Grünstadt Die Ohnmacht der Justiz

Da hilft kein Paragraph: Haufen vor dem Amtsgericht.
Da hilft kein Paragraph: Haufen vor dem Amtsgericht.

«GRÜNSTADT.»„Zehn Tretminen am Grünstadter Amtsgericht!“ Die Montags-Meldung von Justizhauptwachtmeister Uwe Freyland hat zum Glück keine reale terroristische Bedrohung zum Inhalt. Aber: Eine Bedrohung des Arbeitsklimas im Justizgebäude sind die Tretminen schon. Vor allem während der Sommerhitze, wenn die übers Wochenende auf den Amtsgericht-Wiesen abgelegten Hundehaufen ihr volles Aroma entwickeln. „Da ist es unmöglich, die Fenster zum Lüften zu öffnen“, rümpft Amtsgerichtsleiter Michael Goldschmidt die Nase: „Das stinkt regelrecht zum Himmel.“

Nun sollte man meinen, dass vier Richter und zwei uniformierte Hauptwachtmeister an der Pforte diese verka..., äh, vertrackte Situation in den Griff bekommen müssten. Doch weit gefehlt. Die Ohnmacht der deutschen Justiz bei der Regelung dieser tierischen Hinterlassenschaften wird nicht nur jeden Montag deutlich. Auch unter der Woche tätigen einige Herrchen und Frauchen Geschäftsabschlüsse auf dem Rasen in der Tiefenthaler Straße 8. Genauer gesagt, deren Hunde machen dort ein großes Geschäft. „Montags sind das auch schon mal an die 20 neue Haufen auf den vier Wiesen“, weiß Freyland. Und er muss es wissen, schließlich übernimmt der Justizangestellte auch einige Hausmeisteraufgaben in und am Amtsgerichtsgebäude. Dazu gehört auch der Rasen – und alles, was drauf liegt. „Manchmal brauch’ ich fast eine Stunde, bis ich mit dem Mähen anfangen kann. Zuerst müssen mal alle Flachmänner sowie Bier- und Weinflaschen weggeräumt und dann die Tretminen der Hunde entsorgt werden.“ Obwohl, „entsorgen“ ist – nicht nur hier - der falsche Ausdruck. Denn die tierischen Stoffwechsel-Abfallprodukte landen angesichts ihres bestialischen Gestanks noch nicht einmal in der Mülltonne. „Da würden sie rückwärts umfallen, wenn sie die Klappe aufmachen. Ganz zu schweigen von den unzähligen, bunt schimmernden Fliegen, die dann hier umherschwirren würden“, sagt Freyland. Also kommen die Tretminen dort hin, wo Menschen durch sie nicht dauerhaft (geruchs-)belästigt werden, sondern praktisch nur beim Vorbeigehen. Normalerweise „entsorgt“ Freyland jeden Montag schon vor Dienstbeginn alle Hundehaufen, die sich am dienstfreien Samstag und Sonntag auf dem Rasen angehäuft haben – zumindest die, die ihm gleich ins Auge oder die Nase fallen. „In fast allen Größen und in unterschiedlichster Konsistenz. Jetzt im Sommer gibt’s sogar Exemplare, do sinn schunn Hoor draa...“ An dieser Stelle stellt sich die Frage, wie die Grünstadter Justiz das Hundekot-Problem lösen könnte. Wie wär’s mit Videoüberwachung rund um die Uhr? Damit würde man wohl mit Kanonen auf Spatzen schei..., äh schießen. Investitionen und Arbeitsaufwand bei der Sichtung der Aufnahmen stünden in keinem Verhältnis zur Täterermittlung. Ganz zu schweigen von den „Strafen“, die den überführten Herrchen und Frauchen drohen: ein Bußgeld in Höhe von bis zu 20 Euro. Denn solche Tretminen werden in keinem Gesetzbuch der Welt als Waffen und Verbrechen oder Vergehen aufgeführt; dieses Minen-Legen ist nur eine Ordnungswidrigkeit. Vom „Appell“ an Anstand und Rücksicht halten weder Freyland noch sein Kollege Gerhard Kraus etwas. Zu frisch ist die Erinnerung an den Mann, der vor den Augen der beiden Hauptwachtmeister seinen Rüden in aller Ruhe „drücken“ ließ. Auf die entsprechende Ansprache war das Herrchen, sagen wir mal uneinsichtig: „Hey Alder, was willst du, was geht dich mein Hund an?“ Kein Respekt mehr vor der Justiz – noch nicht mal vor einer Uniform. Vielleicht hilft tatsächlich nur ein Zaun, der vor Tretminen legenden Hunden schützt. Dann würden nicht nur die 25 Angestellten des Grünstadter Amtsgerichts und die Grashalme aufatmen. Auch der Laternenmast hätte eine höhere Lebenserwartung. Das legen jedenfalls die Auflösungserscheinungen am metallenen Mastfuß nahe: Mit einem Zaun, wie etwa am Frankenthaler Amtsgericht, gäbe es jedenfalls keine chemischen Reaktionen mehr ab Rüden-Beinheb-Höhe. Und montags keine Tretminen-Meldung mehr von Freyland.

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