Rheinland-Pfalz „Wir sind noch lange nicht am Ziel“

Noch gilt der Nationalpark Hunsrück-Hochwald als Geheimtipp: Ministerpräsidentin Malu Dreyer schätzt die Besucherzahl für das ve
Noch gilt der Nationalpark Hunsrück-Hochwald als Geheimtipp: Ministerpräsidentin Malu Dreyer schätzt die Besucherzahl für das vergangene Jahr auf 45.000 Menschen.

«ERBESKOPF.»Vor zwei Jahren hat die damalige rot-grüne Landesregierung den Nationalpark im Hunsrück aus der Taufe gehoben. Gestern tagte dort der rheinland-pfälzische Ministerrat. Einerseits, um Bilanz zu ziehen. Andererseits, um – so Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) – deutlich zu machen, dass auch die vor einem Jahr um die FDP erweiterte Landesregierung „zum Nationalpark steht“. Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) meldete allerdings Handlungsbedarf an. So etwa bei der Verkehrsinfrastruktur.

Der Nationalpark ist eine Herzensangelegenheit des grünen Koalitionspartners. Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) sparte denn auch gestern bei der Pressekonferenz nicht mit Erfolgsmeldungen: Mit 62 Millionen Euro habe die Landesregierung seit 2013 die Region unterstützt. Weitere 50 Millionen werde das Land „in Zukunft“ zur Verfügung stellen. Zusammen mit Geldern von der Europäischen Union und vom Bund sollen es sogar mehr als 95 Millionen Euro werden. Klingt nach viel, aber davon sehen kann der Besucher eher wenig. So wurden das Hunsrückhaus am Erbeskopf, die Wildenburg bei Kempfeld und der Keltenpark beim saarländischen Otzenhausen schon vor zwei Jahren zu „Nationalparktoren“ ausgerufen. Doch die Ausstellungen, in denen sich Besucher über das Schutzgebiet informieren sollen, gibt es noch immer nicht. Immerhin: Zumindest im Hunsrückhaus soll nach den Sommerferien 2018 eine Dokumentation über Wälder und Moore starten, kündigte Harald Egidi, der Leiter des Nationalparkamtes, an. Die übrigen beiden Tore werden voraussichtlich bis 2021 folgen. Dafür wurden Millionen in den Breitbandausbau in der Region – Stichwort: Schnelles Internet – und in die Stadt- und Ortsgemeindeentwicklung gesteckt. Das wird sich auch so fortsetzen: Allein 30 der in den kommenden Jahren angepeilten 95 Millionen Euro sollen in den Breitbandausbau der drei Nationalpark-Landkreise fließen. Auch der Naturschutz wird bedacht: Das Projekt „Bänder des Lebens“ werde in diesem Jahr starten, so Höfken. 15,6 Millionen Euro seien in den nächsten Jahren für die Vernetzung von Biotopen zwischen Nahe und Mosel vorgesehen. Kritiker wie Gereon Haumann, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Rheinland-Pfalz, stimmen die Millionen nicht milde: Er sieht die Region „im Dornröschen-Schlaf“ versunken, fordert, wie gestern berichtet: „Statt der grünen Träumereien sollte mehr ökonomischer Realismus im Nationalpark Einzug halten.“ So haben sich im vergangenen Jahr gerade mal 1500 Gäste an den 268 Touren der 28 Nationalpark-Ranger teilgenommen. Diese vom Mainzer Umweltministerium schon vor einem Monat veröffentlichten Zahlen suchte Ministerpräsidentin Dreyer gestern zurecht zu rücken. Weil sonst der falsche Eindruck entstehen könnte, dass der Nationalpark innerhalb eines Jahres nur von 1500 Menschen besucht worden wäre, so die Regierungschefin. Zu den von den Rangern organisierten Touren müsse man nämlich noch weitere 3000 Gäste zählen, die von privaten, zertifizierten Naturführern durch den Nationalpark geleitet wurden. Und da erfahrungsgemäß, so Dreyer, auf einen geführten Besucher zehn Touristen kommen, die auf eigene Faust die Landschaft erkunden, müsse man von über 45.000 Menschen ausgehen, die das Hunsrück-Schutzgebiet durchstreift haben. Das mache deutlich, dass sich die Region zunehmend zu einem „Tourismusmagneten“ entwickele. „Wir sind noch lange nicht am Ziel“, relativierte Wirtschaftsminister Wissing die Entwicklung. „Der Nationalpark muss in die Tourismusstrategie des Landes integriert werden.“ Für die Einheimischen sei der Erholungswert des Hunsrück selbstverständlich. Aber für die Stärken der Region müsse man auch im Ausland werben. So würden sich die Bewohner chinesischer Städte nach Orten sehnen, wo man noch gesunde Luft atmen könne. China rücke zudem durch die Nähe des Flughafens Hahn in den Blickpunkt. Notwendig sei zudem eine gute Verkehrsinfrastruktur, fügte Wissing hinzu. Sei eine Region nur schwer erreichbar, könne das Tourismus-Potenzial auch nicht ausgeschöpft werden. Der Wirtschaftsminister brachte in diesem Zusammenhang die Reaktivierung der vor Jahren stillgelegten Hunsrückquerbahn ins Gespräch. Er würde ein solches Vorhaben mit Fördergeldern unterstützen, wenn es von der kommunalen Seite beantragt und getragen würde. Wie gestern berichtet, hatte Dehoga-Präsident Haumann Finanzspritzen des Landes für Gastronomie und Hotellerie gefordert, um einen Aufenthalt im Nationalpark attraktiver zu gestalten. Denn angesichts der geringen Besucherzahlen würden die Betriebe kaum zu Investitionen aus eigener Kraft motiviert. Minister Wissing verwies darauf, dass nach Angaben aus den Kommunen der angemeldete Förderbedarf um 50 Prozent hochgegangen sei, nämlich von zwei auf drei Millionen Euro.

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