Frankenthal Unbestechlicher Blick

Zwei Stunden Kabarett rund um das Thema Kirche erlebten rund 100 Besucher am Freitagabend im Dathenushaus. Im Rahmen des Kultursommerprojekts des evangelischen Kirchenbezirks Frankenthal gastierte hier der niederrheinische Theologe und Kabarettist Okko Herlyn mit seinem Programm „Hier stehe ich, ich kann auch anders“.

Zur Begrüßung hatte er eine ausufernde Wegbeschreibung im Gepäck und gleich einen Tipp parat: „Suchen Sie nie die Kanalstraße“. Was dann folgt, war treffsicheres Kabarett aus der Insiderperspektive. Okko Herlyn, 1946 in Göttingen geborener Theologe, Vater Pastor, Mutter Schriftstellerin, scheint prädestiniert für die Bühne. Mit scharfem Verstand und unbestechlichem Blick bearbeitet der Wortkünstler sein Generalthema Glaube und Humor. Ein solches Programm darf im Reformationsjubiläumsjahr natürlich luther-lastig sein. Mit Auswüchsen wie Luther-Keksen, Luther-Socken – Marke „hier stehe ich…“ –, mit Luther-Wallfahrten nach Wittenberg finden sich hier viele Zielscheiben für kabarettistischen Spott. „Wofür das ganze Palaver“, fragt sich der gebeutelte Theologe, „für ein paar rostige Nägel an der Kirchentür“. Doch selbst Jesus habe es nicht leicht gehabt, als „ungewolltes Produkt einer familienfreundlichen Militärregierung“ hätte er eigentlich „Jesus von der Leyen“ heißen müssen. Ausgehend von der Calvin unterstellten These, „Kirche ist keine Spaßgesellschaft“, karikiert Herlyn Kirchgänger und Amtsträger, gibt liturgische Regieanweisungen an die Gemeinde und entlarvt die Mitgestaltung von Gottesdiensten als „Anstiftung zur Schwarzarbeit“. Besonders gelungen war sein Beitrag zum Thema familienorientierte Liturgie, oder „was hat der Reißverschluss im Gottesdienst zu suchen“. Zum Thema Ehre illustriert Okko Herlyn seine Beobachtung „nichts ist rühmlicher als nacktes Elend“ mit seinem Song „Hauptsache kränker“. Beim Stichwort „Singen als soziale Möglichkeit“ dirigiert er einen willigen Publikumschor und führt dabei vor Augen, wie leicht eine Kirchenchorprobe angesichts von tausend trivialen Nebensächlichkeiten schieflaufen kann. Dass Herlyn vom Niederrhein kommt, merkt man an seiner schnoddrigen Schnauze. Doch die verbirgt er besonders in seinen Liedbeiträgen hinter einem sanft raunenden Timbre. Wie ein Alleinunterhalter klimpert er in die Tasten seines Keyboards, säuselt jedoch gemütvoll Quergestricktes und Ungereimtes ins Mikrofon. Angesichts „alternativloser Einsätze“ und „robuster Mandate“ fragt sich der Theologe, wo denn bitte die vielen schönen Kriege abgeblieben sind. Und die Prädestinationslehre erklärt er mit der Vorbestimmtheit von geschlechterspezifischem Müllrunterbringen und Sportschaugucken. Triviales trifft Abgründiges, und so bringt Herlyn auch Stammtischparolen und andere gängige Denk- und Gesinnungsmuster auf den Punkt, ohne verbissen zu wirken. Der erhobene Zeigefinger bleibt außen vor, dafür regiert leise Ironie. Liebenswert lästert der Theologe über inflationäre Phänomene wie Hildegard-von-Bingen-Produkte, Gregorianik-CDs, irische Reisesegen und Anselm-Grün-Besinnungsbücher und lässt auch die „Bibel in gerechter Sprache“ zu Wort kommen. Okko Herlyns Kabarett-Collage aus Szenen und Songs über Kirche und andere Realsatiren ist reflektiert und voller Zwischentöne. Die Frankenthaler Protestanten dürften sich teilweise darin wiedergefunden haben.

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