Frankenthal Sand im Getriebe

Im Zentrum der neuen Wormser Inszenierung stehen Nachbauten der Bagdad-Bahn.
Im Zentrum der neuen Wormser Inszenierung stehen Nachbauten der Bagdad-Bahn.

Das Schmuckstück im Bühnenbild der Wormser Nibelungen-Inszenierung ist schon im Bau: Zwei originalgetreue Waggons der Bagdad-Bahn, die Anfang des 20. Jahrhunderts mit Unterstützung des deutschen Kaiserreichs bis nach Mesopotamien vorangetrieben wurde. Ihre Schienen liegen – wie beim historischen Vorbild – im Sand. Assoziationen von „Sand im Getriebe“ seien da durchaus erwünscht, sagt Bühnenbildnerin Irina Schicketanz gestern beim Probenstart. In sechs Wochen ist Premiere.

Gezeigt wird vom 4. bis 20. August Albert Ostermaiers Stück „Glut – Siegfried von Arabien“. Es ist nach „GemEtzel“ und „Gold“ der dritte Teil seiner Nibelungen-Trilogie. Das Stück des Münchener Autors verarbeitet ein wenig bekanntes Kapitel deutscher Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg, an das Veit Veltzke in seinem Buch „Unter Wüstersöhnen“ erinnert hat. Wie der britische Agent T. E. Lawrence, der den Araberaufstand gegen das Osmanische Reich forcierte, hat eine Gruppe deutscher Offiziere versucht, die britische Ölpipeline im persischen Golf zu sprengen und ihrerseits die Beduinenvölker im Dschihad gegen England und Frankreich zu einen. Die Soldaten tarnen sich in „Glut“ als Gauklertruppe Notung, die mit besagter Bagdad-Bahn unterwegs ist und an ihren Stationen die Nibelungensaga aufführen. „Eine starke Geschichte“ sei das, urteilt Regisseur Nuran David Calis vor der ersten Leseprobe. Und brandaktuell, fügt Autor Ostermaier an, denn sie handle von der Instrumentalisierung der Religion für politische Zwecke. Die große Frage bei den Nibelungen und dem Ersten Weltkrieg: „Wäre die Zwangsläufigkeit des Kriegs zu verhindern gewesen?“ Für den Autor ist der gestrige Probenstart ein „magischer Moment“, der erste, in dem seine Figuren eine Stimme erhalten. Die Waggons der Bagdad-Bahn seien auf ihren Schienen beweglich und könnten daher mehr in den Vorder- oder in den Hintergrund geschoben werden, erzählt Schicketanz. So könne die Bühne anders strukturiert werden. Fahrtwind muss jedoch künstlich erzeugt werden: Wie im Film sollen sich Schauspieler aus dem Fenster lehnen und von einem Ventilator angeblasen werden, sodass die Illusion einer fahrenden Bahn entsteht. Innenansichten mit der Livekamera aus den Waggons können auf die große Leinwand projiziert werden, auf der außerdem wieder Arbeiten von Videokünstlerin Geraldine Laprell zu sehen sein sollen, sagt Schicketanz. Zwei weitere Einfälle der Bühnenbildnerin machen sehr sinnliche Eindrücke möglich, wie sie schon der frühere Intendant Dieter Wedel mit seiner Schlammbühne versuchte: ein großer Sandhaufen zum Einbuddeln und Verstecken, sowie zwei große schiefe Ebenen, die – von unten beleuchtet – zu schweben scheinen. Sie sollen für die Schauspieler die Gefahr, den unsicheren Grund erfahrbar machen, auf dem sich die Spione bewegen. Hier können sie abrutschen, aber auch hochkriechen. Amelie von Bülow und Corina von Bülow-Conradi haben die Kostüme in einer Mischung aus militärischen und zirzensischen Anleihen entworfen. „Wir wollen einen Zauber entfalten, keine Angst verbreiten mit schweren Stiefeln und Waffen.“ Dagegen tauchen Alberichs Tarnmantel und Siegfrieds Drache auf, den er als chinesisch gestaltete Zierde mit sich trägt. Acht Musiker werden die Inszenierung mit Musik von den Brüdern Vivan und Ketan Bhatti begleiten, die auch Anleihen bei Richard Wagner nimmt. Die Gesangsparts werden gestaltet von der Sopranistin Nadja Michael und dem Tenor Bassem Alkhouri. Das Ensemble mit insgesamt 15 Darstellern ist groß. Neben Nadja Michael als Walküre gehören Mehmet Kurtulus als Scheich Omar (Etzel) und Dennenesch Zoudé als Gräfin Falke (Kriemhild) sowie David Bennent, Mehmet Kurtulus, Oscar Ortega Sánchez, Alexandra Kamp, Waldemar Kobus, Georgios Tsivanoglou, Till Wonka, Oliver Möller, Sascha Göpel und Cem Lukas Yeginer dazu. Vorverkauf Karten sind im Internet erhältlich unter www.nibelungenfestspiele.de.

Großes Ensemble: (von links) Georgios Tsivanoglou, Ismail Deniz, Till Wonka, David Bennent, Valerie Koch, Heio von Stetten, Alex
Großes Ensemble: (von links) Georgios Tsivanoglou, Ismail Deniz, Till Wonka, David Bennent, Valerie Koch, Heio von Stetten, Alexandra Kamp, Nadja Michael, Regisseur Nuran David Calis, Dennenesch Zoude, Autor Albert Ostermaier, Oscar Ortega Sanchez, Mehmet Kurtulus, Sascha Göpel, Oliver Möller und Waldemar Kobus.
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