Bad Dürkheim Hitler-Glocke in Herxheim am Berg: Juden-Zentralratspräsident will Taten sehen

Die Glocke in Herxheim am Berg. Foto: Hass/frei
Die Glocke in Herxheim am Berg.

Mit eindeutigen Worten hat der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, sich zur Herxheimer Hitler-Glocke geäußert. Der Ortsbürgermeister der Kommune sieht sich derweil mit einer Strafanzeige konfrontiert.

„Nicht nachvollziehbar“



„Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass eine solche Glocke überhaupt in einer Kirche hängen geblieben ist“, sagte Schuster gegenüber der RHEINPFALZ. Noch weniger Verständnis habe er dafür, dass es offenbar heute noch Menschen gebe, die eine positive Einstellung zu dieser Glocke haben. Die evangelische Kirche habe sich schon vor vielen Jahren zu ihrer Verstrickung in den Nationalsozialismus bekannt und sich deutlich davon distanziert. „Hier ist die evangelische Kirche gefordert, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen“, sagte Schuster. Es sei mehr als überfällig, die Glocke zu entfernen und in den Bestand eines historischen Museums zu übergeben. Die Geschichte solle nicht verschwiegen werden. Doch solche Exponate sollten nur mit einer entsprechenden Einordnung in der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Glockensachverständige soll Gutachten erstellen



Die Evangelische Kirche der Pfalz begrüßte am Montag auf Anfrage, dass ein Gutachten zu der Zukunft der 1934 aufgehängten Glocke angefertigt werden soll. Der Sprecher der Landeskirche sagte, dass der Gemeindepfarrer und das Presbyterium bislang in der Angelegenheit klug gehandelt hätten. Heutzutage würden Glocken im Bereich der Evangelischen Kirche der Pfalz nicht mehr mit politischen Parolen oder Symbolen versehen. Stattdessen finden sich Bibelverse, Namen von Stiftern oder das Datum des Gusses auf den Glocken. Der beauftragten Gutachterin Birgit Müller, die zugleich Glockensachverständige der Landeskirche ist, attestierte der Sprecher die notwendige Kompetenz. Müller ist gelernte Reisekauffrau. 2004 schloss sie beim ökumenischen Beratungsausschuss für das Deutschen Glockenwesen ihre Ausbildung ab. Ihr Vorgänger als Glockensachverständiger der Landeskirche war ihr Ehemann.

Anzeige gegen Bürgermeister Becker



Die Staatsanwaltschaft Frankenthal bestätigte auf Anfrage, dass eine Anzeige gegen Herxheims Bürgermeister Ronald Becker (FWG) vorliegt. Derzeit prüfe seine Behörde, ob ein Anfangsverdacht vorliege, sagte Leitender Oberstaatsanwalt Hubert Ströber. Nach Informationen der RHEINPFALZ hat sich ein saarländischer Mann jüdischen Glaubens an die Ermittlungsbehörde gewandt. Die Glocke hängt zwar in einer protestantischen Kirche, gehört aber der Gemeinde Herxheim. Sie trägt die Aufschrift „Alles fuer’s Vaterland Adolf Hitler“.

Strafantrag wegen Volksverhetzung



Der Saarländer verlangt nun, dass „Bürgermeister Becker aus dem Amt entfernt“ wird. Dem Kommunalpolitiker wirft er vor, Unruhe gegen die öffentliche Ordnung zu stiften, anstatt diese gemäß seines Amtseides zu schützen. In dem Strafantrag bezieht sich der 63-jährige Nachfahre von KZ-Häftlingen auf die Paragrafen 86 und 130 des Strafgesetzbuches. Dort geht es um das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung. Der 63-Jährige will erreichen, dass die Glocke mit den „Symbolen einer verfassungsfeindlichen Organisation“ gerichtlich beschlagnahmt wird. Anschließend solle sie vernichtet beziehungsweise eingeschmolzen werden.

Becker bittet um Bedenkzeit



Herxheims Bürgermeister Becker führte gestern ein Gespräch mit Freinsheim Verbandsbürgermeister Jürgen Oberholz (FWG). Im Anschluss hieß es, Becker habe sich zwei Tage Bedenkzeit erbeten, ob er als Bürgermeister von Herxheim im Amt bleibe. Wie gestern berichtet, hatte der Gemeinderat den Rücktritt des Bürgermeisters gefordert. Anlass dafür waren Beckers Äußerungen in einem Fernseh-Interview. Er hatte unter anderem gesagt, dass er stolz auf die Glocke sei. Außerdem erklärte er, dass Hitler immer nur mit den Gräueltaten in Verbindung gebracht werde, nicht jedoch mit den Sachen, die in dieser Zeit auf den Weg gebracht worden seien und bis heute genutzt würden. Eine Anfrage der RHEINPFALZ, ob eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Becker vorliegt, beantwortete Oberholz gestern nicht.

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