Rheinpfalz Kita-Leiterin: „Kinder beten, wie sie es gewohnt sind“

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Die Evangelische Kirche der Pfalz will die Qualität in ihren 254 Kindertagesstätten weiter erhöhen. Im Projekt „Religion.Werte.Bildung“, das nächstes Jahr starten soll, geht es um die religiöse Bildung. Die evangelischen Kitas sind morgen Schwerpunktthema der Landessynode, die heute in Speyer beginnt. Über das protestantische Profil in einer evangelischen Kita, in der über 60 Prozent der Kinder Muslime sind, gab Heike Ulrich Auskunft. Die 59-Jährige ist Leiterin der Kita Arche Noah in Ludwigshafen.

Woran merken Kinder und Eltern, dass sie bei Ihnen in einer evangelischen Kita sind?

In unserem Eingangsbereich hängt kein Kreuz, aber ein Regenbogen, der in der biblischen Geschichte von der Arche Noah vorkommt. Ins Auge fällt auch die Willkommenssonne, auf deren Strahlen in verschiedenen Sprachen das Wort Willkommen steht. Wenn Eltern oder Kinder hereinkommen, spüren sie die Wertschätzung, die wir ihnen entgegenbringen. Und wo findet sich Evangelisches im Kita-Alltag? Wir sind eine konfessionelle Einrichtung, und da gehört das Beten vor dem Essen dazu. Da gibt es keine genaue Anleitung. Die Kinder dürfen so beten, wie sie es von zu Hause aus gewohnt sind – mit gefalteten oder offenen Händen. Das überlassen wir den Kindern. Und außer Beten? In religiösen Gesprächskreisen beschäftigen sich die Kinder mit christlichen Festen wie Ostern oder Weihnachten oder wie kürzlich mit St. Martin. Wir feiern aber auch das muslimische Zuckerfest am Ende des Fastenmonats Ramadan. Wir erzählen den Kindern Geschichten, die man sowohl in der Bibel als auch im Koran findet. Zum Beispiel Noah und die Arche oder Jonas und der Walfisch. Wir wollen den Kindern vermitteln, dass jede Religion gleich wert ist. Dazu gehören für die Vorschulkinder Besuche mit ausführlichen Erklärungen in einer Kirche und in einer Moschee. Aber heißt es nicht: Wo evangelisch draufsteht, sollte auch evangelisch drin sein? In unserer Kita ist ganz viel evangelisches Profil drin. Denn christliche Werte spielen im Alltag eine große Rolle. Da geht es um Toleranz, Rücksichtnahme, ums Teilen, darum, Schwächeren, Jüngeren, zu helfen. Bei 60 Prozent muslimischen Kindern – auf was müssen Sie achten, außer, dass kein Schweinefleisch auf den Tisch kommt? Schweinefleisch ist in unserer Einrichtung kein Thema mehr. Wir essen vegetarisch und einmal die Woche Fisch. Die Eltern sind damit einverstanden. Somit muss sich kein Kind mehr ausgegrenzt fühlen, wenn es aufgrund seiner Religion kein Schweinefleisch essen darf. Worauf nehmen Sie sonst noch Rücksicht? Jetzt vor Weihnachten beispielsweise, wenn wir in der Kirche das Krippenspiel proben. Die Eltern werden vorab darüber informiert. Derzeit hat es nur eine muslimische Familie abgelehnt, dass ihr Kind in die Kirche mitgeht. Übrigens: Auch muslimische Kinder spielen bei der Weihnachtsgeschichte mit. Ist wirklich alles so harmonisch im religiösen Miteinander? Wir hatten bislang nur eine muslimische Familie, die sich mit den religiösen Gegebenheiten in der Kita nicht arrangieren konnte. Da durfte das Kind auch nicht Fasching feiern. Im Gespräch sind wir übereingekommen, dass es für das Kind besser ist, in eine kommunale Kita zu wechseln. Ansonsten gibt es bei uns klare Regeln – niemand wird wegen seines Glaubens oder seiner Herkunft ausgegrenzt. Gerade dieser offene, wertschätzende Umgang miteinander, Toleranz und Respekt prägen unser Profil. Und die anderen Eltern stört das Beten oder ein Kirchen- oder Moscheebesuch nicht? Viele muslimische Eltern haben sich ganz bewusst für eine konfessionelle Kita entschieden. Ihnen ist wichtig, dass religiöse Werte vermittelt werden. Und selbst die anfangs Skeptischen haben sich geöffnet, nachdem sie gemerkt haben, dass ihren Kindern kein anderer Glaube übergestülpt wird. In einem kurzen Film über unsere Einrichtung, den wir bei der Landessynode zeigen werden, sagt ein Papa: „Es gibt keine Unterschiede in den Religionen, die Menschen machen die Unterschiede.“ Das fand ich schön. Info Die pfälzische Landeskirche und ihre Diakonie starteten 2011 die Qualitätsoffensive „Kita+qm“. Bislang haben 93 Prozent der 254 evangelischen Kitas nach Angaben von Oberkirchenrat Manfred Sutter daran teilgenommen. 17.000 Kinder besuchen die Einrichtungen, zwölf Prozent seien muslimischen Glaubens. |Interview: Anne-Susann von Ehr

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