Bad Dürkheim Turnverein ganz ohne Turner

Der Unterschied ist auf den ersten Blick sichtbar: Kunstrasen beim SV 1911 Bad Dürkheim. Kunstrasen beim SV Rot-Weiss Seebach. Sogar beim FC Leistadt sprießt gerade grüner Naturrasen. Nur beim TV Ungstein regiert noch immer die „rote Asche“. 2.300 Euro hat die Stadtverwaltung kurz vor der Wahl für die Erneuerung des sogenannten Tennenbelags gegeben. Der Vorsitzende Heinz Ledulé (67) war schon als junger Mann im Verein aktiv. Zum Beispiel als 1981 der Sportplatz-Neubau für damals 420.000 D-Mark in Angriff genommen wurde oder als 1989 der Startschuss für die Um- und Ausbaumaßnahme des Clubhauses zum Sportheim fiel. Heute sind der dritte Vorsitzende Rudi Eichenlaub (75) und Ledulé Senioren, die auf einen Verein schauen, der ohne Schulden da steht, aber mit ihnen in die Jahre gekommen zu sein scheint. Der TV Ungstein galt mal als Turnerhochburg. Ein Titel, der untrennbar mit Julius Holler verbunden war, der als Athlet in der ganzen Pfalz bekannt war. Wo immer dieser antrat, habe er Auszeichnungen eingeheimst, heißt es in der Vereinschronik, die anlässlich der Feier zum 100-jährigen Bestehen im Jahr 2006 erstellt wurde. Selbst bei den Deutschen Turnfesten 1928 in Köln und 1933 in Stuttgart vertrat Holler die Farben des TV Ungstein. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hatte der TV Ungstein in Turnerkreisen noch einen klangvollen Namen. Bei Landes- und Gaumeisterschaften holte man „unzählige Preise“. Bis 1963 der Turnsaal in der Wirtschaft „Linsenlöffel“, damals in der Verlängerung der Ungsteiner Brunnengasse gelegen, abgerissen wurde. Ledulé ist seit 2006 Vorsitzender des noch 236 Mitglieder zählenden Vereins ist. Nach dem Abriss seien viele Turner zu umliegenden Vereinen in Kallstadt, Bad Dürkheim und Wachenheim ausgewichen. Die erfolgreiche Zeit der damals 1. Riege mit Karlheinz Wolf, Roland Krauß, Klaus Schwanitz, Hermann Kohler und Alwin Kerl – sie war vorbei. Ledulé hat eine aktuelle Statistik ausgedruckt, die die eingangs genannte These untermauert: Ein Drittel der Mitglieder ist beim TV Ungstein nur noch passiv dabei, aktive Turner sind Fehlanzeige, auch weil es in Ungstein nie gelungen ist, eine Mehrzweckhalle zu realisieren. Die Gymnastikabteilung besteht aus 29 Frauen und einem (!) Mann. Eine dauernde Fluktuation gibt es nach Auskunft des Vorsitzenden bei den Schwimmkursen. „Die Kinder treten ein und relativ bald wieder aus“, sagt Ledulé. Mit 76 Schwimmern ist diese Abteilung statistisch dennoch die größte im Verein. Ansonsten sind 23 Boule-Spieler und drei Wanderer in den insgesamt sieben Abteilungen aktiv. Intakt und gut frequentiert ist die Abteilung der AH-Fußballer. Die Alten Herren bilden seit 1986 eine Spielgemeinschaft mit Rot-Weiss Seebach. Eichenlaub hebt hier die Arbeit von Volker Pförter hervor. Jugendteams und eine Aktivenmannschaft gibt es seit einigen Jahren mangels Interesse nicht mehr. Auch eine zwischenzeitlich existierende Mädchenfußballmannschaft ist schon wieder einige Jahre Geschichte. Das gleiche gilt für eine Vereinswirtschaft. Weil das Clubhaus im Außenbereich der Stadt liege, gelte dieselbe Regelung wie beispielsweise bei Pauls Vinothek am Neuberg. Einen Pächter gibt es jedenfalls aktuell nicht mehr. Stattdessen werde das Vereinsheim nun öfter für Feiern vermietet, so Ledulé, der nicht gerade optimistisch in die Zukunft blickt. „Wir machen es halt“, sagt er etwas deprimiert und verweist auf die Vorstandsmitglieder Erwin Blietschau und Günter Brechner, die mit 80 noch immer die Außenanlagen des TV Ungstein pflegten. Im Durchschnitt sei der zehnköpfige Vorstand 72 Jahre alt. Nachwuchs ist nicht in Sicht. Und auch kein grüner Rasen. ... Die Serie DIE RHEINPFALZ besucht Vereine auf ihrem Sportplatz. Wir setzen uns und plaudern über den Club. Immer mit dabei: unser Wanderpokal. Wir möchten wissen, wo der Schuh drückt, was gerade richtig super läuft, welche Projekte anstehen und warum die Anzahl der Mitglieder vielleicht gerade steigt.

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