Bad Dürkheim „Konflikte kann man nur mit Fanatismus beheizen“

Heio von Stetten
Heio von Stetten

Heio von Stetten, aus Fernsehfilmen und unbeschwerten Serien bekannt als umschwärmter Herzensbrecher, freut sich, bei den Wormser Nibelungen-Festspielen als Hauptmann Klein mehr in die Tiefe gehen zu können.

Herr von Stetten, der smarte Offizier ist ja neben dem Part als umschwärmter Herzensbrecher eine Ihrer Paraderollen. Was sehen Sie in Hauptmann Klein?

Das Fernsehen hat meistens etwas flachere Figuren: Aufgrund der Erzählweise und der Zeit, die zur Verfügung steht, kann man da nicht so in die Tiefe gehen. Das Theater baut ganz andere Figuren. Man hat auch sechs Wochen Zeit, sie zu entwickeln. Dann freuen Sie sich nach Rosamunde Pilcher auf die Nibelungen-Festspiele? Ja, definitiv. Was fasziniert Sie an den vielen Themen, die das Nibelungenlied aufwirft, am meisten? Die interessantesten Sachen finde ich, sind die ganz persönlichen. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ist das ja eine tiefe Freundschaft gewesen zwischen Kriemhild und Hagen. Die beiden haben sich wohl sehr geschätzt, weil sie intellektuell mehr oder weniger auf einer Ebene waren. Das ist möglicherweise auch der Grund, warum plötzlich dieser Hass auf Hagen entsteht, weil er nicht nur sie verrät, sondern weil er durch diesen Verrat auch noch Siegfried tötet. So was finde ich total spannend: Wie kann es sein, dass jemand, der so gut befreundet ist, am Ende so hasst, dass er nur leben kann, wenn der andere tot ist? Was sind wir Menschen eigentlich für Wesen, dass wir nicht in der Lage sind, trotz aller Behauptung, rational zu agieren? Wir sind rein emotionale Wesen. Und jede anders lautende Behauptung kann man eigentlich nur auf das politische Tagesgeschehen verweisen. Was glauben Sie: Was findet Kriemhild an einem wie Siegfried? Siegfried ist ein toller Typ. Sie entscheiden immer emotional, wen Sie mögen oder nicht. Das ist keine rationale Entscheidung nach dem Motto: Der hat die besten Zähne, also liebe ich den. Nee! Siegfried ist einer dieser Jahrhundertmenschen, die einfach alle gewinnen. Seine Unverwundbarkeit, das ist ja ein Kindermärchen. Was bedeutet, er ist unverwundbar? Er fühlt sich vielleicht wirklich nie angegriffen. Er hat eine Art, mit Menschen so umzugehen, dass er die widersprüchlichsten Charaktere zusammenschweißen kann, dass die ihn alle schätzen. Dumm kann er nicht gewesen sein. Möglicherweise hatte er einen Schuss Naivität: Aber was ist daran verkehrt? Das ist sogar sehr gut. Denn das ganze Berechnen führt in den Tod – das wissen wir ja. Die Nibelungen sind so menschlich und so nah an unserem Jetzt. Diese ganzen Freundschaften und Liebschaften. Allein dieser kurze Moment, in dem Brunhild erfährt, dass sie eigentlich von einem anderen Mann bezwungen wurde. Diese Erzählstruktur taucht ja immer wieder in der Literatur auf. Bei den Nibelungen sind es die Frauen, die das Geschlecht der Burgunder ins Verderben stürzen. Ist das im wirklichen Leben auch so? Ich finde es interessant, dass Sie das so sagen. Ich habe eher das Gefühl, dass – ganz im Gegenteil zu anderen Narrativen – die Frauen im Nibelungenlied relativ stark emanzipiert sind. Kriemhild und Brunhild sind beides Frauen, die sich keine Männer zum Heiraten vorsetzen lassen, sondern die beide auf ihr Art immer auswählen und sich dann entscheiden. Im Fall von Brunhild muss man sagen, sie wird richtig aufs Kreuz gelegt – im wahrsten Sinne des Wortes. Und das macht auch verständlich, wo dieser Hass herkommt, der dann die Männer, die das alle angezettelt haben, vielleicht sogar zu recht ins Unglück führt. Sie spielen den Hauptmann Klein, der als das Alter Ego von Hagen angelegt ist. Welche Gemeinsamkeiten sehen Sie zwischen dem Guerillakämpfer und dem Machtstrategen? Weiß ich nicht, ob ich da Gemeinsamkeiten entdecken kann. Aber Hagen wird ja immer wieder anders interpretiert. Bei Wagner ist das ein ganz anderer Mensch als in anderen Nibelungen-Erzählungen. Sie haben völlig recht: Hagen, so wie ich ihn aus der ursprünglichen Legende kenne, ist jemand, der auch zum Schwert greift, aber eigentlich ein Politiker ist – skrupellos, aber Politiker. Er wird durch Siegfried ausgebootet und sein Weg zurück zur Macht führt nur über dessen Tod. Wie wird Ihr Hauptmann Klein angelegt sein? Das weiß ich nicht. In einem Theaterstück gibt es einen guten Grund, warum es einen Regisseur gibt: Er hat alles zusammenzubringen. Natürlich werden wir in der Probephase zu einer Figur kommen. Natürlich habe ich Vorstellungen, der Regisseur hat Vorstellungen, dann haben die Kollegen Vorstellungen. Das heißt, wir müssen zusammen ein Bild zustande bringen, das in sich stimmig ist.. Sehen Sie die Orientmission des Hauptmann Klein als Fanatismus? In der ganzen Region geht es seit 150 Jahren um Fanatismus. Was schlicht und einfach an dem Umstand liegt, dass seit dieser Zeit das Erdöl die wichtigste Rolle im Energiehaushalt der Welt spielt und die Weltmächte sich der Ölquellen zu bemächtigen suchen. Wenn man sich das mal auf einem Atlas anschaut, dann sieht man, dass diese ganzen militärischen Konflikte, die wir heute führen, sich um Bodenschätze und Erdöl drehen. Wo immer diese Vorkommen sind, gibt es diese Konflikte. Konflikte kann man nur mit Fanatismus beheizen. Man könnte sie befrieden, aber daran besteht kein Interesse. Wenn sich fünf oder sechs oder mehr Leute um einen Knochen streiten (lacht), dann gibt’s keinen Frieden. Info „Glut – Siegfried von Arabien“ von Albert Ostermaier wird von Freitag, 4., bis Sonntag, 20. August, bei den Wormser Nibelungen-Festspielen aufgeführt.

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