Rheinland-Pfalz Vor der OB-Wahl in Ludwigshafen: Stechen wahrscheinlich

Ein Faktor beim politischen Wettstreit um den Chefposten im Rathaus: der Abriss der maroden Hochstraße Nord (ab 2019/20) und dam
Ein Faktor beim politischen Wettstreit um den Chefposten im Rathaus: der Abriss der maroden Hochstraße Nord (ab 2019/20) und damit verknüpfte Verkehrsprobleme in und rund um Ludwigshafen.

Neben der Bundestagswahl stehen am Sonntag in Rheinland-Pfalz auch mehrere wichtige kommunale Wahlentscheidungen an: In Neustadt, Ludwigshafen und Koblenz werden die Oberbürgermeister neu gewählt, in drei Landkreisen, darunter im Kreis Kaiserslautern, ist der Landrat zu bestimmen. Landesweit sind außerdem 31 hauptamtliche und ehrenamtliche Bürgermeister zu wählen. Unsere Serie beleuchtet die wichtigsten Entscheidungen. Zum Abschluss: die Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen.

Um die Nachfolge von Amtsinhaberin Eva Lohse (61, CDU), die nach 16 Jahren aus privaten Gründen nicht mehr antritt, bewerben sich drei Männer und eine Frau. Derzeit deutet viel darauf hin, dass sich ein ganz enges Duell um den OB-Posten entwickeln und der Gewinner erst bei einer Stichwahl am 15. Oktober ermittelt wird. Denn Jutta Steinruck (55, SPD) und Peter Uebel (53, CDU) liefern sich den Ergebnissen einer repräsentativen Meinungsumfrage zufolge ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Laut diesem fünf Wochen vor der Wahl erhobenen Stimmungsbild kommt der Mediziner bei der „Sonntagsfrage“ auf 32 Prozent der Stimmen, die Europaabgeordnete auf 31. Noch unentschlossen äußerte sich über ein Viertel der 500 Befragten. Spannende Vorzeichen, die nach Einschätzung der Meinungsforscher am Sonntag zu einer Wahlbeteiligung von über 70 Prozent führen dürften.

Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Steinruck und Uebel

Ein kleiner Dämpfer war das Resultat der Erhebung für Steinruck. Immerhin wird die frühere Gewerkschaftsfunktionärin von vier politischen Gruppen – Grüne, FWG, Die Linke, Piraten – unterstützt. Außerdem steht die Mutter eines erwachsenen Sohns bereits seit April 2016 in den Startlöchern und ist damit viel früher als Uebel in den Wahlkampf eingestiegen. Er wurde erst am 25. November von seiner Partei präsentiert. Neun Tage, nachdem Lohse ihren Verzicht erklärt hatte. Was den Bekanntheitsgrad angeht, liegt der sozialpolitische Sprecher der CDU-Stadtratsfraktion dennoch auf Augenhöhe mit Steinruck. Beide erreichen einen Wert von über 80 Prozent. Selbst beim RHEINPFALZ-Forum am 23. August vor 400 Zuhörern war kein eindeutiger Sieger unter den beiden Hauptrivalen auszumachen. Das Favoritenpaar Steinruck/Uebel verbindet einiges: Beide sind in Ludwigshafen geboren, haben das Mannheimer Kurpfalz-Gymnasium besucht, sind Linkshänder und bewerben sich nun um den Chefsessel im Rathaus der mit 170.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt des Landes.

3000 neue Wohnungen bis 2025

Unterschiede inhaltlicher Natur gibt es natürlich auch – leicht herauszufiltern sind diese allerdings nicht. Diplom-Betriebswirtin Steinruck formuliert ihre Ziele dabei etwas konkreter. Bis 2025 will sie 3000 neue Wohnungen errichten lassen, die Stadt mit Blick auf den Hochstraßenabriss vom Verkehr entlasten, mit einem Bürgerbeauftragten direkte Mitbestimmung etablieren sowie Kinderarmut und Kriminalität bekämpfen. Den Bau eines seit Jahren im Stadtrat diskutierten und dort auch von der SPD abgelehnten Kombibads will sie prüfen. Ihr „Arbeitsprogramm“ hat sie aus 4500 Anregungen von 1200 Gästen gespeist, die zu ihren 20 Stadtteil- und Themenforen gekommen sind. „Ludwigshafen bleibt unter seinen Möglichkeiten“, sagt Steinruck. Nominiert wurde sie von einer SPD-Vollversammlung mit nahezu 98-prozentiger Zustimmung.

Videokameras an Brennpunkten installieren

100 Prozent der Christdemokraten votierten bei einem Kreisparteitag für Uebel, der im Stadtteil Gartenstadt ein Gesundheitszentrum mit 30 Mitarbeitern führt. Wegen seines sozialen Engagements, etwa fürs Ärztehilfsprojekt „Street Docs“, bietet er der SPD kaum Angriffsflächen. Dass die Union geschlossen hinter ihm steht, lässt sich auch in der Meinungsumfrage ablesen. Demnach hat Uebel im eigenen Lager einen stärkeren Rückhalt als Steinruck. Der verheiratete Vater von zwei Söhnen spricht sich mit Verweis auf den 1,4 Milliarden Euro hohen Schuldenberg gegen ein Kombibad aus und will die Stadt weiter zum Rhein hin öffnen. Den Sanierungsfall Rathausturm möchte er zu einem modernen Verwaltungskomplex umgestalten und Videokameras an Brennpunkten installieren. „Sicher“ und „sauber“ sind Schlagworte, die er immer wieder bemüht.

Kompromiss bei Kohl-Würdigung

Der von ihm eingebrachte und auch von den Genossen im Stadtrat abgesegnete Vorschlag, eine Straße im Gedenken an den im Juni verstorbenen Altkanzler in Helmut-Kohl-Allee umzubenennen, fiel ihm wieder vor die Füße. Es hagelte Proteste, nicht nur von Anliegern – Uebel räumte danach Fehler in der Kommunikation ein. Steinruck, die nicht im Stadtrat sitzt, plädiert für ein geordnetes Verfahren zur Kohl-Würdigung. Aktuell wird um einen Kompromiss gerungen.

Schmitz gegen Hochstraßenabriss, Portisch will Stadteile abstimmen lassen

Als krasse Außenseiter gelten zwei ehemalige Christdemokraten: Thorsten Portisch (48, parteilos) und Dirk Schmitz (55), der als Unabhängiger auftritt, aber Mitglied der AfD ist. Unternehmer Portisch, der in Ludwigshafen lebt, kam bei der Meinungsumfrage auf fünf, der aus dem südbadischen Kehl stammende Jurist Schmitz auf zwei Prozent der Stimmen. Während Schmitz der Stadtspitze Missmanagement vorwirft, Filz zwischen Roten und Schwarzen beklagt, einen Hochstraßenabriss ablehnt und für eine Polizeiwache im Zentrum wirbt, fällt Portisch eher durch verwegene Ideen auf. Etwa jene, alle im Jahr 1938 zwangseingemeindeten Stadtteile über ihre Zugehörigkeit zu Ludwigshafen abstimmen zu lassen. Bei einem positiven Votum würde das Identifikation stiften, andernfalls müsste sich das Land Gedanken über eine Gebietsreform machen. Um einem Verkehrskollaps vorzubeugen, fordert er den Ausbau von städtischen Radwegen und eine dritte Rheinbrücke. Parteien als Plattformen der Meinungsbildung haben für Portisch ausgedient: „Ich will mich einbringen, egal wie die OB-Wahl ausgeht.“

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