Grünstadt Die neue Unsicherheit

Keine Frage: Ich wollte schon immer Reporterin werden. Als ich 15 war, plante ich in meinem Heimatland Nigeria sogar mein eigenes Magazin zu gründen. Ich wollte Journalistin und Verlegerin in einer Person sein, leider scheiterte das Projekt aber damals, weil ich nicht die Unterstützung bekam, die ich benötigte. Wenn ich Menschen in Nigeria von meinen Berufswünschen erzählte, wurde ich belächelt. Niemand glaubte, dass ich es schaffen würde. Für sie war ich einfach ein weiteres afrikanisches Kind: Träume sterben hier auf diesem Kontinent jeden Tag. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier in Deutschland nun meinem Traum leben und für eine Zeitung schreiben kann. Neulich etwa saß ich im Zug von Frankenthal nach Grünstadt, als mich der Fahrtkartenkontrolleur nach meinem Ticket fragte. Ich gab ihm meinen Online-Ausdruck, er warf einen Blick darauf und sagte plötzlich: „Queendaline Schneider! Sie sehen sehr gut und ganz anders mit ihrer neuen Frisur aus.“ Ich war verdutzt. „Kennen wir uns?“ Er antwortete: „Ja, ich kenne sie aus der Zeitung. Sie schreiben doch für die Grünstadter Ausgabe der RHEINPFALZ!“ Es ist sehr schön zu wissen, dass da draußen jemand meine Artikel liest. Ausruhen kann ich mich darauf nicht. Mir ist klar geworden, dass ich noch so viel lernen kann und muss. Sich in Deutschland fortzubilden ist als Nicht-Muttersprachlerin nicht so einfach. Deshalb habe ich mir einen anderen Ort für meine Weiterbildung diesen Sommer ausgeguckt: London. Mann muss dazu wissen: Von der britischen Hauptstadt war ich schon immer fasziniert. Sie war stets ein Sehnsuchtsort für mich. Ein Ort, von dem ich träumte, wenn ich Anfang der Neunziger – ich war damals noch ein Kind – mit meinen Freunden Flugzeuge am Himmel beobachtete. Ich wusste: Irgendwann sitze ich auch mal als Passagier in einem solchen – und dann geht es nach London. Mal die andere Queen sehen ... Diese Weiterbildung ist für mich eine große Sache. Leider habe ich meine Eltern schon früh in meinem Leben verloren, weshalb mir in Sachen Bildung so manche Türen verschlossen blieben. Allerdings habe ich trotz dieses schlimmen Verlusts nie aufgehört an mich zu glauben. Nun werde ich es also nach London schaffen. Es herrscht entsprechend große Vorfreude, auch wenn die jüngsten Nachrichten aus England natürlich nicht für Freude sorgen: Die vielen Terroranschläge, zuletzt in London und Manchester, stimmen einen traurig und nachdenklich. Klar, auch ich mache mir Sorgen um meine Sicherheit und die von anderen. Das geht ja schon am Flughafen los. Wobei ich sagen muss, dass ich mich am Frankfurter Flughafen etwa immer sicher gefühlt habe. Überall sieht man uniformiertes Personal, Polizeibeamte und technisch scheint der Flughafen auch sehr gut ausgerüstet. In Nigeria ist man als Passagier sicherer, wenn man das Land verlässt, als wenn man dort ankommt. Denn viele Diebe gehen davon aus, dass Ankommende – egal ob Einheimische oder Touristen – meist gut situiert sind und/oder vielleicht sogar fremde Währung im Gepäck haben. Das führt dann sogar dazu, dass Einheimische nicht mal ihrer Familie Bescheid sagen, wenn sie nach Nigeria zurückkehren – aus Angst, dass sich das Ganze rumspricht. Angst kann ein guter Ratgeber sein. Aber auch ein schlechter. Von meiner Weiterbildung lasse ich mich von ihr auf jeden Fall nicht abhalten. Die Autorin Ursprünglich stammt die Journalistin Queendaline Schneider, Jahrgang 1985, aus Lagos/Nigeria. Seit einigen Jahren lebt sie in Grünstadt – und beobachtet für uns das Leiningerland aus der afrikanischen Perspektive

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