Grünstadt Grünstadt ist Vorreiter bei Phosphorrückgewinnung

Der Grünstadter Klärschlammreformer produziert phosphorhaltigen Dünger.
Der Grünstadter Klärschlammreformer produziert phosphorhaltigen Dünger.

Eine neue Verordnung schreibt die Rückgewinnung von Phosphor aus dem Abwasser vor. Grünstadt ist Vorreiter bei der Entwicklung der Technologien dafür.

Phosphor ist ein Mineral, das für Menschen, Tiere und Pflanzen unersetzlich ist – ohne Phosphor kein Leben. In Düngemitteln kann er durch keinen anderen Stoff ersetzt werden. Phosphor ist aber ein knapper Rohstoff, dessen Vorkommen begrenzt sind. Klärschlamm dagegen gibt es massenhaft, und er enthält Phosphor. Bisher wird aber der meiste Schlamm verbrannt – mit dem wertvollen Material, das damit unwiederbringlich verloren ist. Das soll sich mit der neuen Klärschlammverordnung ändern. Weil die Technik dafür aber noch in den Anfängen steckt, haben die Klärwerkebetreiber dafür je nach Größe der Anlagen noch zwischen zwölf und 15 Jahren Zeit. Die Grünstadter sind da schon wesentlich weiter: Sie haben bereits an Phosphorrückgewinnung gedacht, als dies noch kaum ein Thema war. Ende November 2014 hat auf der Kläranlage in der Max-Planck-Straße der Klärschlamm-Reformer der Firma Thermo-Systems aus Filderstadt den Probebetrieb aufgenommen. Er kostete rund 900.000 Euro, 440.000 Euro gab das Land für das Pilotprojekt dazu. Der Name Pilotprojekt sagt es schon aus: Es handelt sich dabei (noch) nicht um eine ausgereifte Technik. Deshalb waren viele Änderungen nötig. Zwei Mitarbeiter des Herstellers sind seit zweieinhalb Jahren ständig vor Ort, um die Anlage zu betreuen, haben Materialien umgetauscht, die sich als ungeeignet erwiesen, und den Reformer zum Teil massiv umgebaut. Denn es ist ein diffiziler Vorgang, der sich in der Anlage abspielt: Der zuvor solargetrocknete Klärschlamm soll darin verglühen und Wärme sowie phosphathaltigen Dünger liefern – möglichst ohne Restkohlenstoff. Und daran habe es gehapert, berichtet der technische Leiter der Entsorgungs- und Servicebetriebs der Stadt Grünstadt, Steffen Albert, im RHEINPFALZ-Gespräch. „Die Verbrennung war sehr schwer kontrollierbar.“ In der Ursprungsversion war der Reaktor komplett mit Klärschlamm gefüllt. Darin hätten sich Gänge gebildet, es entstanden Heißzonen, in denen die Temperatur zu hoch war, erläutert Albert. Die Folge: Das Endprodukt war wie verglast, der Phosphor darin eingeschlossen. An anderen Stellen wiederum war es zu kühl, oder die Verglimmung lief zu schnell ab, wodurch wiederum der Kohlenstoffgehalt zu hoch war. Thermo-Systems habe den Reformer deshalb noch einmal komplett umgebaut und auf einen Etagenofen umgestellt: Darin befinden sich mehrere Teller übereinander, die sich drehen: Nach einer Umdrehung wird der Klärschlamm auf dem obersten Teller mittels eines Schiebers nach innen oder außen transportiert und fällt dann durch ein Loch auf die nächste Ebene, bis er schließlich ganz unten anlangt. Durch die längere Verweilzeit könne man die Verbrennung – oder genauer gesagt Verglimmung – gut steuern, erklärt Albert. Sie finde im oberen Bereich statt, unten werde Gas freigesetzt, das nach oben steige und sich dort entzünde. Durch die dünne Schlamm-Schicht auf den Tellern würden Gänge verhindert, Luft könne gezielt eingebracht werden. Die ersten Untersuchungsergebnisse des Materials seien vielversprechend: Der Restkohlenstoffanteil sei sehr gering. Im Moment werde die Anlage noch per Hand gesteuert. Sobald das elektronisch gehe, stehe die Abnahme durch die Struktur- und Genehmigungsdirektion an. Die prüft, ob die Abgase den Vorgaben des Bundes-Immissionsschutzgesetz entsprechen. Falls die SGD ihr Plazet gibt, erfolgt im Oktober die Übergabe des Klärschlammreformers vom Hersteller an die EBG. „Ob sich im Dauerbetrieb neue Probleme zeigen, muss man sehen“, sagt der technische Leiter des EBG. „Aber wir sind guter Dinge.“ Der Gesichtspunkt Dünger stehe erst mal im Hintergrund: Wenn das Endprodukt zumindest deponiefähig sei, könne man es lagern. „Das wäre schon mal gut, Klärschlamm darf in naher Zukunft nicht mehr auf den Acker.“ Die Überschusswärme, die beim Verglimmen entsteht, wird in die Solartrockenanlage geleitet. „Wir erhoffen uns davon mehr Durchsatz“, sagt Albert. Sobald der Reformer reibungslos funktioniere, könnten in Grünstadt auch die Klärschlämme aus anderen Kläranlagen angenommen und verarbeitet werden. Die Verbandsgemeinden Grünstadt-Land und Freinsheim hätten schon mal deswegen angefragt. Insgesamt sagt der technische Leiter zum Pilotprojekt trotz aller Kinderkrankheiten: „Einer muss der Erste sein, sonst steht die technische Entwicklung und es gibt kein Weiterkommen.“

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