Frankenthal Imaginäre Sonnenaufgänge

Zur „Kunst im Zelt“ lädt noch bis einschließlich Mittwoch die Frankenthaler Künstlerin Friedlinde Hüther ein. Die 35 Arbeiten, die sie zeigt, offenbaren ein weites Spektrum. Hüther setzt sich mit verschiedenen Techniken und Materialien auseinander. Der Erlös ist für die Aktion Ärzte ohne Grenzen bestimmt.

Im Garten des Hütherschen Anwesens steht ein sechseckiges Zelt. Rund 30 Gäste sind zur Eröffnung am Sonntagmorgen gekommen. Karlheinz Pelzer hält eine Einführung, die Coverband Black and Blond findet „passende Lieder zur Ausstellung, ergreifend schön“, urteilt Friedlinde Hüther. An den Zeltwänden hängen vornehmlich kleinere Formate, auf Sockeln stehen einige Plastiken. Es sind Arbeiten, die vorwiegend in den beiden letzten Jahren entstanden sind. Dazu vielleicht eine Handvoll unvollendeter Arbeiten, wie Friedlinde Hüther erzählt, die sie unter dem Druck der bevorstehenden Ausstellung jetzt endlich fortgeführt habe. Friedlinde Hüther, die sich vor allem auf Ton, Keramik und Tempera spezialisiert hatte, bringt Neues ins Spiel. „Ja, ich bin jetzt breiter aufgestellt, was die Materialien angeht“, erläutert sie. Manche Begeisterung werde wieder abebben, vermutet sie. Sie sei eben ein Mensch, der nie stehen bleibe, der immer vorwärts strebe. Die Vielfalt entspreche ein Stück weit ihrem Wesen. Weil ihr ein Acrylfarbkasten so gut gefallen habe, wollte sie ihn haben und experimentierte mit Acryl. Daraus entstanden eigenwillige Porträts. Insgesamt zeigen die Arbeiten: Inhaltlich hat sich Friedlinde Hüther nicht von ihrem Thema, dem Menschen, entfernt. Für „Goldmarie“ steht sie selbst Modell. Was besonders auffällt, sind die Augen der Porträtierten, die hellwach und offen, fröhlich oder neugierig-forschend mit dem Betrachter Blickkontakt aufnehmen. Eine zweite Acryl-Serie nennt sich „Verstofflicht“. Verwerfungen eines Stückes Stoff auf der Leinwand lassen menschliche Züge erkennen. Man mag in diesem Zusammenhang an Wolkenformationen denken, aus denen uns plötzlich Gesichter oder Fratzen entgegenspringen. Mit Rötel, Kohle oder Pastell hat Friedlinde Hüther imaginäre Sonnenaufgänge festgehalten, einen Soldaten mit Helm oder ein schneckenartiges Fossil gezeichnet. Unter den Plastiken sitzen eine aus Beton gegossene Katze oder eine in Holz nachempfundene Figur ähnlich den Steinmonumenten der Osterinsel. Der tönerne Einohrhörer erinnert an Friedlinde Hüthers Beruf als Förderschullehrerin für gehörlose Kinder. Ebenfalls aus Ton und mit Acryl bemalt ist „Sehnsucht“ – eine gewundene Stele, die gen Himmel strebt. Friedlinde Hüther bezeichnet sich selbst als Autodidaktin. Was in ihren Arbeiten auffällt, ist die gute Beobachtungsgabe, die sie auch Stimmungen sehr gut ausdrücken lässt. So erweckt der scheinbar gebeutelte „Homo neandertalensis“ – eine Tonfigur mit verzweifelter Mimik – schon Mitleid. Die Frage, warum sie diese Ausstellung macht, beantwortet sie gleich mit mehreren Beweggründen. Sie wolle Neues zeigen – dass da eine beträchtliche Anzahl zusammengekommen ist, darüber sei sie selbst erstaunt gewesen. Die Ausstellung gebe ihr wieder Kraft, weiterzumachen. „Es befriedigt mich, dass es gut aussieht, jetzt gucke ich, in welche Richtung ich weitermachen will.“ Aber auch der Weg an die Öffentlichkeit, losgelöst von formalen Zwängen einer Galerie, sondern „völlig frei im eigenen Garten“, das habe ihr gefallen und Spaß gemacht. Dass daraus schließlich eine Benefizausstellung geworden ist, sei in einem weiteren Herzensanliegen begründet: Menschen zu helfen.

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