Grünstadt Kirchheimer Weinstraße Nord: Ungewohnte Stille

Josephine Ostuni freut sich über die leere Weinstraße: In zehn Tagen rollen die Autos hier wieder.
Josephine Ostuni freut sich über die leere Weinstraße: In zehn Tagen rollen die Autos hier wieder.

Seit vergangener Woche ist die B 271 zwischen Kirchheim und Grünstadt für den Verkehr gesperrt.

«Kirchheim.» „Es ist ein Traum“, sagt Josephine Ostuni, die in der Weinstraße Nord in Kirchheim wohnt. Seit dem 4. Oktober, als die Sperrung der Bundesstraße eingerichtet wurde, könnten sie und ihr Mann – beide arbeiten nachts – deutlich besser schlafen. „Auch unsere Kinder bleiben länger im Bett liegen“, freut sich die Neubürgerin, die das Haus vor zwei Jahren nur gekauft hat, weil der Spatenstich für die Umgehungsstraße gerade erfolgt war. Die Ortsumgehung werde eine enorme Entlastung bringen, ist sie sich sicher und erzählt von brenzligen Situationen, wenn sie ihre Sprösslinge (sechs und zehn Jahre alt) zur Grundschule begleitet. Allein könne sie ihre Kinder bisher keinesfalls laufen lassen. Der geplanten Umgestaltung des Ortskerns, bei dem unter anderem die Bürgersteige verbreitert und Parkbuchten auf der Weinstraße eingerichtet werden sollen, sieht sie dennoch skeptisch. „Wie soll das gehen, wenn dann die Fahrbahn schmaler ist?“ Volker Benzinger sieht die vorgesehene Verbreiterung der Fußwege ebenfalls kritisch. „Zumal, wenn der Kreuzungsbahnhof kommt.“ Wie mehrfach berichtet, sollen am Kirchheimer Bahnhof künftig zwei Züge aneinander vorbeifahren können. Da dieser Begegnungsverkehr mehr Zeit in Anspruch nimmt (bei Stopp des einen Zuges am Bahnhof geht der zweite auf die Strecke) als Ankunft und Abfahrt eines einzelnen Zuges, werden die Schranken deutlich länger geschlossen bleiben. Dadurch werden sich Autoschlangen auf der Weinstraße bilden. „Was wir nicht gebrauchen können, sind Staus“, sagt Benzinger. Wenn in Kirchheim dank der Umgehung weniger Verkehr sei, könnten die Einwohner auch mit schmalen Trottoirs leben, findet der Winzer. Durch die momentane Sperrung bekomme man einen kleinen Vorgeschmack auf die Situation nach Eröffnung der B 271 neu, auf die er sich sehr freue. Das Dorf werde sauberer sein, es würden nicht mehr so viele Dachrinnen und Hausecken durch Brummis zerstört. Auch werde es ruhiger. Momentan sei es „angenehm, auch wenn irgendwie das Grundgeräusch fehlt“, so Benzinger, der seit 37 Jahren sein Weingut in der Weinstraße Nord betreibt. Schlafprobleme kenne er nicht dank der Schallschutzfenster. Das sagt auch Benno Brechtel. Der 69-Jährige, der seit seiner Geburt an der scharfen Rechtskurve am nördlichen Ortseingang wohnt, erinnert sich, dass früher viel weniger Verkehr war. „Inzwischen ist es hier aber unerträglich, vor allem wegen der Lkw“, meint der Rentner, der sich von der B 271 neu eine deutliche Steigerung der Lebensqualität verspricht. Über eine Umgehungsstraße sei schon seit Kriegsende diskutiert worden, weiß er. Zu der aktuellen Debatte über die Umgestaltung der Dorfmitte schüttelt er den Kopf und fragt: „Und? Wer zahlt das? Wir Bürger.“ Für Dominik Voß dagegen wäre der Umbau des Ortskerns, auf den er hoffe, „nur die logische Konsequenz der Umgehung“. Die B 271 neu werde seinen Kindern vieles ersparen, meint der vierfache Vater, dessen Nachwuchs zwischen neun Monaten und acht Jahren alt ist. Beim Schulweg sei es schon zu mancher kritischen Situation gekommen. Seit 2012 lebt seine Familie an der viel befahrenen Durchgangsstraße. Die Umgehung sei beim Einzug damals noch weit weg gewesen und er habe eigentlich nicht geglaubt, dass das 21,8 Millionen Euro teure Projekt tatsächlich umgesetzt wird. Stephanie Benz, die seit 2001 in der Weinstraße Nord lebt, sieht dem Tag der Einweihung der B 271 neu mit großer Freude entgegen. Ihre drei Kinder (zehn, zwölf und 14 Jahre alt) seien den enormen Verkehr auf der engen Weinstraße mit bis zu 13.000 Fahrzeugen täglich zwar von klein auf gewohnt und verhielten sich sehr vernünftig. Dennoch sei es zu gefährlich gewesen, sie allein auf den Schulweg zu schicken. Allerdings wird sich für sie persönlich das Verkehrsproblem durch die Umgehung nur verlagern, denn die Entlastungsstraße gehe an ihrem Pferdestall vorbei. Dafür werde dann vor ihrer Haustür relative Ruhe herrschen – so wie jetzt. „Die ungewohnte Totenstille war am ersten Tag schon irgendwie komisch“, sagt Benz. Die geplante Verbreiterung der Gehwege – so schön sie für die Fußgänger auch wären – sieht sie als „unnötige Geldausgabe“. Auf der dann schmaleren Fahrbahn würde es für die großen Gefährte der Winzer und der Lieferanten der Betriebe noch enger. „Es werden schon jetzt viele Regenrinnen und Dachziegel heruntergerissen“, so Benz. Bernd Knerr glaubt dagegen, dass die Idee, die Bürgersteige zu verbreitern, nicht realisierbar sei: „Es gibt doch eine bestimmte Fahrbahnmindestbreite und die Häuser kann man nicht versetzen. Da bleiben die Gehwege schmal.“ In den 20 Jahren, die er inzwischen hier lebe, habe er sich an die Enge in der Weinstraße gewöhnt, auch wenn ihm beim Kehren vor seinem Hoftor auch schon mal ein Außenspiegel an den Ellenbogen geknallt sei. Und ist das Gassigehen mit dem Hund nicht eine Qual? „Man darf nicht so ängstlich sein“, findet Knerr. Der Lärm setze ihm allerdings schon manchmal zu. Wenn er von der Arbeit bei der Wellpappe Sausenheim, wo ständig ein gewisser Geräuschpegel herrscht, nach Hause komme, sei er mitunter schon genervt, räumt er ein. Schlafprobleme habe er jedoch nicht – selbst bei offenem Fenster.

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