Rheinland-Pfalz „Wir sind alle bunt“

Individiualanfertigungen sind immer wieder gefragt in den Zoar-Werkstätten. In Rockenhausen arbeiten rund 380 Mitarbeiter mit un
Individiualanfertigungen sind immer wieder gefragt in den Zoar-Werkstätten. In Rockenhausen arbeiten rund 380 Mitarbeiter mit und ohne Beeinträchtigung.

«ROCKENHAUSEN.» Seit 50 Jahren bietet das Evangelische Diakoniewerk Zoar in seinen Werkstätten in Rockenhausen Menschen mit Beeinträchtigung die Möglichkeit zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Felder sind dabei vielfältig – vom Zusammensetzen einzelner Teile bis hin zu individuellen Anfertigungen von Möbeln. Dabei sollen die Beeinträchtigten auch die Möglichkeit der Mitbestimmung haben. Wir haben die Werkstätten in Rockenhausen besucht.

Tina Kramer lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Die Aufgabenstellung ist klar. Die Handgriffe sitzen. Seit 14 Jahren arbeitet sie in den Zoar-Werkstätten. Dass ihr die Arbeit Spaß macht, ist nicht zu übersehen. Zoar-Vorstand Peter Kaiser freut so was natürlich. Er ist froh, dass das Zusammenspiel von Mitarbeitern mit Beeinträchtigung – wie Tina Kramer – und ohne hier in der Nordpfalz so wunderbar funktioniert. 307 Mitarbeiter mit Beeinträchtigung sind es in Rockenhausen, 74 ohne. „Blättcher drauflegen“, so beschreibt Tina Kramer das, was sie gerade macht. Es ist eine Kette von mehreren Arbeitsschritten. Am Ende entsteht hier ein Einsteigerset für Aquarienbesitzer. Es ist ein Auftrag von Eheim/Müller und Pfleger, ein Spezialist im Bereich Aquaristik, der unweit von Zoar einen Firmenstandort hat. Die „Blättcher“ sind übrigens Garantiehefte und Gebrauchsanweisungen. Nur eine Tür weiter gibt Mitarbeiter Markus Matthe – unterstützt von Abteilungsleiter Reiner Lieser – einen Einblick in den Bereich Metalltechnik. Teile, um Autositze verstellen zu können, werden hier zusammengesetzt. 3,6 Millionen sind es im Jahr. Auftraggeber: Adient, ebenfalls ein Nachbar von Zoar. Außerdem werden hier unter anderem Module zusammengesetzt, um Photovoltaikanlagen zu befestigen. „Im Endeffekt kann man nichts falsch machen“, sagt Matthe. Und demonstriert stolz, wie die Arbeitsschritte funktionieren. „Vor 20 Jahren hatten wir vier, fünf Kunden. Mittlerweile sind es 25 Stammkunden mit regelmäßigen Aufträgen und 50, 60 temporäre Kunden“, berichtet Torsten Walter, der kaufmännische Leiter der Zoar-Werkstätten, und ergänzt: „Es hat sich viel getan in der Zeit. Vor allem die technische Ausstattung ist nicht mehr vergleichbar.“ Das ist auch nötig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn: „Wir müssen uns durch den Verkauf unserer Produkte zum großen Teil refinanzieren“, sagt Kaiser. Und dennoch ist es dem Zoar-Vorstand wichtig, dass der Mensch bei allem Produktionsdruck weiter im Mittelpunkt steht. So gibt es nicht nur eine Gesamtmitarbeitervertretung, an deren Spitze Jörg König steht, sondern auch einen Werkstattrat. „Wir haben ein Mitspracherecht, sagen unsere Meinung und geben Vorschläge ab“, so Christian Walch, der an der Spitze des Gremiums steht. Zudem spielt auch die Bewegungsförderung eine große Rolle. Im Bereich der Kleinteilemontage befindet sich eine Sporthalle. Das Reich von Physiotherapeutin Gabriele Böhmer. Entspannung, aber auch Sport stehen auf dem Programm. Von Spaziergängen über Tischtennis bis Fußball. „Unsere Leistungskegelgruppe nimmt sogar regelmäßig an Deutschen Meisterschaften teil“, sagt Böhmer. „Die Angebote hier sollen sich am Förderbedarf orientieren“, ergänzt König. Dort, in der Kleinteilemontage, arbeiten 85 Beschäftigte in verschiedenen Gruppen. „Überwiegend sitzende Tätigkeiten“, sagt stellvertretender Arbeitsbereichsleiter Mario Kipper. Der Betreuungsaufwand ist hier höher. Karin Braun zeigt stolz, wie sie Schrauben in Halterungen dreht. „Es macht Spaß“, strahlt sie. Die Freude steckt an. Anders ist es auch nicht im Bereich Aquarientechnik. Viele Maschinen kommen hier zum Einsatz. Ohne Ohrenstöpsel läuft normalerweise nichts. Abdeckungen für Aquarien entstehen. Bis zu 50.000 pro Jahr. In anderen Bereichen werden auch Schränke für Aquarien hergestellt. „Wir machen alles möglich“, sagt Abteilungsleiter Siegbert Kranz lachend. Und Vorstand Peter Kaiser schiebt nach: „Eigentlich machen wir hier alles – außer die Aquarien selbst.“ Ein weiterer großer Bereich ist die Schreinerei, wo nicht nur Schränke für Aquarien entstehen. „Seit über 40 Jahren arbeiten wir mit dem Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland des Deutschen Jugendherbergswerkes zusammen“, berichtet Torsten Walter. Aktuell werden Einrichtungen für 36 Zimmer der Jugendherberge Wolfstein (Kreis Kusel) gefertigt. „Wir montieren auch alles vor Ort“, sagt der stellvertretende Arbeitsbereichsleiter Peter Fröse. Auch hier sind – längst nicht nur für Jugendherbergen – immer wieder Individualanfertigungen gefragt. Ähnlich wie im Palettenbau, wo rund 130.000 exportfähige Einheiten im Jahr entstehen. „Es ist eben auch unsere Stärke, dass wir Dinge individuell fertigen können“, weiß Kaiser. Hand in Hand von Mitarbeitern mit und ohne Beeinträchtigung. „Wir sind alle bunt“, lautet der Leitspruch. So wie Tina Kramer zum Beispiel. Die lässt es sich nicht nehmen, das Saisonheft des 1. FC Kaiserslautern aus der Tasche zu holen und auf ihren Lieblingsspieler zu zeigen. Daniel Halfar. Der Kapitän. Tina Kramer strahlt. Und setzt sich wieder auf ihren Platz. Die „Blättcher“ warten. Info Vom 21. bis 23. September feiern die Zoar-Werkstätten in der Industriestraße 2 in Rockenhausen ihr 50-jähriges Bestehen. Unter anderem mit einem Tag der offenen Tür am morgigen Donnerstag von 8.30 bis 16 Uhr, in den auch der offizielle Festakt (ab 13 Uhr) eingebunden ist, und mit einem Konzert der „Anonyme Giddarischde“ am Samstag (ab 20.30 Uhr).

25 Stammkunden haben die Zoar-Werkstätten. Dort werden unter anderem Abdeckungen für Aquarien gefertigt.
25 Stammkunden haben die Zoar-Werkstätten. Dort werden unter anderem Abdeckungen für Aquarien gefertigt.
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