Rheinland-Pfalz „Halsbrecherisches Unternehmen“

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„Hoch hinaus – die Pfalz!“ Das ist in diesem Jahr das Thema des großen Fotowettbewerbs für Leserinnen und Leser der RHEINPFALZ. Die schönsten Aufnahmen erscheinen im RHEINPFALZ-Fotokalender 2017. Die zwölf Siegerbilder werden zudem mit Geldpreisen belohnt. Unsere Begleitserie zum Fotowettbewerb zeigt Beispiele, wie und wo es in der Pfalz hoch hinaus geht, welche Hochgefühle und Höhepunkte es gibt. Heute: die Erstbegehung des größten Pfälzer Felsens, des Asselsteins bei Annweiler.

Hoch hinaus wollten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr Menschen in Europa. Es war die Zeit der Erstbesteigungen von vielen markanten und schwierigen Alpengipfeln. Doch auch in den deutschen Mittelgebirgen wie Thüringer Wald, Elbsandsteingebirge und Pfälzerwald gab es zahlreiche Felstürme, Riffe und Zinnen, deren Gipfel noch kein Mensch betreten hatte. Es wundert daher nicht, dass einzelne naturverbundene Zeitgenossen sich zum Ziel setzten, diese Felsen zu ersteigen. Im südpfälzischen Felsenland, dem „Pfälzer Wasgau“, thront der Asselstein auf einem Ausläufer des markanten Rehbergs zwischen Annweiler und Waldrohrbach. Wahrscheinlich sahen die ursprünglich keltisch-alemannischen Bewohner der Pfalz in dem hoch aufragenden Riff einen Thron ihrer Götter und Waldgeister – der „Asen“. Naheliegend ist, dass aus dem Asenstein im Laufe der Jahrhunderte der Name Asselstein wurde. Das spektakuläre Felsenriff aus rotem Buntsandstein weist im Gegensatz zu seinen Nachbarfelsen in der Nähe des Trifels keinerlei vorzeitliche oder mittelalterliche Begehungsspuren auf. So war die Felsgruppe zwischen den Nachbar-Burgen des Trifels, Anebos und Münz ein Teil der in der Salier- und Stauferzeit entstandenen imposanten Befestigungsanlage. Ausgehauene Stufen und Balkenfalze findet man dort an vielen Stellen. Der fast 60 Meter hohe Asselstein, selbst an der niedrigsten Stelle, der Ostwand, noch 38 Meter hoch, wäre als Aussichtswarte sicher ideal gewesen. Aufgrund seiner senkrechten und teilweise überhängenden Wände war er für die Menschen des Mittelalters aber unbesteigbar. Der Unternehmer und Politiker Christian Zöppritz aus Darmstadt war ein begeisterter Jäger und Liebhaber der Gegend um Annweiler. Seine Zuneigung brachte ihn dazu, den Bau des Turms auf dem Rehberggipfel, der im Jahre 1862 fertiggestellt wurde, anzuregen und zu finanzieren. Während der Planungs- und Bauzeit des Turmes war er sicher häufiger auf dieser vorzüglichen Aussichtswarte und schaute auf die Burgdreifaltigkeit Trifels, Anebos und Münz, aber auch auf den Asselstein hinab. Die Herausforderung, als erste Menschen auf dessen Gipfel zu stehen, nahm Zöppritz dann mit seinen Freunden, Herrn „Mechanikus“ Schmidt sowie wahrscheinlich Johannes Leonhard und Heinrich Renner aus Annweiler an. Nach mehrjährigen Vorbereitungen war es am 3. Juni 1860 so weit: Über einen nah am Fels stehenden Baum erklommen die Männer zunächst den unteren Westgrat des Felsens. Den überhängenden Steilaufschwung der oberen Westwand rückte man mit Leitern zu Leibe, die in vorher ausgemeißelte Löcher gestellt wurden. Die Leitern wurden lediglich angelehnt und an einigen Stellen mit primitiven Felshaken befestigt. Die Landauer Zeitung „Der Eilbote“ schrieb dazu: „ Herr Zöppritz hat nun endlich dieses halsbrecherische Unternehmen glücklich ausgeführt. Eine Fahne ist jetzt das Zeichen, dass auch dieser Winkel von Erde ein menschlicher Fuß betreten hat, und wie lohnte sich noch so schön dieser Spaziergang, indem drei junge flügge Wanderfalken den Retourweg mit antreten mussten.“ Erst 49 Jahre später, am 21. September 1909 wurde der Asselstein über den heute noch üblichen „Normalweg“ sportlich fair, das heißt ohne Leitern und geschlagene Stifte erklettert. Die Pfälzer Kletterpioniere Emil Ney, Ernst Schlemmer und Rudolf Schonger durchkletterten erstmals die Südwand des Felsens und eröffneten damit eine der bis heute schönsten und oft begangenen Kletterwege der Pfalz im vierten Schwierigkeitsgrad. Heute weist der „König der Pfälzer Felsen“ zahlreiche Routen in allen Schwierigkeitsgraden auf und ist ein beliebtes Ziel für Kletterer aus ganz Europa. Wenige Meter unterhalb des Felsens befindet sich das Ausflugslokal „Kletttererhütte“, wo man sich nach Kletter- oder Wandertouren mit „Lewwerknepp“, „Brodworschd“und Schorle stärken kann. Auch die Geschichte mit den jungen Wanderfalken, die die Erstbesteiger mitgehen ließen, hat eine glückliche Fortsetzung. Seit mehr als zwei Jahrzehnten brüten die Wanderfalken, die lange Zeit in der Pfalz als ausgestorben galten, wieder am Asselstein. Der Fels ist dann während der Brut- und Aufzuchtzeit der Raubvögel von Februar bis Ende Juni teilweise fürs Klettern gesperrt. So steht der ehemalige „Götterthron“ heute als ein Zeichen für ein erfolgreiches Miteinander von Naturschutz und Natursport im Biosphärenreservat Pfälzerwald und weit darüber hinaus. Info —www.pfaelzer-kletterer.de, www.klettererhütte.de

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