Frankenthal Hoch hinaus für den Kauz

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Klettereinsatz für Familie Waldkauz: Im Auftrag des Naturschutzbunds (Nabu) Frankenthal hat Baumkletterer Eric Seiler auf dem Frankenthaler Friedhof in luftiger Höhe einen Nistkasten angebracht. Dort soll der Vogel des Jahres 2017 im Frühjahr seinen Nachwuchs großziehen.

In der einsetzenden Frühdämmerung macht sich die sechsköpfige Gruppe auf einer laubbedeckten Winterwiese zu schaffen. Es ist gefühlt minus fünf Grad kalt. Da, wo der zugefrorene kleine Weiher ruht, wird eine Plane ausgebreitet, Seile und Kisten, Haken und Karabiner werden zurechtgelegt. Schwungvoll und routiniert steigt Eric Seiler in sein professionelles Klettergeschirr. Der Frankenthaler ist zertifizierter Baumpfleger und Baumkletterer, beim Alpenverein aktiv und als Nabu-Mitglied an diesem Nachmittag ehrenamtlich im Einsatz. Eine kapitale Eiche soll erklommen und in gut sechs Metern Höhe ein Nistkasten für Waldkäuze angebracht werden. „Es ist Eile geboten“, betont Nabu-Aktivist Manfred Becker. Die Balz für Waldkäuze sei seit Herbst in vollem Gange. Der Waldkauz wurde zum Vogel des Jahres 2017 gewählt. Mit zwei Dritteln des weltweiten Bestandes ist Deutschland das beliebteste Waldkauzland. „Es ist unsere Pflicht, den Waldkauz zu fördern“, sagt Becker. Der Nistkasten ist aus Holz, dunkelgrün und vom Nabu-Landesfachausschuss für Ornithologie konstruiert. Ihn hoch oben in der dritten Astgabel anzubringen, ist die bisher höchste Aktion der Naturschützer. „Sonst haben wir Nisthilfen nur in Leiterhöhe aufgehängt“, berichtet Reinhard Staudinger. Bei der Kletteraktion gibt der Reptilien-Fachmann Leine, er hält das Sicherungsseil. Für den Notfall als Rettungsassistentin mit dabei ist Christine Springer, auch sie in voller Klettermontur. Zentimeterweise kämpft sich Eric Seiler den Baumstamm hoch, die grobe Eichenborke bietet guten Tritt, doch querstehende Äste behindern ihn. Seiler hangelt sich zur zweiten Astgabel hoch. Den orangenen Spanngurt – er soll den Nistkasten am Baum fixieren – muss der Kletterer einmal um den mehr als zwei Armlängen umfassenden Stamm herumwerfen: ein Geduldsspiel. Dann geht es noch eine Etage höher. Am Seilzug schwebt der Nistkasten in die Höhe, wird auf eine Gabelung aufgesetzt und – des Baumschutzes wegen – nicht etwa mit Nageln oder Bohren, sondern fest und flexibel mit elastischen Spanngurten fixiert. Der Ratschenmechanismus wird künftig alle zwei Jahre nachjustiert werden. Als Polsterung zwischen Gurt und Stamm dienen Isolierrollen aus Schaumstoff. Mit einem Stapel Pressgummiplatten als Unterlage an der Rückseite rückt Seiler den Nistkasten gerade, sodass kein Regen eindringen kann. Das überdachte Einflugloch richtet er nach Nordosten aus. Auf der Eiche in der Talsenke links neben der alten Leichenhalle ist der Nistkasten nun von weitem zu sehen. Für Waldkäuze – sie sind nach einem Jahr geschlechtsreif – bietet das Friedhofsgelände mit seinem Wechsel von Baumgruppen und offenen Flächen beste Bedingungen als Brut-areal. Brutbeginn bei Waldkäuzen ist im Februar/März, doch Stadtkäuze beginnen bereits im Januar. Zwei Wochen wird Mama Waldkauz ihre Eier hüten, bis die Kleinen schlüpfen. Vier weitere Wochen wird ihr Partner mit Futterbeschaffung und Bewachung des Nestes beschäftigt sein, wenn alles so abläuft wie gewünscht. „Nach einem Monat im Kasten wagen sich die Jungen nach draußen, sie heißen dann Ästlinge“, erklärt Manfred Becker, „und sie sind berüchtigt für ihr hundserbärmliches Jammern“. Schon mancher besorgte Bürger habe sich wegen des vermeintlichen Kindergeschreis an die Polizei gewandt. Wegen seines geheimnisvollen „hu-huhuhu-huuu“ hat der Waldkauz nicht zuletzt ein Image als typischer „Friedhofsvogel“ und kann sogar eine Filmkarriere in einschlägigen Krimis vorweisen. |bik

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