Rhein-Pfalz Kreis Bei Prinzessinnen und Drachen

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Nicht versteckt in einem finsteren Wald, aber immerhin in der verwinkelten Seckenheimer Altstadt wohnen zwar weder Prinzessinnen oder Könige oder gar wilde Drachen – trotzdem sind sie alle und noch viele andere mehr hier zu Hause. Seit zehn Jahren betreibt die Erzieherin und Pädagogin Angelika Schmucker hier das Mannheimer Märchenhaus.

Die Liebe Schmuckers zu Mythen und Geschichten entstand noch während ihres Studiums. „Ich hatte in Freiburg eine sehr gute Dozentin, die sich mit diesem Thema befasst hat“, erzählt die 61-Jährige. Aus dieser Zeit stammt ihre erste Märchensammlung, die noch heute in dem großen Bücherregal in der Dachgeschosswohnung steht. Viele weitere Märchen und Erzählungen aus aller Welt sind mit der Zeit hinzugekommen. Dabei ruhte ihre Vorliebe lange. Erst vor 25 Jahren, als sie zum ersten Mal Mutter wurde, erinnerte sich Schmucker wieder an die Welt der Feen, Zwerge und Könige. „Mir ist zufällig ein Flyer der europäischen Märchentage in die Hände gefallen“, sagt Schmucker. „Nach der Rückkehr habe ich mir vorgenommen, dass ich irgendwann ebenfalls Märchen erzählen wollte.“ Vor zehn Jahren wurde aus dem Traum Wirklichkeit. Aus einem Speicher machte sie einen mystischen Ort mit zwei Räumen für Veranstaltungen, einer Terrasse und einem Innenhof mit Bühne, wo ebenfalls Märchen erzählt werden. „Ich wollte einen Ort für Begegnung und Kultur schaffen, an dem Erzähltraditionen gepflegt werden“, erläutert Schmucker. Von Oktober bis April erzählt und analysiert sie hier einmal im Monat für angemeldete Gäste die mystischen Erzählungen aller Völker. „Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Deutung“, erklärt sie. Haare stünden zum Beispiel als Symbol für Schönheit, Weisheit oder Stärke. Märchen von Bärten, Zöpfen und langen goldenen Haaren erzählten von Magie, Weisheit, Liebe und Treue. „Wir haben einen Märchenkreis, in dem wir Symboliken und Deutungen besprechen“, so Schmucker. Außerdem hat das Märchenhaus ein Märchenstübchen für Kinder ab drei Jahren und eine Märchenstunde für Kinder ab fünf Jahren. Dazu gibt es Spiel- und Bastelangebote und ganze Märchennächte. Einmal pro Woche ist die Lesestube geöffnet. „Es gibt bei Märchen über einhundert verschiedene Typisierungen“, erklärt Schmucker, die sich bei der europäischen Märchengesellschaft weitergebildet hat. Überall seien die überlieferten Geschichten „kleine Mythen, mit denen sich das Volk die Welt erklärt hat“. Teilweise seien es „Untergeschichten“, die aus den großen Mythen abgeleitet und weiter getragen wurden, bis sie in vielen Völkern zu Beginn des 19. Jahrhunderts gesammelt und niedergeschrieben wurden. Erstaunlicherweise überall in einem ähnlichen Zeitraum mit vielen Übereinstimmungen. „Es gibt fast überall ein Aschenputtel und auch eine Geschichte, die in Deutschland als ,Rotkäppchen’ bekannt ist“, sagt sie. Schmucker mag besonders Geschichten aus Nordeuropa. „Dort gibt es eine lebendige Erzählkultur, und die Märchen verändern sich. In Irland kommen darin beispielsweise Autos vor.“ Das gilt für das älteste ihr bekannte Motiv noch nicht: „Angeblich wurde in den Hieroglyphen einer ägyptischen Pyramide eine Geschichte gefunden, die unserer Erzählung vom Dornröschen ähnelt.“ Ein Märchen? Vielleicht. Im Netz www.mannheimermaerchenhaus.de

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