Rhein-Pfalz Kreis „Strukturen bloß nicht abbauen“

Kleiderkammer, Café International, Begegnungsabende, Sprachförderung, Fahrradwerkstatt, Kunst- und Musikprojekte, Gesprächsforen und Einzelfallbetreuung: Die Hilfen und Integrationsangebote für geflüchtete Menschen sind in Bobenheim-Roxheim so vielfältig wie die haupt- und ehrenamtlichen Akteure, die sich auf diesem Gebiet betätigen. Da gibt es unter anderem die Kirchengemeinden und den Sozialverein Kunterbunt, das Zentrum für Arbeit und Bildung (ZAB), den Caritas-Verband und die Volkshochschule, die Kindergärten, Schulen, Vereine, Stiftungen und das Jugendzentrum. Sie alle bilden gemeinsam mit den entsprechenden Abteilungen der Gemeinde- und der Kreisverwaltung ein Netzwerk, das sich sehen lassen kann. Das zumindest ist der Eindruck nach dem zweiten Runden Tisch am Dienstagabend im Kurpfalztreff. Bürgermeister Michael Müller (SPD) und die Leiterin des Asylbewerberwohnheims im Pfalzring, Iris Strache, haben das Treffen einberufen, um sicher zu gehen, dass nicht irgendwo ein Problem am Köcheln ist und dass alle von den Aktivitäten der jeweils anderen wissen. Seit Januar erfüllen im Rhein-Pfalz-Kreis die Kommunen die Hauptaufgaben der Flüchtlingsbetreuung. Sie zahlen den Migranten ihre Sozialleistungen und den Wohnungseigentümern ihre Miete, sie kümmern sich um die Instandhaltung der Unterkünfte, geben Krankenscheine und Gutscheine aus und rechnen alles mit dem Kreis ab. Das scheint bislang ganz gut zu funktionieren. Heribert Werner, Leiter des Sozialamts im Landkreis, weist bei dem Treffen darauf hin, dass sich die Lage ziemlich entspannt habe, weil der Zustrom an Flüchtlingen so deutlich nachgelassen habe. Bobenheim-Roxheim beispielsweise seien in diesem Jahr erst zehn Neuankömmlinge zugewiesen worden. Das verschaffe der Kreisverwaltung Luft, sich mit einigen Dingen gründlicher zu beschäftigen. Werner will zum Beispiel wissen, was Jana Schumann und die ehrenamtlichen Betreuer von der Einführung einer Gesundheitskarte für Asylbewerber halten, wie sie die Grünen im Kreistag fordern. Die Karte würde das häufige Ausstellen von Krankenscheinen ersparen. Doch so richtig stark macht sich am Runden Tisch niemand dafür. Werners Argument, dass der Missbrauch einer solchen Karte finanziell an den Kommunen hängenbleiben würde, weil die Krankenkassen bei der Idee nicht mitspielen, ist überzeugend. Zumal die Wege in Bobenheim-Roxheim zum Rathaus nicht unzumutbar lang sind. Wie sich die Zuwanderung auf die Sicherheit in Bobenheim-Roxheim und die Kriminalstatistik ausgewirkt hat, ist eine an die Polizeiinspektion Frankenthal gerichtete Frage. Von knapp 40 Strafanzeigen, in denen Zuwanderer tatverdächtig waren, berichtet Inspektionsleiter Thomas Lebkücher für den Zeitraum ab Januar 2016. Er hält diese Anzahl für ziemlich gering, wenn man bedenke, dass Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz nur Ausländer und keine Deutschen begehen können. Er scheint froh über die ländliche Struktur der Region Frankenthal zu sein. „In NRW sieht das alles ganz anders aus“, sagt er und bittet die Versammlung im Kurpfalztreff: „Bauen Sie die Strukturen hier nicht ab, bloß weil es jetzt mal etwas ruhiger ist. Es könnte schon bald wieder ein Flüchtlingsstrom kommen, vor allem aus Afrika.“ Der Polizeirat hat aus seiner Berufserfahrung noch mehr zum Thema zu sagen. Als jemand aus der Versammlung sprachliche und andere Anpassungsschwierigkeiten von Ausländern bemängelt, meint Lebkücher sinngemäß: Auch viele Deutsche könnten sich schlecht auf Deutsch artikulieren, nähmen den Schulbesuch ihrer Kinder nicht ernst oder gingen einfach nicht zur Arbeit, wenn ihnen nicht danach sei. Und: Auf der Straße zu stehen und Zigarettenkippen wegzuschmeißen, komme auch nicht nur bei Migranten vor, die in einem Wohnheim wohnen. Statt sich über Fehlverhalten in der Öffentlichkeit aufzuregen, empfiehlt Thomas Lebkücher die „informelle soziale Kontrolle“. Soll heißen: den Betreffenden einfach mal freundlich darauf hinweisen, dass dies oder jenes in Deutschland so und so gehandhabt wird. Den Respekt vor Polizisten sieht Lebkücher generell schwinden. „Unsere Gesellschaft muss das wieder drehen, das kriegen wir als Polizei alleine nicht hin.“ Eltern sollten sich daher gut überlegen, ob sie vor ihren Kindern Sätze wie diesen sagen: „Die Scheißbullen haben mich mal wieder geblitzt.“ Der katholische Pfarrer Andreas Rubel als Nachbar der Wohngruppe lobt die Umgangsformen der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die nicht von der Gemeinde, sondern im Auftrag des Jugendamts vom ZAB Frankenthal betreut werden. Dessen Bereichsleiter wiederum lobt die Sportvereine, in denen die Jugendlichen mittrainieren können. „Die Vereine helfen uns, wo es nur geht“, sagt Frank Weber und betont, wie wichtig das Integrationsmedium Sport sei. Falls es vorher keinen konkreten Anlass mehr gibt, wird sich der Runde Tisch Asyl in Bobenheim-Roxheim in einem Jahr wieder zum Austausch treffen.

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