Rheinland-Pfalz Von Polizeihosen, Funkdaten und Geldbündeln

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Kaiserslautern. Schon seit Wochen geht es vor dem Landgericht in Kaiserslautern um einen mittlerweile gefeuerten Polizisten, der in seinem Heimatdorf Olsbrücken die Sparkasse überfallen haben soll. Heute fällt wahrscheinlich das Urteil. Der Angeklagte beteuert seine Unschuld, die Staatsanwaltschaft hingegen meint: Sie hat genügend Material, um den 30-Jährigen für Jahre hinter Gitter zu bringen. Welche Indizien es gibt und wie schwer sie wiegen: eine Übersicht.

Tatort und Kleidung des Täters

Es war nur ein vager Verdacht, der die Ermittler auf die Spur ihres Kollegen brachte: Im Februar 2015 war die Sparkasse seines Heimatorts im Kreis Kaiserslautern überfallen worden. Von einem Täter, der offenbar alte Hosen aus Polizeibeständen trug. Was für Beinkleider es genau waren, lassen die Bilder der Überwachungskameras aber nicht erkennen. Außerdem kann der Angeklagte entgegnen: Wieso nur sollte ausgerechnet ein Polizist derart offensichtliche Spuren in die eigene Richtung legen? Andererseits: In Olsbrücken kennt er sich gut aus. Er wusste also zum Beispiel, wo er unbemerkt parken kann. Und: Er könnte den Überfall relativ spontan beschlossen haben, weil er knapp bei Kasse war und eine große USA-Reise anstand. Entscheidend fürs Urteil wird die Frage nicht sein. Die Schulden des Angeklagten Der Angeklagte war bei der Polizei noch in der Probezeit und galt als Wackelkandidat, er stand also vor einer ungewissen Zukunft. Trotzdem hat er Schulden aufgehäuft, die Ermittler samt Zins und Zinseszins auf etwa 70.000 Euro beziffern. Ex-Kollegen bescheinigen dem 30-Jährigen eine Vorliebe für modische Kleidung, guten Whiskey und feine Kaffeesorten. Aber sie sagen auch: Dafür fuhr er eben ein altes Auto. Doch unterm Strich scheint er über seine Verhältnisse gelebt zu haben, seine Verlobte vermutet: weil er so viel Frust bei der Arbeit hatte. Andererseits konnte er bislang seine Verbindlichkeiten immer bedienen. Die Richter können aus seiner finanziellen Lage also Schlüsse für, aber auch gegen den 30-Jährigen ziehen. Die Gegenüberstellung Im Ludwigshafener Polizeipräsidium wurden dem überfallenen Bankangestellten nacheinander Vermummte vorgeführt. Den 30-Jährigen hat er dabei „mit 90-prozentiger“ Sicherheit wiedererkannt, aber auch einem anderen der Männer viel Ähnlichkeit mit dem Räuber bescheinigt. Und in kriminalistischen Leitfäden steht, dass sich der Zeuge auf einen einzigen Kandidaten festlegen muss, damit das Ergebnis zählt. Doch eigentlich ist das ganze Verfahren nur ein Test, mit dem die Polizei prüfen kann, ob sie in die richtige Richtung ermittelt. Fürs Urteil hingegen hat eine Gegenüberstellung wenig Bedeutung. So wie es für die Richter höchstens ein Randaspekt sein wird, dass der Bankangestellte glaubt, im Gerichtssaal die Stimme des Angeklagten als die des Räubers wiedererkannt zu haben. Das Geld aus der Wohnung Rund 50.000 Euro hatte der Täter bei dem Überfall erbeutet, etwa 40.000 Euro haben Ermittler in der Wohnung des Angeklagten gefunden. Woher diese große Summe stammt, ließ er lange offen. Im Prozess sagte er schließlich: Er habe sie im Juni 2014 von einem mittlerweile verstorbenen Verwandten bekommen – als Privatkredit. Dieser Mann scheint tatsächlich viel Bargeld besessen und zu einzelnen Menschen sehr großzügig gewesen zu sein. Allerdings gehören 478 von insgesamt 524 Zehn-Euro-Noten aus dem Bargeldbestand zu einer Serie, die erst seit September 2014 ausgegeben wird. Zwar will der 30-Jährige gelegentlich Geld aus seinem Koffer genommen und es durch andere Scheine ersetzt haben. Doch könnten die Richter sagen: Ein derart hoher Anteil neuer Banknoten ist damit trotzdem nicht plausibel erklärt. Und dann würden sie zu einem der entscheidenden Gründe für einen Schuldspruch. Die Funk- und Handy-Daten Während die Bank überfallen wurde, hatte sich der Angeklagte extra freigenommen – angeblich, um sich kurz vor dem Urlaub vor schwierigen Abend-Einsätzen zu drücken. Die Zeit will er in einem Café und in einem Comicladen in Kaiserslautern totgeschlagen haben. Doch sein Handy scheint den Verbindungsdaten zufolge die ganze Zeit in der Wache gelegen zu haben. Und Spuren im Polizei-Datennetz belegen: Jemand hat kurz vor dem Überfall ein Polizei-Funkgerät von Kaiserslautern aus in den Raum Olsbrücken gebracht und es anschließend wieder zurück in die Inspektion gelegt. Dort haben Kollegen den Angeklagten am Abend noch einmal gesehen. Er selbst behauptet: Er holte nur seinen Autoschlüssel, den er vergessen hatte. Gut möglich, dass die Richter trotzdem sagen: Viel plausibler ist, dass er die Bank ausraubte – und dann das Funkgerät zurücklegte, mit dem er während seiner Flucht die Kollegen belauscht hatte. Der mysteriöse Unbekannte Gleich nach der Tat hat der überfallene Bankangestellte gegenüber seiner Filiale einen wartenden Mann mit Tasche gesehen, der schließlich von einem Auto abgeholt wurde. Dieser Spur zu einem möglichen anderen Täter ist die Polizei wegen einer Kommunikationspanne nie nachgegangen. Später unterstellte sie einfach, dass der Unbekannte vom Sporttraining kam. Schließlich ist der Platz des TuS ganz in der Nähe. Ob dort an jenem Tag Übungsstunden stattfanden, hat aber niemand abgeklärt. Doch das dürfte den Richtern egal sein, wenn sie zu dem Ergebnis kommen, dass ihnen die Beamten trotzdem den richtigen Täter geliefert haben. Fazit Richter lassen sich nicht in die Karten schauen, ehe sie ihr Urteil verkünden. Aber: Eine Verhandlung findet nur statt, wenn sie vorab meinen, dass mehr für die Schuld eines Angeklagten spricht als für dessen Unschuld. Und im Fall des Ex-Polizisten hat der Prozess noch weiteres Belastungsmaterial ans Licht gebracht. Doch auch heute, am wahrscheinlich letzten Verhandlungstag, kann er noch versuchen, sich zu entlasten. Wenn er damit scheitert, hat er kaum Chancen, der Haft zu entgehen. Denn er steht schon vor dem Landgericht und damit vor einer hohen Instanz. Gegen deren Entscheidung kann er nicht in die Berufung gehen, ihm bleibt nur die Revision vorm Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Der allerdings durchforstet nur die Akten und achtet dabei vor allem auf Formalien. Entsprechend selten passiert es, dass er einmal gefällte Urteile noch kippt.

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