Rheinpfalz „Ich bin am Rosenmontag geboren“

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Der traditionsreiche Mainzer Carneval-Verein (MCV) hat seit September einen in juristischen und medizinischen Fachkreisen bekannten Präsidenten: Reinhard Urban ist seit 14 Jahren Chef des Instituts für Rechtsmedizin an der Uniklinik Mainz. Zu seinen beruflichen Aufgaben zählen Obduktionen und das Verfassen von Gutachten etwa zur Frage, ob ein Verstorbener Opfer eines Verbrechens wurde. Wir haben Urban zu seiner närrischen Seite befragt.

Haben Sie es schon bereut, das Amt des MCV-Präsidenten übernommen zu haben?

Nein. Es ist zwar insbesondere in diesen Monaten eine Menge Arbeit, diese macht aber Spaß und daher kein Problem mit dem Amt. Böse Zungen behaupten gelegentlich, dass Fasnachtsvereine beim organisierten Frohsinn keinen Spaß verstehen. Welche Erfahrungen haben Sie bisher gemacht? Es ist tatsächlich so, dass in den Fasnachtsvereinen nicht immer der Spaß überwiegt und zum Teil auch ernste Themen wie Sicherheit und Finanzen einen Rolle spielen. Zudem gibt es natürlich wie in allen anderen Institutionen auch Menschen mit Befindlichkeiten, so dass auch hier manchmal der Spaß eher zweitrangig ist. Aktuell im MCV überwiegt aber eindeutig der Spaßfaktor, sowohl im Vorstand in der gegenseitigen Unterstützung und im gemeinsamen Arbeiten, als auch in den einzelnen Ausschüssen und deren Überlegungen und Tätigkeiten. Dies sind aber wie gesagt „normale Fakten“ wie in allen anderen Institutionen, so dass es im MCV keine besonderen neuen Erfahrungen sind. In den allermeisten Fällen lassen sich die Personen aber davon überzeugen, dass wir ja gemeinsam das gleiche Ziel – nämlich die Mainzer Fasnacht voranzubringen und weiterzuentwickeln – haben und nicht nur unseren Mitmenschen Spaß bringen, sondern vor allem auch selbst Spaß haben wollen. Als Rechtsmediziner haben Sie es eher mit den düsteren Seiten der menschlichen Natur zu tun. Wie kam es dazu, dass Sie nach Feierabend Ihr „Narren-Gen“ entdeckt haben? Ich musste das Narren-Gen gar nicht so sehr entdecken. Erstens bin ich an einem Rosenmontag geboren, zweitens war ich in München – hier bin ich aufgewachsen – schon als Jugendlicher und auch später im Fasching gerne unterwegs und drittens bin ich über Freunde schon sehr früh, nachdem ich nach Mainz gekommen war, zur Fasnacht mitgenommen und bereits 1995 in die Prinzengarde aufgenommen worden. Auch Narr sein bedeutet nicht immer nur vordergründige Fröhlichkeit, sondern auch kritisches Hinterfragen und nachdenkliches Verharren, so dass Beruf und Freizeitgestaltung durchaus Parallelen haben und gut vereinbar sind. Für einen gebürtigen Bayern haben Sie in Mainz eine glänzende Fasnachter-Karriere hingelegt: Prinzengarde, Großer Rat des MCV, Vorstandschef der Mainzer Fasnachtsgenossenschaft sind nur einige Stationen. Sehen Sie sich eher als Fasnachts-Manager oder als praktizierenden Narren? Auch wenn ich beim MCV naturgemäß zumindest auch Fasnacht-Manager sein muss, sehe ich mich am liebsten als praktizierenden Narren. Dabei habe ich auch Büttenreden im Institut bei unserer traditionellen Weiberfasnachtsitzung gehalten mit unterschiedlichen Themen. Dennoch sehe ich mich nicht als Büttenredner in der „großen Mainzer Fasnacht“, da ich natürlich gefärbt bayerisch spreche und zu einer guten Büttenrede entweder reines Hochdeutsch, oder aber der typische rheinhessische Dialekt gehört. Zudem bin ich nicht besonders geschickt im Reimen, so dass ich auf einen Auftritt gerne zugunsten wirklich guter Redner verzichte. Was unterscheidet den bajuwarischen vom rhein(hess-)ischen Frohsinn? Nichts im Grunde. Nur die Wege zum und beim Frohsinn sind unterschiedlich. Dabei gefällt mir beim mainzerischen Frohsinn besonders, dass der Narr hier im ursprünglichsten Sinn Narr ist und sich mit politischen und gesellschaftlichen Themen witzig-kritisch auseinandersetzt und allen den Spiegel vorhält. Heute Abend werden Sie erstmals als MCV-Vorsitzender bei der Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ auf der Bühne im Kreise Ihrer Komitee-Kollegen vor einem Millionen-Publikum schunkeln. Haben Sie Lampenfieber? Nein, dennoch ist es eine besondere Erfahrung und ich bin schon gespannt, wie sich die Perspektive vom Komiteetisch aus darstellt. Was sagt der Mediziner im MCV-Präsidenten: Ist Lachen gesund oder kann man sich tatsächlich auch kranklachen? Lachen ist, solange es spontan und zwanglos erfolgt, uneingeschränkt gesund. Es werden viele Muskeln bewegt. Es trägt dazu bei, den Blick auf die Welt und sich selbst positiv zu stellen. Im Übrigen führt es dazu, dass man Gemeinsamkeiten entdeckt im gemeinsamen Lachen über die eine oder andere Situation oder den einen oder anderen Witz und trennende Aspekte in den Hintergrund treten. Lachen und sich vielleicht dabei auch selbst nicht ganz so ernst nehmen, ist eindeutig positiv! | Interview: Jürgen Müller

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