Rheinland-Pfalz Einst Hochburg fürs „Hoppezoppe“

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„Hoch hinaus – die Pfalz!“ Das ist in diesem Jahr das Thema des großen Fotowettbewerbs für Leserinnen und Leser der RHEINPFALZ. Die schönsten Aufnahmen erscheinen im RHEINPFALZ-Fotokalender 2017. Die zwölf Siegerbilder werden zudem mit Geldpreisen belohnt. Unsere Begleitserie zum Fotowettbewerb zeigt Beispiele, wie und wo es in der Pfalz hoch hinaus geht, welche Hochgefühle und Höhepunkte es gibt. Heute: Hopfenanbau in Kapellen-Drusweiler im Kreis Südliche Weinstraße.

Ein bisschen fühlt man sich wie in einem lichten Wald in so einem Hopfenfeld. Vor allen, wenn man dabei Neuland betritt. Zwar gibt’s hier keine ausladenden Wipfel, wie sie viele Laubbäume krönen. Im Gegenteil: Die beeindruckend hohen Hopfenpflanzen werden – speziell in diesem Sommer aufgrund der extremen Trockenheit – nach oben hin schmäler und dünner. Aber wenn ein sanfter Wind weht, lässt er auch ihre Blätter ganz leise rascheln. Bei den zarten Früchten klingt’s fast wie ein geheimnisvolles Knistern. „Je reifer die Dolden werden, desto intensiver wird das“, sagt Norbert Heinz, dem das Feld gehört. Faszinierend und typisch bei einer solchen Anlage ist ebenso die Bewegung, die darin schon eine nur seichte Brise auslösen kann: Sie bringt die etwa 8,50 Meter langen, leicht schräg in die Höhe ragenden Hopfenpflanzen leicht ins Schwingen. Denn der eigentliche Stock befindet sich unter der Erde – was daraus sprießt, sind nur Ranken, die sich um einen Draht herum nach oben schlingen. Wind hat da leichtes Spiel, wie man auch bei unserer Feldbegehung sieht: Die grünen Riesen schaukeln. „Bei Sturm kann’s einem schon unheimlich werden hier drin... “, bestätigt Heinz die entsprechende Vermutung der Besucherin von der RHEINPFALZ. Wobei es freilich äußerst unwahrscheinlich ist, dass sich jemand bei derartigem Wetter in einem Hopfenfeld aufhält. Heinz ist nicht nur hier in Kapellen-Drusweiler, sondern wohl sogar pfalzweit noch der Einzige, der Hopfen anbaut. Wegen des Einkommens sei dies nicht interessant, sagt der gelernte Landwirt, der hauptberuflich bei der Kreisverwaltung in einem ganz anderen Bereich tätig ist. Hopfenanbau bedeute für ihn „einfach noch ein bissel Tradition“, mit der er groß geworden ist. Schon seine beiden Großväter hatten diese gepflegt, einer war Kommissionär für Hopfen. Die Familie bewirtschaftete einst große Flächen damit, Heinz hat nun noch zehn Ar. Obwohl sein Feld somit nicht sehr groß ist, fällt es aufgrund der Pflanzenhöhe schon von Weitem auf. Früher, bis in die späten 1960er Jahre, war es Teil eines wahren Meeres von Hopfen. „Ringsum ist hier überall welcher gewachsen“, sagt Heinz mit weit ausholender Armbewegung. Kapellen-Drusweiler galt einst als Hochburg für den Anbau des üppigen Hanfgewächses, hatte sich bereits ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem der bekanntesten Gebiete dafür in der Pfalz entwickelt. Auch Karl Hoffmann, der Bürgermeister von Kapellen-Drusweiler, kann sich übrigens noch gut an jene Zeit in seiner Kindheit erinnern, in welcher in der Gemeinde Hopfenanbau in großem Stil betrieben wurde – bis es „aufgrund des Preisverfalls nicht mehr tragbar gewesen“ sei. „Wir waren das einzige Hopfendorf der Pfalz“, sagt Hoffmann mit einem Anflug von Stolz – und erzählt unter anderem von