Grünstadt Benß am Limit: Wenn er fällt, dann schreit er

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Ohne Trockenübung geht hier niemand aufs Pferd.

Das hatte sich RHEINPFALZ-Mitarbeiter Timo Benß wohl anders vorgestellt: Ein paar entspannte Runden auf dem Pferd drehen und selbst keinen Finger krumm machen? Denkste. Beim Voltigier-Training des PSV Palatina Höningen kam er ganz schön ins Schwitzen.

Trainingsbeginn in Höningen. Die Mädels und ich stehen vor dem Stall und machen die Pferde fertig: Filius und Arino. Es dauert eine Weile, wir tauschen uns aus, was mich so alles erwartet beim Training. Ich fühle mich ein bisschen wie bei Bibi und Tina. Dann geht es los. Mit Joggen. Eigentlich dachte ich immer, Reiten sei so ein Sport, bei dem das Pferd sich bewegen muss. Ich stelle fest, dass an dieser Aussage zwei Dinge falsch sind. Erstens: Reiten ist kein Ponyhof. Zweitens: Voltigieren ist nicht Reiten. Und damit erst recht kein Ponyhof. Doch jetzt gehen wir Joggen. Eigentlich wie bei jedem Sport. Als wir loslaufen, dämmert mir schon, was wahrscheinlich als nächstes kommt: Aufwärmen und Krafttraining. Ich werde recht behalten. Irgendwie spüre ich schon wieder dieses Benß-am-Limit-Bauchgefühl, das mir sagt, dass ich mal wieder eine Sportart unterschätzt habe. Und das etwa 200 Meter vom Pferdestall entfernt.

Tonnenpferd ist ja gar kein Pferd

Meine Befürchtungen eines Marathonlaufs treffen aber nicht zu. Stattdessen sehe ich nach zwei Kurven schon wieder den Stall. War wohl doch nur eine kleine Aufwärmrunde. Glück gehabt. Fast: So viele Kniebeugen wie an diesem Tag habe ich mit Sicherheit in meinem ganzen Leben noch nicht gemacht. Warum das wichtig ist, erklärt mir Sophie Conrad: „Du musst dich mit deinen Beinen am Pferd halten können.“ Ich verstehe nur nicht, warum man sich die Beine kaputt machen soll, wenn die doch so wichtig sind. Irgendwie sieht das bei Sophie besser aus. Sowohl die Beine als auch die Kniebeugen. Trainerin Reinhild Stehr nimmt schon mal die Pferde an die Leine. Diejenigen, die sich ein bisschen besser auskennen als ich, dürfen schon mal anfangen. Währenddessen geht Sophie mit mir zum Tonnenpferd. „Tonnenpferd?“, fragte ich und starre auf das unförmige Modell, dass offenbar ein Pferd darstellen soll. Ich dachte, ich bin zum Reiten da. „Voltigieren heißt das!“, verbessern mich gleich mehrere Mädchen. Okay, ich sehe ein, noch viel lernen zu müssen. Am Tonnenpferd lerne ich, wie man aufsteigt. Denn: Beim „Volti“ – so nennen die Insider ihren Sport – gibt es keinen Steigbügel. Aber da ich ohnehin noch nie auf einem Pferd gesessen habe, kann mir der Steigbügel eh egal sein. Auf dem linken Fuß muss man stehen und den rechten Fuß heben, damit derjenige, der Hilfestellung gibt, bei „zwei“ heben kann und man bei „drei“ auf dem Pferd sitzt. Mann, ist das kompliziert. Aber ab dem zweiten, dritten Mal geht’s.

„Das Glück der Erde ...“

Da kommt endlich der Moment, auf den ich die ganze Zeit gewartet habe: Reinhild Stehr bittet zur Kür. Ich schreite in die Mitte und warte auf Sophie Conrad, die mir beim Aufsteigen hilft, damit ich meine Glanzleistung unter Beweis stellen kann. Moment mal. Arino läuft ja weiter. So habe ich das nicht geplant. Auf einem Bein hüpfend hetze ich dem Ross hinterher. „Eins, zwei!“ – und schon sitze ich drauf. Das erste Mal. „Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“, heißt eine alte Weisheit, die mir mein Redakteur zynisch mit auf den Weg gegeben hat. Ich spüre es nicht. Noch nicht. Eher hab’ ich Angst, dass ich gleich auf der Erde liege. Nach einigen Runden, die es im Kreis geht, weiß ich auch, wie die Reitschule zu ihrem Namen kam. Jedenfalls kann ich’s jetzt – glaube ich. Sogar den Grundsitz, der zu den Pflichtelementen eines jeden Wettkampfs gehört. Wow. Und nun: „Auf die Knie“, ruft mir Trainerin Stehr zu. Ich versuche es, kann aber nix versprechen. Immerhin hoppelt mein Turngerät Arino ganz schön. Da knie ich nun und fühle mich drei Köpfe größer – Pferdeköpfe natürlich. Fotograf Helmut Dell ruft mir aufmunternde Worte zu, die mir schmeicheln. Macht er bestimmt nur, damit mein Gesichtsausdruck auf den Bildern heroischer wirkt.

Ich dopse wie ein Tischtennisball

Nach diversen Übungen auf den Knien kommt die für mich schwerste Übung. Eigentlich ganz einfach: Mit den Beinen vorne über den Sattel. Denkste. Denn vorne ist auch der Griff. „Loslassen am laufenden Pferd“, nenne ich die Übung. Doch das war noch nicht alles. Zum Abschluss zeigt mit Arino seinen Galopp. Au weia. Ist das wackelig. Ich dopse wie so ein Tischtennisball auf und ab. Nur eben alles andere als elegant. Ich habe Angst, dass mir dasselbe Schicksal droht wie dem Typen aus „Hoppe, hoppe Reiter“. Reitunfälle können tragisch enden. Man erzählt mir, dass dann automatisch ein Hubschrauber angeflogen kommt, weil immer vom Schlimmsten ausgegangen wird. Zum Glück bleibt mir das alles erspart. Was ich mitnehmen darf, sind Erfahrungen und Muskelkater. Am inneren Oberschenkel. Ganz, ganz fies. Die Serie Unser Mitarbeiter Timo Benß hat wirklich viele Talente – Sport gehört aber eher nicht dazu. Beste Voraussetzungen also, um den sesseltrainierten Bockenheimer all jene spannenden Sportarten austesten zu lassen, die uns selbst zu anstrengend oder zu gefährlich sind. Das Ergebnis: ein Mann am Limit.

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Bilder voll Anmut und Eleganz – der Autor bei seinem Selbstversuch. Pferd Arino übt sich derweil in stoischer Gelassenheit.
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Auf den Knien ohne Festhalten – Timo Benß kommt an seine Grenzen.
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