Eisenberg Die unsichtbare Behinderung

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Eisenberg: Immer wieder gegen Vorurteile kämpfen und gleichzeitig Aufklärungsarbeit leisten, das muss Josefine Dewald, deren elfjähriger Sohn Luis an Asperger-Autismus leidet. Viel Unverständnis schlägt der sechsfachen Mutter aus Eisenberg entgegen, da die Behinderung auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist und schlichtweg mit schlechter Erziehung gleichgesetzt wird. Die Familie hat sich mit diesem Problem an die RHEINPFALZ gewandt.

„Asperger-Autismus ist eine Behinderung und muss auch als solche von der Gesellschaft akzeptiert werden, das ist der erste Schritt in die richtige Richtung“, sagt Josefine Dewald. Bei ihrem Sohn Luis wurde diese Form des Autismus in der zweiten Klasse diagnostiziert, und seitdem versucht die 32-Jährige ihr Umfeld für das Thema zu sensibilisieren – unter anderem mit einem Informationsflyer über seine Behinderung, der jedem Lehrer von Luis vorliegt. „Anfangs glaubten viele, mein Sohn ist asozial, kennt keine Grenzen und ist nicht richtig erzogen. Das ist sehr traurig, weil Luis in einem intakten Familienverbund aufwächst und wir ihm wichtige Werte des Zusammenlebens vermitteln“, erzählt die sechsfache Mutter. Ohne den Integrationshelfer, der Luis im Unterricht begleitet und den die Familie vom Jugendamt gestellt bekommt, sei dies fast nicht möglich. Sechs Stunden in der Woche – viel zu wenig, wie die Familie findet – unterstützt er den Jungen in der Schule, hilft ihm, sich während des Unterrichts besser zu strukturieren und gibt ihm das Gefühl von Sicherheit. Da von den 40 bewilligten Wochenstunden noch bürokratischen Tätigkeiten abgingen, blieben dem Integrationshelfer, um mit Luis zu arbeiten, nur wenige Stunden, beklagt Familie Dewald. Fast nicht machbar für den Fünftklässler, der die IGS in Eisenberg besucht. Gabriele Philippi, seine Großmutter, unterstützt ihren Enkel vor allem bei den Hausaufgaben, die der Junge kaum allein bewerkstelligen kann. „Luis ist intelligent und besitzt einen hohen IQ, aber er ist einseitig begabt und lässt sich schnell ablenken“, erklärt Gabriele Philippi, die als pensionierte Lehrerin die Situation realistisch einschätzen kann. Im naturwissenschaftlichen Bereich sei ihr Enkel vielen Gleichaltrigen voraus. Auch technisch und im Umgang mit dem Computer sei er sehr versiert. Doch diese Einseitigkeit stoße bei Mitschülern oft auf Unverständnis. Zumal er immer wieder einen Rückzugsort brauche, der ihm erlaube, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Deshalb habe er während des Unterrichts seinen Tisch auf dem Flur stehen, damit er nicht zu sehr von seinen Mitschülern abgelenkt werde. Eine Maßnahme, die von der Schulleitung bewilligt wurde, um dem Jungen den Schulalltag zu erleichtern. Auch Josefine Dewald zeigt sich mit der Kooperation der Schule zufrieden: „Für uns ist es wichtig, dass die Lehrer pädagogisch auf Luis einwirken, seine Krankheit erkennen und ihn wegen seines teils doch unangepassten Verhaltens nicht verurteilen oder gar bestrafen. Es bestehen bei Luis keine Erziehungsdefizite.“ Keine leichte Situation für seine Mitschüler, die seine Sonderbehandlung oft nicht verstehen könnten. Eine Aufstockung der Stunden, in denen ein Integrationshelfer Luis begleitet, hat die Familie beantragt, ob dies aber bewilligt wird, steht noch nicht fest. Das hängt von vielen Faktoren wie der Einschätzung der Schule, dem Jugendamt, aber auch dem Integrationshelfer ab. Der Umgang mit dem Jugendamt sei gerade anfänglich nicht ganz einfach gewesen, wie Josefine Dewald berichtet: „Zuerst schickte man mir einen Familienhelfer ins Haus, da das Jugendamt wohl davon ausging, dass ich als sechsfache Mutter mit der Situation überfordert sei. Völliger Quatsch – diese Art von Hilfe brauchen wir nicht.“ Es sei ein harter Kampf gewesen, einen Integrationshelfer für Luis zu bekommen. Zumal dieser auch wesentlich kostenintensiver sei als die üblich bekannte Familienhilfe. Generell verstehe sie nicht, weshalb bei einem minderjährigen Asperger-Autisten das Jugendamt zuständig sei. Immerhin gehe es hier um eine Behinderung und kein schwer erziehbares Problemkind, so Josefine Dewald. Um Luis zu helfen, bemüht sich die Familie derzeit um einen professionellen Gehörschutz, der die Lärmempfindlichkeit mindern soll und dem Jungen eine bessere Konzentrationsmöglichkeit erlaubt. Doch auch das muss, wie so vieles bei seiner Behinderung, erst attestiert werden, um dann schließlich nach viel Bürokratie bewilligt werden zu können. Nur durch konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten kann dem Elfjährigen ein Schulabschluss gelingen, damit er – so die Hoffnung von Gabriele Philippi – später einen Beruf erlernen kann. 

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