Rhein-Pfalz Kreis Auch das Opfer ist warm verpackt

91-93912256.jpg

Winteridylle am Bobenheim-Roxheimer Nachtweideweiher. Krähen streichen über den zugefrorenen See, den die blasse Sonne in goldenes Licht taucht. Jäh wird die Ruhe unterbrochen, als rund 50 uniformierte Gestalten auftauchen. Ein Ernstfall ist es nicht, was sich da am Samstagmittag abspielt, aber doch eine ernste Angelegenheit. Geübt wird nämlich die Rettung aus dem Eis. Denn wenn ein Mensch ins Eis einbricht, entscheiden Minuten über Leben und Tod. Da der Nachtweideweiher derzeit komplett zugefroren ist, eignet er sich ideal für die Übung, zu der die Freiwillige Feuerwehr Bobenheim-Roxheim auch die Frankenthaler und Wormser Feuerwehren sowie Helfer vom Frankenthaler THW und der DLRG eingeladen hat. Schon zwängen sich die ersten in die orangefarbenen Überlebensanzüge. Nach einigen Minuten sind von den wasserdicht eingepackten Teilnehmern nur noch Augen und Nase zu erkennen. „Ihr müsst vakuumieren“, rät Brandmeister Michael Remmele von der Freiwilligen Feuerwehr Bobenheim-Roxheim. Folgsam pressen alle die Arme an den Körper und knien sich hin. Leise pfeifend entweicht die Luft aus den Anzügen und lässt die Übenden aussehen wie vakuumverpackte Raumfahrer. Nun müssen Eislöcher her. Schwierig. Selbst, als zwei Männer mit insgesamt 150 Kilogramm Gewicht gleichzeitig auf das Eis springen, hält die etwa zehn Zentimeter dicke Eisdecke stand. Also muss die Kettensäge ran. Per Eisschlitten geht’s zur Seemitte. Kreischend frisst sich die Säge in den eisigen Untergrund, mit bedrohlichem Knacksen stürzen metergroße Schollen in die Fluten. „Ich mach’ das Opfer“, meldet der Frankenthaler Oberfeuerwehrmann Michael Weiß und springt sogleich in das Eisloch. Die im Überlebensanzug integrierten Luftkissen lassen ihn oben schwimmen wie eine Luftmatratze. Zwei Helfer kippen den sogenannten Kombi-Retter zum Opfer. Dieses wird in das Rettungsgerät geschoben, das wie eine riesige Mehlschütte aussieht und auf der zum Wasser hin gekippten Seite offen ist. Das Opfer ist gerettet, gut gelaunt planschen die Helfer danach im kalten Nass. Die Qualität der hochmodernen Überlebensanzüge, von denen einer rund 2000 Euro kostet, lässt es zu, dass der Träger problemlos stundenlang im Wasser bleiben kann. Plötzlich bricht ein Frankenthaler Kollege tatsächlich im Eis ein. Zusätzlich zum Gewicht von Eisschlitten und Helfern war Wasser aus dem Eisloch auf den zugefrorenen See geflossen, weshalb die Eisdecke an dieser Stelle dem Druck schließlich nicht mehr standhalten konnte. Passiert ist dem Kollegen aber nichts. Allerdings bereitet ihm das Aussteigen aus dem Wasser Probleme – das Eis ist so glatt, dass er abrutscht. Im Unterschied zu einem „normalen“ Eisopfer ist der Kollege mit einem Überlebensanzug ausgerüstet, an dem ein unscheinbarer, jedoch unschätzbarer Helfer für eine solche Situation hängt: der Eispiekser, der ebenso funktioniert wie der Eierpiekser. Auf Druck fährt aus dem Plastikgehäuse ein Dorn, mit dessen Hilfe der Kollege schließlich auf die Eisfläche zurückrobbt. Nach einer Stunde ist Pause und die Teilnehmer pellen sich aus den Überlebensanzügen. Es gibt Kaffee, Glühwein und Wienerle. Der Bobenheim-Roxheimer Wehrleiter Kai Neiheiser bilanziert den bisherigen Übungsverlauf: „Es hat sehr gut geklappt. Wir haben verschiedene Situationen simuliert, darunter die Selbstrettung, die Rettung einer Überlebenspuppe sowie die Rettung von Personen.“ Abrupt verstummen die Gespräche, als aus Neiheisers Funkgerät eine Sirene ertönt. Konzentriert lauscht der Wehrleiter und schickt seine Leute dann zu einer Tierrettung an den Silbersee. Die Männer greifen zu ihren Helmen und joggen zum Löschgruppenfahrzeug. Einer trägt noch seinen Überlebensanzug – praktisch, falls am Silbersee eine Eisrettung gefragt sein sollte. „44 rückt in Kürze aus“, meldet Neiheiser über Funk. 44 ist der Kurzname für das Einsatzfahrzeug. Eine Viertelstunde später ist der Einsatz vorbei. Fußgänger hatten sich Sorgen um einen Schwan gemacht, der anscheinend im Silbersee festgefroren war. „Dem Schwan geht’s gut“, tönt es aus dem Funkgerät. Die angespannte Stimmung löst sich und die Einsatzkräfte berichten, dass jeden Winter besorgte Bürger die Feuerwehr alarmierten. In den meisten Fällen gebe es jedoch keine Gefahrenlage, da die Tiere „sehr gut mit der Eisdecke und ihren Tücken“ zurechtkämen. Im Unterschied zu Spaziergängern, die die Gefahren zugefrorener Seen oftmals unterschätzten. „Auch wenn die Eisdecke an einer Stelle stabil ist, kann sie ein paar Meter daneben brechen“, betont Neiheiser. Grund dafür seien verschiedene Wassertiefen und Strömungen, die zu einer punktuell unterschiedlichen Dicke führten. Daher warnt er eindringlich vor dem Betreten zugefrorener Gewässer.

x