Frankenthal Frankenthal: 30.000 Bäume digital erfasst

Klopfen, hören, dokumentieren: Wolfgang Bauer (links) und Hinrich von Osten, Mitarbeiter der Stadtverwaltung Frankenthal, bei de
Klopfen, hören, dokumentieren: Wolfgang Bauer (links) und Hinrich von Osten, Mitarbeiter der Stadtverwaltung Frankenthal, bei der Begutachtung eines Baumstumpfs.

Wenn deutsche Kommunen ihre Baumbestände digital dokumentieren, dann kann es sein, dass sie ein Programm nutzen, dass in Frankenthal mit entwickelt wurde.

Bereits 2003, als Baumkataster in der Öffentlichkeit noch kein Thema waren, begann Wolfgang Bauer damit, die Standorte von Bäumen im Stadtgebiet mit Klebepunkten auf Papierplänen zu markieren. Am Stamm selbst wurde mit Nagel und Papierfolie eine Nummer angebracht. In einer damals noch recht einfachen Datenbank konnten dann Informationen wie Alter und Zustand vermerkt werden. Was einfach klingt, war ein großer Fortschritt. Standen vorher Arbeiten an, musste Baumpfleger Hinrich von Osten jeweils direkt vor Ort erklären, was zu tun ist. Eine für jeden einsehbare Übersicht gab es nicht. Dass der Anbieter des alten Computerprogramms 2007 pleite war, ist wohl im Rückblick ein Glücksfall für die Frankenthaler Kontrolleure. An der Entwicklung der neuen Software für ein Baumkataster waren Wolfgang Bauer und Peter Töws als Koordinator des Geographischen Informationssystems (GIS) mit beteiligt. „Bis heute kann ich Änderungen vorschlagen, die dann so umgesetzt werden“, sagt Bauer. Und so wurde 2009 damit begonnen, alle alten Pläne zu digitalisieren und Luftbilder zu erstellen. Ziel des Katasters ist einerseits die Bestandsverwaltung aller auf städtischem Grund stehenden Bäume, Das soll eine regelmäßige Kontrolle gewährleisten und dokumentieren und ist Teil der Verkehrssicherungspflicht einer Kommune. Gesetzlich festgelegt ist das nicht, allerdings gebe es entsprechende Gerichtsurteile, die eine Stadt in Haftung nehmen, wenn ein Mensch auf einem öffentlichen Platz durch herabfallende Äste schwer verletzt wird. „Im Prinzip ist unsere Arbeit eine freiwillige Leistung“, betont Bauer. Etwa 500.000 Euro investiert die Verwaltung dafür jährlich. Die eigentliche Kontrolle der Bäume übernimmt seit etwa acht Jahren eine Fachfirma aus Mecklenburg-Vorpommern. Gesunde Gewächse werden einmal im Jahr begutachtet, bei kritischem Zustand auch öfter. Fünf bis sieben Minuten dauere das; wenn man vom Boden aus etwas Verdächtiges entdecke, werde eine eingehende Untersuchung angesetzt. Per Laptop füllt der Kontrolleur direkt vor Ort das Datenblatt des jeweiligen Baumes aus und schlägt Maßnahmen vor. Bauer prüft die Vorschläge und vergibt entsprechend Aufträge. Jahr für Jahr erhält die Verwaltung einen mehrere Seiten dicken Bericht über den Zustand von Platanen, Eichen, Buchen und Co. sowie über die jeweils angesetzten Sicherungsmaßnahmen. „Wenn wir einen Schaden sehen, müssen wir handeln“, sagt Baumpfleger von Osten. Wie zuletzt auf dem Hauptfriedhof. Weil dort viele Platanen mit dem Massaria-Pilz befallen sind, mussten weite Teile des Geländes gesperrt werden (wir berichteten am Dienstag). Einen maroden Baum einfach so fällen, das gehe nicht immer. „Sonst stehen die Bäume dahinter frei und fallen unter der Windlast ebenfalls um“, erläutert Bauer. Deshalb werde ein kranker Baum manchmal nur peu à peu abgetragen. „Wir machen uns um jeden Baum Gedanken“, betont Bauer. Nur im Notfall werde gefällt. Davor schöpfe man alle anderen Möglichkeiten der Untersuchung und Sicherung aus. Artenschutz spielt für die Arbeit von Bauer und von Osten eine große Rolle. In waldartigen Beständen, Bereichen also, die seit einiger Zeit gesondert erfasst werden und in denen nicht jeder einzelne Baum explizit geführt wird, darf sowieso nur von Oktober bis März kontrolliert werden. Wenn Vögel in einem Stamm nisten, lassen man solche „Marterpfähle“ stehen, wie sie beispielsweise bei den Pappeln Am Kanal zu sehen sind. Die Pappeln vom Sportplatz in Mörsch, die einer Wohnbebauung weichen mussten, habe man in Zusammenarbeit mit der unteren Naturschutzbehörde andernorts als Totholzpyramide aufgebaut und damit wichtige Lebensräume für Vögel und Kleinstlebewesen geschaffen. „Das ist aktiver Artenschutz“, sagt Bauer. Bei aller Fürsorge sei es am Ende doch Glück, dass es bislang keine großen Schäden gab, betonen die Baumpfleger. Dass es immer noch Städte gibt, die kein Baumkataster haben oder ein vorhandenes aus Kostengründen einstellen, ist für sie nicht begreiflich. „Das Argument, es sei ja noch nichts passiert, ist sehr blauäugig. Jeder Eigentümer ist für die Verkehrssicherheit seiner Bäume verantwortlich – auch die Stadt.“

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x