Rheinpfalz Forscher testen Mittel gegen "Rebenkiller"-Pilz Esca

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Die heimtückische Pilzkrankheit Esca richtet in deutschen Weinbergen jährlich Schäden in Höhe von geschätzt rund 50 Millionen Euro an. Die Winzer waren bisher machtlos gegen die Plage. Doch in Neustadt testen Forscher Gegenmittel – mit Aussicht auf Erfolg, wie sie gestern auf den Pfälzer Weinbautagen berichteten.

Neustadt. „Es gibt Hoffnung“, sagt Friedrich Louis. Der Spezialist für Pflanzenkrankheiten leitet am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz das Institut für Phytomedizin. Gestern moderierte Louis die Auftaktveranstaltung der 70. Pfälzer Weinbautage, zu der rund 1350 Besucher in den Neustadter Saalbau gekommen waren. Die gute Nachricht hatten Louis und seine Forscherkollegen sich bis zum Schluss der Vortragsrunde aufgehoben: „Wir haben einen Schritt in eine Richtung getan, der mehr ist als herauszufinden, welche Pilze für Esca verantwortlich sind.“ Lange Zeit hatte es nach solch einem Durchbruch nicht ausgesehen. Das Thema beschäftigt Winzer wie Experten seit Jahren, immer wieder stand es bei Fach-Veranstaltungen auf der Tagesordnung. Weinbauberater Arno Becker vom DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück nennt Esca den „Rebenkiller Nr. 1“. Noch vor zwei Jahren räumte er bei der Bad Kreuznacher Wintertagung für Weinbau ein: „Eine effektive Bekämpfung ist derzeit trotz größter Bemühungen der Forschung weltweit leider nicht in Sicht“. Die Bezeichnung „Esca“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „Zunder“. Verantwortlich für die Krankheit ist ein Mix aus verschiedenen Pilzen, die unter anderem die Wasserleitungsbahnen des Rebstocks schädigen. Das Holz wird zum schwammigen, gummiartigen Wrack. Das Perfide dabei: Zwischen dem Befall der Reben, zu dem es bereits in einem sehr frühen Stadium kommen kann, und ersten sichtbaren Anzeichen der Krankheit können viele Jahre vergehen. Mitunter brechen Rebstöcke dann wie bei einem Herzinfarkt schlagartig zusammen. Esca-ähnliche Symptome wurden schon bei den Griechen und Römern erwähnt. Eine genauere Beschreibung findet sich später dann in mittelalterlichen Schriften. Aber erst seit Ende der 1990er-Jahre wird in allen deutschen Weinbaugebieten eine besorgniserregende Zunahme der Esca-Krankheit registriert. Mit ein Auslöser dafür könnte der Klimawandel sein. Krankheitsschübe werden vor allem in trockenen, heißen Sommern beobachtet. Weinbauexperten schätzen, das jedes Jahr ein Prozent der Rebstöcke durch Esca verloren geht. Bereits 2009 zeigte eine Umfrage des DLR Rheinpfalz unter über hundert Winzern, dass es teilweise auf bis zu 20 Prozent der Rebflächen Esca-bedingte Ausfälle gab. Im vergangenen Jahr war die Entwicklung noch dramatischer. Andreas Kortekamp, der sich am DLR in Neustadt seit Jahren mit Esca beschäftigt, beobachtete auf Versuchsflächen, dass bei Riesling zehn Prozent mehr Reben die Krankheitssymptome zeigten als noch 2015. Als wichtigster Infektionsweg für die Esca-Pilze werden Wunden angesehen, die durch den Rebschnitt entstehen. Deshalb setzten die Strategien zur Eindämmung der Krankheit bisher vor allem hier an. Empfohlen wird ein sanfter Rebschnitt, der die Anzahl der Wunden reduziert und Eingriffe ins alte Holz vermeidet. Kortekamp: „Wunden am Stamm sind kritisch, wenn dort Erreger reinkommen, sind sie sofort am Herz der Rebe.“ Ein neues Schnittsystem wurde dazu bereits in den 1980er-Jahren im italienischen Friaul entwickelt. Dabei steht nicht wie im deutschen Weinbau die Formerhaltung des Weinstocks im Vordergrund, sondern die Aufrechterhaltung eines kontinuierlichen Saftflusses in der Rebe. Die Methode bedeutet aber für die Winzer eine komplette Umstellung beim Rebschnitt auf Jahre hinaus. Die Sanierung von Esca-befallenen Stöcken ist ziemlich rabiat: Der Stamm wird dabei quasi amputiert und bis auf den gesunden Bereich zurückgesägt. Der Stockaufbau durch neu hochgezogene Triebe ist freilich nicht immer erfolgreich und wirtschaftlich. Möglicherweise müssen die Winzer künftig seltener zu solch einschneidenden Operationen im Weinberg greifen. Kortekamp, der beim DLR das Arbeitsgebiet Mykologie im Weinbau leitet, berichtete gestern beim Weinbautag von gleich zwei vielversprechenden Gegenmitteln. Als Hoffnungsträger könnte sich eine Schimmelpilzgattung namens Trichoderma erweisen. Sie kommt ohnehin in der Pflanzenwelt vor, auch im Weinbau. Werden diese Pilzarten isoliert und hoch dosiert, macht sie dies zum Gegenspieler der Esca-Pilze. Sie besiedeln den Rebstock komplett, gerade auch die Schnittflächen – für die Esca-Sporen ist dann kein Platz. Kortekamp: „Das ist wie ein Stuhl, auf dem ich sitze, da kann kein anderer drauf – das ist banal, aber in diesem Fall effektiv.“ Dass Trichoderma-Arten zusätzlich die Schadpilze anbohren und aussaugen können, erhöht womöglich die Schlagkraft dieses biologischen Pflanzenschutzes. Beim DLR testet man derzeit, wie bereits junge Reben mit Trichoderma-Pilzen behandelt werden können; für Kortekamp ist dies eine Art „Schutzimpfung“. Ob sie wirkt, werden die DLR-Forscher freilich erst in ein paar Jahren wissen. Die Versuchsanlage bei Neustadt-Mußbach ist noch zu jung, um zu sehen, ob die Reben dort der Alterskrankheit Esca trotzen. Produkte mit dem Wirkstoff Trichoderma, wie sie beispielsweise das belgische Pflanzenschutzmittel-Unternehmen Belchim mit Vintec anbietet, haben in Deutschland allerdings noch keine allgemeine Zulassung. Ein zweites Gegenmittel hat das DLR zusammen mit der BASF entwickelt und ebenfalls schon getestet: Es legt sich wie ein Schutzfilm abwehrend auf frische Schnittwunden, zusätzlich enthält es ein Fungizid. Auch dafür läuft derzeit das Zulassungsverfahren. Kortekamp hofft, „dass uns in ein bis zwei Jahren endlich wichtige Mittel gegen Esca zur Verfügung stehen“. Info Heute zweiter Tag der Pfälzer Weinbautage in Neustadt: www.bwv-rlp.de |ros

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