Rheinland-Pfalz Harte Strafen für Online-Dealer

Sie fordern einen mit Drogengeld bezahlten Maserati und zehn Millionen Euro ein: Weil er einen Teil der „Chemical love“-Einnahme
Sie fordern einen mit Drogengeld bezahlten Maserati und zehn Millionen Euro ein: Weil er einen Teil der »Chemical love«-Einnahmen noch bunkern soll, wollen die Landauer Richter um ihren Vorsitzenden Urban Ruppert dem Hauptangeklagten die Rauschgift-Einnahmen in voller Höhe abnehmen.

«Landau.» Mahnend reckt der Richter Urban Ruppert seinen Zeigefinger in die Luft, über seine Lesebrille hinweg fixiert er den Hauptangeklagten. Denn nun verwendet der Jurist zum ersten Mal ein Wort, das er in dem schon seit März währenden Prozess bislang immer gemieden hat: „Sicherungsverwahrung“. Wird sie verhängt, ist ein Krimineller als allgemeingefährlich eingestuft. Und das kann bedeuten: Um den Rest der Welt vor ihm zu schützen, wird er weiter weggesperrt, auch wenn er seine Strafe schon abgesessen hat. Ruppert sagt: Formal hat der 31-Jährige die Voraussetzungen für so eine einschneidende Auflage schon erfüllt. Immerhin stand der Sohn eines früheren Profifußballers aus dem Raum Stuttgart schon einmal wegen Drogengeschäften in Karlsruhe vor Gericht. Mit einer Bewährungsstrafe kam er 2015 davon, weil er sich geläutert gab. Doch das war eine dreiste Lüge, in Wirklichkeit stieg er gerade zum ganz großen Online-Dealer auf: Die Staatsanwaltschaft hält ihn für den Boss der Bestellseite „Chemical love“, der in der Szene als „z100“ berühmt geworden ist. Dass er tatsächlich in den Fall verstrickt ist, hat der 31-Jährige beim Prozessauftakt eingeräumt. Doch er behauptet: Über ihm gab es noch einen mysteriösen Ober-Chef. Die Polizei allerdings hat keinerlei Spuren so eines geheimnisvollen Befehlshabers gefunden. Trotzdem hält es Richter Ruppert nun für denkbar, dass irgendwo im Hintergrund noch Unbekannte Strippen zogen. Denn er findet: „Chemical love“ hat bemerkenswert schnell das Geschäftsmodell übernommen, nachdem Ermittler den Betreiber der Vorgänger-Seite „Shiny flakes“ erwischt hatten. Außerdem geht der Landauer Jurist davon aus, dass in beiden Fällen dieselben niederländischen Lieferanten das Rauschgift bereitstellten. Doch zugleich hält er dem Hauptangeklagten vor, dass über dessen Computer die Finanzströme gelenkt wurden, er mithin auf dieser Ebene der Chef war. Die Richter gehen auch davon aus, dass er das Passwort zum verbliebenen Restvermögen der Bande hat. Es ist in der Internet-Währung Bitcoins für die Ermittler einseh-, aber nicht einziehbar. Deshalb wird der 31-Jährigen dazu verpflichtet, dem Staat zehn Millionen Euro zu überlassen. Auch den mit Drogengeld bezahlten und verschollenen Maserati des Hauptangeklagten fordern die Richter ein. Was das für seine Zukunft bedeutet, fasst Ruppert in einem knappen Satz zusammen: „Wirtschaftlich sieht es für Sie nicht besonders gut aus.“ Und auch die eigentliche Strafe für den 31-Jährigen wiegt schwer: Insgesamt 14 Jahre und zehn Monate lang soll er hinter Gitter. Der Staatsanwalt allerdings hatte sogar neun Monate mehr gefordert. Dabei gilt normalerweise: Wer nicht zu „lebenslänglich“ verdonnert wird, kann höchstens 15 Jahre bekommen. Doch weil das alte Karlsruher Urteil mit hineingerechnet werden muss, sind für den 31-Jährigen zwei einzelne Strafen anzusetzen und anschließend stur zusammenzuzählen – selbst wenn dann die Obergrenze überschritten wird. Die 15-Jahre-Schwelle wollte das Landgericht trotzdem respektieren, sagt Ruppert nun. Und in noch einem Punkt kommt das Urteil dem Hauptangeklagten entgegen: Ihm wird nicht nur Haft, sondern auch eine Therapie aufgebrummt. Schließlich scheint er schon seit dem Teenageralter alle möglichen Drogen genommen zu haben. Nun bekommt er die Chance, seine Abhängigkeit zu überwinden – und seine Strafe abzumildern. Denn wenn er die Behandlung ordentlich durchzieht, kann er seine Haftzeit um die Hälfte verkürzen. Diese Möglichkeit lässt das Gericht auch den beiden Mitangeklagten, die es zu jeweils gut sieben Jahren verurteilt – einem Rülzheimer, der im Keller seines Hauses das Drogenlager der Bande verwaltete, und dessen Bruder, der zum Beispiel den Nachschub aus den Niederlanden herbeikutschierte und die Rauschgift-Sendungen für die „Chemical love“-Kunden zur Post brachte. Weitere mutmaßliche Mittäter werden sich die Landauer Richter erst noch vornehmen: Im Herbst könnte dem Vater des Hauptangeklagten der Prozess gemacht werden. Denn auch dieser frühere Fußballprofi und Sportfunktionär ist in den Fall verstrickt. Doch erst einmal redet Ruppert noch dem Sohn ins Gewissen: Wenn der weiterhin kriminell bleibe, dann drohe ihm tatsächlich die Sicherungsverwahrung. „Jetzt oder nie“, sagt der Richter mit ausgerecktem Zeigefinger: „Spur ändern. Oder das Leben abhaken.“

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