwei Top-Tänzerinnen verführerisch. Dargeboten wird auch der Hit „Only Love“, den Turner 1988 mit Bryan Adams gesungen hat. Den Part von Adams übernimmt in Neuleiningen Backgroundsängerin Susanne Czech und zeigt dabei ihre stimmlichen Qualitäten. Auch Sabine Weidinger, sonst ebenfalls in zweiter Reihe, darf in einem Stück mit ihrer ansprechenden Soulstimme davon überzeugen, dass ihr Platz vorn auf der Bühne sein könnte. Die Band, mit der Smith seit 2005 zusammenarbeitet, begleitet sie nicht einfach, sondern gestaltet die Show maßgeblich mit. Ganz aus dem Häuschen gerät das Publikum regelmäßig, wenn Michael Steiner in sein Saxofon bläst. Der aus Pforzheim stammende Diplommusiker spielt mit Leichtigkeit und Gefühl, löst Gänsehaut und immer wieder Zwischenapplaus aus. Kostproben seiner Virtuosität gibt es schon zu Beginn des Konzerts, später bei „Let’s Stay Together“ und „We Don’t Need Another Hero“. Erstklassig sind auch die beiden Gitarristen, Uli Hoffmann und Joe Krayer. Smith betont mehrfach, wie stolz sie auf ihre Band ist. Den Konzertbesuchern, die sich die gute Laune trotz heftigen Regens nicht vermiesen lassen, zeigt sie sich dankbar mit dem Titel „The Best“: „You’re simply the best; better than all the rest, better than anyone, anyone I ever met.“

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