Frankenthal „Wollte ein Lebenswerk schaffen“

„Das Märchen von der weißen Weste“, „Sturz durch die Zeit“ und „Missbrauch“ (von links): Erich Sauer bleibt auch in seinen neuen
»Das Märchen von der weißen Weste«, »Sturz durch die Zeit« und »Missbrauch« (von links): Erich Sauer bleibt auch in seinen neuen Arbeiten gesellschaftskritisch.

An Ruhestand ist bei Erich Sauer nicht zu denken. Gerade erst hat der 86-jährige Bronzebildhauer aus Frankenthal mehrere neue, großformatige Arbeiten fertiggestellt. Seine Thema war und ist Kritik an Gesellschaft und Politik.

„Ich werde sicher nicht auf dem Rathausplatz stehen und die Arme verschränken“, sagt Sauer mit dem ihm eigenen Sarkasmus auf die Frage, ob ihm nicht irgendwann Kraft und Ideen ausgehen. Vom Gegenteil zeugen die drei etwa einen Meter großen Plastiken, die er gemeinsam mit zwei kleineren Skulpturen im Sommer im oberbayerischen Ascholding gegossen hat. Dort, auf dem Gelände der Gießerei Kirchner und Schnappinger, der er seit Jahrzehnten freundschaftlich verbunden ist, leitet er nach wie vor seine Sommerakademie. Die Teilnehmer, fast alle Profis, hätten sich bereits wieder für das kommende Jahr angemeldet, sagt Sauer. Trotz der vielen Arbeit sei die Akademie für ihn Erholung. „Wir sind eine Gruppe von Gleichgesinnten, es gibt keinen Streit, keine Politik“, sagt der Frankenthaler. Was der 86-Jährige von der Politik hält, davon zeugt eine der neuen Plastiken. Der Titel: „Das Märchen von der weißen Weste“. Fleckig, zerrissen erscheint das Obergewand. Um diese Farbgebung auf der bronzefarbenen Oberfläche zu erreichen, habe er mit verschiedenen Materialien experimentiert. Am Ende zeigte eine Mischung aus Kreide und anderen Materialien den gewünschten Erfolg. Ebenfalls mit einem aktuellen gesellschaftlichen Thema beschäftigt sich die Plastik „Missbrauch“. Wie der Mensch den Menschen ausnützt, insbesondere mit Blick auf die Zuwanderung von Flüchtlingen, das wolle er damit aufzeigen. Sehr persönlich ist dagegen die Bronzeskulptur „Sturz durch die Zeit“. Er selbst wisse oft nicht, wo die Zeit hingekommen sei. „Ich bin mit dem ICE durch das Leben gesaust“, sage er oft. Entsprechend treibt den 86-Jährigen seit Jahren die Frage um, was mit seinem Nachlass geschehen könnte. Nicht zuletzt, weil er vergangenen Sommer und noch einmal Anfang des Jahres schwer krank war. „Ich habe nicht gearbeitet, um Geld zu verdienen, sondern um ein Lebenswerk zu schaffen“, betont Sauer. Doch Bemühungen um einen geeigneten Ausstellungsort waren in der Vergangenheit immer wieder gescheitert – nicht nur in Frankenthal. Die Gründe sind vielfältig, doch die Frage bleibt: wohin mit knapp 200 großen und kleinen Bronzeplastiken, die derzeit im Wohnhaus und in der Werkstatt Sauers im Nachtweideweg stehen? Allein 37 davon sind über lebensgroß, 25 weitere etwa einen Meter groß – und entsprechend schwer. Nur der Transport würde Tausende Euro kosten. Aktuell treibt ihn auch der Ärger um, wie die Stadt mit seiner Treidler-Skulptur verfahre. Die Plastik von 1977, die im Kanalhafen stand, sei seit über einem Jahr beschädigt; erst jetzt habe man reagiert. Er selbst habe zwischenzeitlich überlegt, die Arbeit zurückzukaufen, weil er befürchtet habe, dass die verbogenen Seitenteile der Figur nicht fachgerecht repariert werden sollten. „Bronze lässt sich nicht wie Eisen heiß machen und runterschmieden“, betont Sauer. Doch just nach seinem Rückkauf-Vorstoß sei der Treidler dann zu einer Firma nach Worms gebracht worden. „Die Stadt hat kein Gespür für Kunstpflege“, so Sauers Vorwurf. Anfang September hatte die Verwaltung mitgeteilt, dass der Sockel erneuert werde. Auf Nachfrage erklärt die Stadt noch einmal, dass nur der Sockel aufgrund seines Alters gerissen sei. Dieser werde nun bei der Steinmetz-Firma Frank in Worms ausgetauscht. Die Figur soll danach wieder im Kanalhafen aufgestellt werden.

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