Rheinland-Pfalz Dreikampf um das Löffler-Erbe

Wenig Grün und keine Überdachungen – der Neustadter Bahnhofsvorplatz.
Wenig Grün und keine Überdachungen – der Neustadter Bahnhofsvorplatz.

Neben der Bundestagswahl stehen am 24. September in Rheinland-Pfalz auch mehrere wichtige kommunale Wahlentscheidungen an: In Neustadt, Ludwigshafen und Koblenz werden die Oberbürgermeister neu gewählt, in drei Landkreisen, darunter im Kreis Kaiserslautern, ist der Landrat zu bestimmen. Landesweit sind außerdem 31 hauptamtliche und ehrenamtliche Bürgermeister zu wählen. Unsere Serie beleuchtet die wichtigsten anstehenden Entscheidungen. Heute: die OB-Wahl in Neustadt.

In Neustadt findet ein spannender Dreikampf um den Oberbürgermeister-Sessel zwischen Ingo Röthlingshöfer (CDU), Pascal Bender (SPD) und Marc Weigel (Freie Wähler) statt. Das Interesse der Bevölkerung ist groß. Rund 500 Besucher kamen am Montag zur RHEINPFALZ-Podiumsdiskussion mit den drei Kandidaten. Darunter sehr viele noch Unentschlossene. Die Wahlbeteiligung von 2009, die damals bei 55 Prozent lag, dürfte deutlich übertroffen werden. Die meisten Jungwähler, die zum ersten Mal ihr Kreuz machen dürfen, kennen nur einen Neustadter Oberbürgermeister im Amt: Hans Georg Löffler, der zum Jahresende nach zwei Amtsperioden mit dann 64 Jahren in Ruhestand geht. Viele Bürger sehnen nach 16 Jahren unter der Führung von Löffler einen „Neustart für Neustadt“ herbei, wie es der SPD-Bewerber Bender auf seinen Wahlplakaten fordert. Der Jurist Löffler war ein Verwalter, der selten von selbst agierte und fast nur reagierte, wenn es Krisen zu bewältigen gab – dann aber auch beherzt, wie bei der Evakuierung der unterspülten Klemmhof-Immobilie 2009. Dass die Nachbarstädte Speyer und Landau deutlich in ihrer Entwicklung an Neustadt vorbeigezogen sind, werfen die Bürger Löffler vor. Landau übrigens auch dank einer Landesgartenschau, die Neustadt lange diskutierte und dann wegen der finanziellen Risiken scheute. Ingo Röthlingshöfer ist Rechtsanwalt, war vier Jahre ehrenamtlicher Beigeordneter und seit 1997 hauptamtlicher Bürgermeister, zuständig für Soziales und Kultur, früher auch für die Schulen. Bereits 2001 wollte er Oberbürgermeister werden, scheiterte aber in einer parteiinternen Kampfabstimmung an Löffler, der kurz zuvor in die Partei eingetreten war. In den 16 Jahren war Röthlingshöfer stets der Meinung, dass er den Job hätte besser ausfüllen können. Und das mag so sein. Das Sozialdezernat läuft vorbildlich – ganz im Gegensatz zu dem von Löffler verantworteten Bereich. Vor allem die Wirtschaftsförderung steht seit Jahren in der Kritik. Mit 55 Jahren will sich der langjährige CDU-Kreisvorsitzende Röthlingshöfer seinen Lebenstraum erfüllen. Im Weg stehen ihm die offensichtliche Wechselstimmung in der Bevölkerung und Marc Weigel von den Freien Wählern. Der Gymnasiallehrer für Deutsch, Sozialkunde und Ethik wird zwar morgen erst 39, gehört aber seit 18 Jahren dem Stadtrat an und war fünf Jahre als ehrenamtlicher Kulturdezernent im Stadtvorstand. Dass 2014 die Koalition von CDU und Freien Wählern platzte, war auf die Protagonisten Röthlingshöfer und Weigel zurückzuführen, die damals beide schon ihre Kandidatur im Blick hatten. Der damalige Parteichef Röthlingshöfer flirtete erst mit der SPD, um eine Große Koalition zu schmieden, schloss dann überraschend ein Jamaika-Bündnis mit der FDP und den Grünen – alles andere als eine Liebesheirat. In dem Bündnis setzen im Stadtrat zumeist die Grünen ihre Ziele durch, was vor allem den rechten Flügel der CDU nervt. So sehr, dass im Vorfeld sogar außerhalb von Neustadt halbherzig nach einem anderen OB-Kandidaten gesucht wurde. Das spürt Röthlingshöfer nun in einem Wahlkampf, in dem alle drei Kandidaten glaubhaft versichern, es anders machen zu wollen als Löffler. Und obwohl Weigel selbst 13 Jahre lang das Bündnis mit der CDU mitgetragen hat, fällt ihm die neue Rolle leichter. Getragen von zwei repräsentativen Meinungsumfragen im Auftrag der RHEINPFALZ, die ihn mit 45 Prozent (November 2016) beziehungsweise 59 Prozent (August 2017) vorne sahen, ist er im Wahlkampfendspurt vom Jäger zum Gejagten geworden. Geschickt erntet er im Lager der Unzufriedenen, unter anderem bei Windkraftgegnern, die bei Röthlingshöfer den energischen Widerstand gegen eine beim Ortsteil Mußbach geplante Windrad-Vorrangfläche vermissen. Weigel wäre der erste Freie Wähler in Rheinland-Pfalz als Oberbürgermeister einer kreisfreien Stadt. Die SPD tritt in der Geburtsstadt von Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit dem 47-jährigen Versicherungskaufmann Pascal Bender an. Die Partei litt in den vergangenen zehn Jahren vor allem darunter, viele Indianer, aber keinen Häuptling zu haben, der die Richtung vorgibt. Das hat sich mit der Kandidatur von Bender geändert. Allerdings kommt der Hambacher nicht an den Bekanntheitsgrad seiner Konkurrenten heran. Bender glaubt fest an seine Außenseiterchance. Alle drei Bewerber versprechen mehr Bürgerbeteiligung und eine bessere Kommunikation, das größte Defizit der Verwaltung während der Löffler-Ära. Nur bei einem Wahlkampfthema gibt es gravierend unterschiedliche Vorstellungen: Ingo Röthlingshöfer stellt eine vom Stadtrat beschlossene Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes wieder in Frage. Er kritisiert, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft nicht dazu da sei, wie geplant, ein Geschäftshaus mit Parkhaus an dem Standort zu errichten. Außerdem will er weitere Grundstücke von der Bahn kaufen, um großzügiger planen zu können. Für Marc Weigel ist der Bahnhofsvorplatz die Visitenkarte, die dringend aufgewertet werden müsse. Eine Neuplanung verzögere das Projekt um mindestens fünf Jahre. Bender ist bei dieser Frage näher bei Weigel als bei Röthlingshöfer. Trotz des Umfragevorsprungs von Weigel ist eine Stichwahl am 15. Oktober wahrscheinlich. Eher unwahrscheinlich ist, dass es dann Wahlempfehlungen der anderen Parteien geben wird. Info Nächste Folge: die Landratswahl im Kreis Kaiserslautern .

I. Röthlingshöfer
I. Röthlingshöfer
Marc Weigel
Marc Weigel
Pascal Bender
Pascal Bender
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