der Pflückhalle, in der zur Erntezeit stets Leute aus mehreren Betrieben beisammensaßen zum „Hoppezoppe“. Während man damals die Dolden noch mühselig von Hand abzupfte, werden sie heute von einer Maschine aus den Reben gekämmt. Fest im Gedächtnis geblieben ist dem 65-jährigen Dorfoberhaupt ebenfalls, dass es „eine gute Pflückerin“ schaffte, am Tag etwa 14, 15 Körbe mit Hopfen zu füllen – und dass es „für jeden Korb eine D-Mark gab“. Wo die Dolden im elterlichen Betrieb getrocknet wurden, kann Hoffmann noch heute zeigen: „Da hinauf wurden sie gezogen, da war die Hopfendarre“, sagt er, auf eine große Dachgaube weisend. Kurz vorm Verkauf wurden sie in Säcke abgefüllt, sprich „gesackt“. „Ich lieb’ den Geruch vom Hopfen, vor allem wenn er trocken ist, seinen Geschmack und natürlich auch das damit gebraute Bier“, sagt der Bürgermeister. „Aber schaffen möcht’ ich keinen einzigen Tag mehr gern in einem Hopfenfeld.“ Warum nicht? Weil Hopfen „feine Stacheln wie eine Art von Widerhaken“ habe, die einen arg verkratzen können, wie er warnend erklärt – um dann auf gut Südpfälzisch schelmisch anzumerken: „Des isch, wie wonn mer bei de Katz’ gschloofe hätt’ ... “ Wie verschrammt man aus einem Hopfenfeld kommen kann, weiß auch Norbert Heinz allzu gut: „Wenn so ein langer Trieb runterfällt und einem über den Arm streift, hat man ein paar Tage rote Striemen drauf.“ Bei der Ernte geht er daher nur mit langärmeliger Kleidung ins Feld. Trotzdem und trotz aller Arbeit versichert der naturverbundene 60-Jährige: „Der Hopfenanbau macht Spaß.“ Das Arbeitsjahr beginnt, wie er erläutert, im Frühling damit, „die drei vielversprechendsten Triebe herauszusuchen“ und sie am Draht im Uhrzeigersinn „anzuleiten“ für die ersten Windungen. Dann heißt’s, die überschüssigen Triebe wegschneiden. Anders als früher werden jährlich neue Anleitdrähte verwendet und an Querdrähten befestigt, die zwischen 7,50 Meter hohen Masten gespannt sind. So hoch hinauf kommt man, auch zum „Nachleiten“, mittels Hubsteiger, der an einen Traktor angebaut ist. Beim Ernten wird dann einfach an den Drähten gezogen, bis sie oben abreißen und samt dem Hopfen zu Boden fallen. Wie mächtig es dabei rauscht, ist dieser Tage – etliche Wochen nach der eingangs geschilderten Feldbesichtigung – wieder zu erleben. Die zartgrünen Dolden sind inzwischen deutlich größer geworden, richtig aufgegangen. Ausschlaggebend für den Wert des Ertrags ist laut Heinz der Gehalt an Alphasäuren – den Bitterstoffen im Lupulin, wie das gelbe Pulver in der Hopfendolde genannt wird. Zusammen mit den ebenfalls enthaltenen Aromen geben sie Bier seine typische Geschmacksnote. Am Hopfen der Traditionssorte Hallertauer, den Norbert Heinz abgibt, ist weder per Hand noch Maschine etwas „abgezoppt“. Er liefert ihn komplett, also samt Blattwerk, an Privatbrauereien, teils auch zu Dekorationszwecken an Blumengeschäfte. An getrockneten Hopfenranken als Zierde haben übrigens auch er selbst und seine Familie Freude: „Wir hängen nach der Ernte daheim immer einen Hopfenstock auf, sein Duft verteilt sich dann im ganzen Haus – und hält das ganze Jahr über an.“ Nur anfassen dürfe man ihn nach einiger Zeit nicht mehr. Nicht etwa, weil er sonst noch widerspenstig stacheln würde, sondern weil er dann, dürr und zerbrechlich geworden, im Nu zerbröseln kann.

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