Grünstadt Bockenheim: Diskothek "Knigge" wird abgerissen

Gerd Seibel heute.
Gerd Seibel heute.

Disco-Betreiber Gerd Seibel erinnert sich an wilde Zeiten.

Jahrzehntelang hat Gerd Seibel die „Knigge“ in Bockenheim betrieben. Nun wird die ehemalige Diskothek mit der dazugehörigen Gaststätte „Bockrumer Faß“ abgerissen. Der 77-Jährige sieht das alles eher entspannt – schwärmt aber noch von früher. Gerd Seibel wirkt relaxt. Der 77-Jährige hat schon „viele wilde Zeiten“ mitgemacht, wie er erzählt. Doch die sieht er ganz pragmatisch. „Seit zehn Jahren ist da nix mehr drin gelaufen – nach mir die Sintflut“, sagt er über die Tatsache, dass das Gebäude – für viele ein Wahrzeichen Bockenheims – jetzt nicht mehr steht (wir berichteten). Er zeigt ein Foto vom Bau des Fasses. Die „Knigge“ gab es da allerdings schon eine ganze Weile. Wie alles begann Seibel war zehn Jahre lang bei der Marine. Als der gebürtige Ludwigshafener 1964 zurückkam, hatten seine Eltern in Bockenheim das Gasthaus „Zum Römer“ gepachtet. Das Gebäude stand direkt an der Weinstraße, den späteren Parkplatz gab es noch nicht. Im hinteren Teil war ein Tanzsaal. Seibel hatte schon in der Zeit bei der Marine den Traum, „irgendwo eine kleine Kneipe“ zu betreiben. Er machte den Tanzsaal der Eltern zur Diskothek. Eröffnet hat er sie im Jahr 1967. Weil er damals schon seinen charakteristischen Schnurrbart trug, fand er schnell einen Namen: „Le Moustache“, der Schnurrbart. „,Zum Schnorres’ konnte ich es ja nicht nennen“, sagt er schmunzelnd und ergänzt: „Trotzdem hieß es immer: ‚Mer gehn zum Schnorres’.“ Wieso eigentlich „Knigge“? Im „Moustache“ gab es eine Stammtisch-Fußballmannschaft. „Die wurde irgendwann mal aus den Reihen der Mattern-Brüder gegründet, erzählt Seibel. Bei einem Ausflug nach Österreich war das Stammtischteam in der „G’nickschuss-Bar“. Die jungen Männer waren offenbar so fasziniert von dem Namen, dass sie Seibel sagten: „Sowas brauchst du auch!“ Doch weil der Name „G’nickschuss-Bar“ dann doch etwas zu hart klang, kürzte man ihn ab – so entstand die „Knigge“. „Wo Leit sin, geh’n aa Leit hie“, lautet Seibels Credo. Der Stammtisch, zu dem auch der spätere Fußball-Bundesligaspieler Bodo Mattern gehörte, zog weiteres Publikum an. Diese Leute brachten wiederum andere mit. Das wichtigste sei, betont Seibel mehrmals, das Stammpublikum zu pflegen. „Deshalb war der Lade am Wochenende aach immer so rappelvoll“, sagt er. Die Hochphase Ab 1970 begann der Laden richtig gut zu laufen. Neben den „normalen“ Abenden gab es häufig Mottopartys, lustige Spiele und Aktionen. Es war irgendwann so viel los, dass Seibel den vorderen Teil, das alte Wirtshaus „Zum Römer“, abreißen musste, um Parkplätze zu bekommen. Denn: ohne Parkplätze keine Gaststättenkonzession. Das war damals nicht anders als heute. Doch diese Parkplätze reichten immer noch nicht. So kaufte Seibel das Grundstück auf der gegenüberliegenden Seite der Weinstraße und ein weiteres in der Kirchgasse. Am Wochenende standen zeitweise alle Plätze voll mit Mopeds und Fahrrädern – später mit Autos und Motorrädern. Die Anwohner waren nicht immer glücklich über den Ansturm, da gab es öfter Ärger. Dass es Seibel gelang, dauernd andere Mottopartys und Aktionen zu veranstalten, verschaffte ihm einen Vorteil gegenüber anderen Clubs der Region. In Hettenleidelheim, Offstein und Dreisen gab es nämlich irgendwann lokale Konkurrenz. „Wir waren die Ersten“, erzählt Seibel, der der Deutschen Diskothekenorganisation angehörte. Ein entscheidender Vorteil: Denn aus jeder Region durfte nur ein Disco-Betreiber Mitglied werden. Bei deren Treffen konnte er Engagements ausmachen und sich mit Kollegen austauschen. Das Ende Im Juni 1983 machte Seibel in Kaiserslautern einen zweiten Club auf: das „Maritim“. Seibel zeigt ein Foto davon: Innen war das Maritim eingerichtet wie ein Schiff, an den Decken hingen Fischernetze. Die beiden Diskotheken profitierten anfangs voneinander. Man konnte sich gegenseitig aushelfen, Personal und Platten austauschen. „Was in Bockrum die Knigge war, war in Lautre es Maritim“, erklärt Seibel. Doch irgendwann kamen die Großraumdiscos. „Da konnten wir mit unserer „Reiberheel“ nicht mehr mithalten“, erzählt Seibel. Betont aber, dass die Knigge zu ihrer Zeit genau deshalb auch so erfolgreich gewesen sei. Im Jahr 2000 musste sich Seibel entscheiden: Welchen von beiden Läden lässt er laufen? In welchen hängt er alles rein, was er kann? Die Entscheidung fiel für das Maritim. Und gegen die Knigge. Später kam dann das Aus für die Kaiserslauterer Disco: Auch das Maritim ist Geschichte. Mittlerweile organisieren ehemalige DJs und Fans regelmäßig „Knigge-Revival-Partys“ in der Bockenheimer Festhalle Emichsburg. Ob Gerd Seibel stolz ist, dass der Name weiterlebt? „Das interessiert mich nur am Rande“, sagt er. Viel mehr interessieren ihn die Reaktionen und Erzählungen seiner ehemaligen Gäste. Und eines will er am Ende des Gesprächs noch loswerden: Er will sich bei allen bedanken, die damals dabei waren. „Es war schon ’ne geile Zeit“, erinnert er sich zurück. Noch mehr Knigge Erinnerungen früherer „Knigge-Gänger“ und Fotos aus den Hochzeiten der Bockenheimer Diskothek gibt es in unserer morgigen Ausgabe .

Da ging es heiß her: Mottoabend in der Knigge an einem Samstag Anfang der 1980er Jahre.
Da ging es heiß her: Mottoabend in der Knigge an einem Samstag Anfang der 1980er Jahre.
x