Bad Dürkheim „Jetset-Maus“ und Steuerschulden

Über eine halbe Stunde dauerte gestern allein die Verlesung der Anklageschrift zum Prozessauftakt gegen einen 46-jährigen Dürkheimer Immobilienverwalter, der zwischen Juni 2013 und August 2016 gewerbsmäßig rund 370.000 Euro an Rücklagen seiner Klienten veruntreut haben soll (wir berichteten). Der Angeklagte zeigte sich geständig. Das Gericht versuchte am ersten Verhandlungstag dessen Persönlichkeitsprofil herauszuarbeiten.

Viel war von Charisma die Rede, seit eine ehemalige Mitarbeiterin des Angeklagten ihren Chef am 5. August 2016 bei der Polizei angezeigt hat. Vorausgegangen waren drei Jahre, in denen der Immobilienverwalter immer wieder kleinere und größere Einzelbeträge von den Rücklagekonten seiner Wohneigentümer-Gemeinschaften (WEG) auf sein Firmenkonto transferiert haben soll. Aufgefallen soll das in dieser Zeit keinem der Betroffenen sein. Zum Teil, weil keine Eigentümerversammlungen stattfanden, andererseits, weil bestimmte Dokumente, anhand derer es möglich gewesen wäre, den Betrug zu entdecken, vom Angeklagten nicht vorgelegt worden seien. Dass man ihm vertraut habe, schreiben Betroffene seinem besonderen Charisma und seiner Redegewandtheit zu. Rund 40 Objekte betreute die inzwischen im Insolvenzverfahren befindliche Immobilienverwaltung in der Kurstadt, in Limburgerhof, in Altrip, Mannheim, Ludwigshafen und in der Nähe von Konstanz. Mit 119.000 Euro fehlender Rücklagen ist die WEG im Ortszentrum von Limburgerhof am höchsten geschädigt. Staatsanwalt Kai Ankenbrand listete zu Prozessbeginn jede einzelne Überweisung auf, so dass am Ende eine Summe von 368.000 Euro stand, die einfach verschwand. Hinzu kommen weitere rund 70.000 Euro Forderungen des Finanzamts. Er habe etwas darstellen wollen, erklärte der Beschuldigte gegenüber dem Vorsitzenden seinen fortan nicht wirklich bescheidenen Lebensstil. Der gebürtige Freiburger hatte vor der Übernahme der GmbH zu Beginn des Jahres 2013 meist bei Telekommunikationsdienstleistern in der Wohnungswirtschaft gearbeitet, nachdem er zuvor fünf Jahre Zeitsoldat gewesen war. Nach seinem Schulabschluss mit Mittlerer Reife, dem er eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann hatte folgen lassen, stieg er sogar zum Projektleiter auf. Dann der Entschluss zur Selbstständigkeit und zu einem höheren Lebensstil ohne ständige Dienstreisen. Ablesbar wird dieser Lebensstil etwa an einem BMW und einem Mercedes, den er in dieser Zeit fuhr. Seit 2011 habe er eine Beziehung zu einer Frau gehabt, die vieles von ihm gefordert habe. „Und die Jetset-Maus hat Sie so unter Druck gesetzt?“, wollte der Vorsitzende Richter Carsten Sauermilch wissen. Urlaube, Einrichtungsgegenstände, Seminare – all das soll mit dem veruntreuten Geld finanziert worden sein. Auf die Seite geschafft habe er nichts davon, so der Beschuldigte, der inzwischen geschieden und Vater zweier Töchter ist. Seit 2013 habe er sich in psychologische Behandlung begeben, der Druck sei groß gewesen. Und ein schlechtes Gewissen habe er auch gehabt. Doch auch nach Ende der Beziehung soll er im Sommer 2015 weiterhin Gelder von den Rücklagekonten der Wohneigentümergemeinschaften, die er betreute, transferiert haben. Neben seiner Beziehung habe die hohe Steuerbelastung seiner Firma, in der er alleiniger Gesellschafter war, zu einer fortwährenden Schieflage beigetragen. Belehren lassen wollte er sich auch nicht von einer früheren Bürokraft, die seine Missetaten entdeckt und ihn bereits im April 2014 damit konfrontiert haben soll. Als er nicht reagierte, verließ sie die Firma. Ein weiteres Darlehen sei damals nicht in Frage gekommen, antwortete der Angeklagte auf die Frage des Staatsanwalts, warum er seinerzeit nicht gehandelt habe. Sein Ziel sei es gewesen, die Firma noch größer zu machen, um mit den Einnahmen die Konten wieder aufzufüllen, so der Angeklagte. Zudem habe er einen Investor für die Firma gesucht. Zuvor gekommen ist ihm die Mitarbeiterin, die ihn im August 2016 anzeigte. Gestern gab der Immobilienverwalter an, ab 1. November als Berater für zwei Unternehmen tätig zu werden. Monatlich wolle er ab dann 2000 Euro an die geschädigten Wohnungseigentümergemeinschaften zurückzahlen. Richter Sauermilch bat ihn, diese Verträge mit den Unternehmen zum nächsten Verhandlungstermin am Dienstag mitzubringen.

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