Rheinland-Pfalz Die Klagemauer

Die Mauer, die weg muss, begrenzt ein Restaurantgelände im Zweibrücker Vorort Rimschweiler.
Die Mauer, die weg muss, begrenzt ein Restaurantgelände im Zweibrücker Vorort Rimschweiler.

„Das soll einer verstehen!“ rief unwirsch ein Zweibrücker Stadtratsmitglied in der jüngsten Sitzung, und in der Tat ging es um eine vertrackte, vielschichtige und zudem emotional aufgeladene Geschichte. Sehr kurz zusammengefasst: Im Stadtteil Rimschweiler bauten Wirtsleute auf ihrem Grundstück zum angrenzenden Radweg hin eine Mauer. Die Mauer muss weg, sie steht im Außenbereich, sagt das Zweibrücker Bauamt. Und nicht nur das, bei den Nachbarn wird gleich mitgeprüft, ob auf deren Grundstücken nicht auch illegale Schuppen, Garagen oder Unterstellplätze stehen. Im Vorort stößt das auf Unmut und Widerstand: Die Bauten gebe es zum Teil seit Jahrzehnten, und außerdem störten sie niemanden, lautet dort der Tenor. Die älteren Bauten störten wohl wirklich niemanden, die neu errichtete Mauer am Biergarten indes fand zumindest ein Mitbürger nicht gut, der sich beim Bauamt beschwerte. „Da mussten wir reagieren“, sagt die Stadt. Wo ein Kläger, da nicht unbedingt gleich ein Richter, aber Augen zu und durch geht seitens der Stadt bei einem konkreten Hinweis nicht mehr. Höflich und mehrfach habe man die Mauerbauer zum dezenten Abriss aufgefordert, doch diese hätten auf stur geschaltet, so dass schließlich doch Richter ins Spiel kamen. Erst die vom Verwaltungsgericht, dann die vom Oberverwaltungsgericht. Beide urteilten: Die Mauer muss weg. Das Oberverwaltungsgericht beschied aber auch: Nur diese Wirtsleute rauspicken geht nicht, wenn, dann muss auch die Umgebung auf den Prüfstand, sonst wird der Gleichheitsgrundsatz nicht erfüllt. Nun hatte die Stadt zwar Recht, aber auch eine Menge Ärger am Hals. Denn nun zog der zunächst einzelne Mauerärger weitere Kreise, die Nachbargrundstücke mussten überprüft werden, die Betroffenen fühlten sich gegängelt, und schnell wurden Fragen laut: Wieso nur bei uns, auf diesem etwa einen Kilometer langen Stück entlang des Radwegs, was ist mit den anderen im Vorort, in der ganzen Stadt, im ganzen Land, und entspricht das dem Gleichheitsgrundsatz, wenn nur bei uns geguckt wird und woanders nicht?! Nicht ganz unberechtigte Fragen, das weiß auch die von SPD-Oberbürgermeister Kurt Pirmann geführte Stadtspitze, die das Thema gerne sehr klein halten würde. Denn wie in jeder Stadt, gibt es auch in Zweibrücken einige illegale Bauwerke im Außenbereich, in denen teilweise sogar Menschen wohnen und nicht nur Autos oder Gartengeräte untergestellt werden. Und um alle diese Bauten zu überprüfen, hat das Bauamt weder das Personal noch das Geld noch die Nerven. Letztere verlor der Oberbürgermeister in der Stadtratssitzung denn auch ein bisschen, als verschiedene Fraktionen, vor allem CDU und FDP, beharrlich auf dem Thema herumritten, etwa fragten, wann genau denn der Rimschweiler Außenbereich definiert wurde und von wem und ob man diesen nicht im Nachhinein korrigieren könne, um des lieben Friedens Willen. Ein SPD-Genosse gar erklärte, das Bauamt habe doch den Außenbereich festgelegt und deshalb auch einen Ermessensspielraum. „Nein!“ bellte da der Oberbürgermeister und ließ eine Liberale, die auch noch etwas zu der Sache sagen wollte, erst gar nicht mehr zu Wort kommen. „Vielleicht machen Sie jetzt gerade einen Riesenfehler“, beschied er der FDP-Frontfrau, die daraufhin auch verstummte, sich dann aber am nächsten Tag beschwerte über den rauen Umgangston im Stadtrat. Am Ende wurde dann doch wieder aufs Gericht verwiesen: Die Justiz müsse nun abschließend entscheiden, wie der Rimschweiler Mauerfall endet, die Kommunalpolitik könne da jetzt gar nichts mehr tun, erklärte der Oberbürgermeister kategorisch. Rimschweilers Ortsvorsteherin, ebenfalls eine Genossin, war zerknirscht: „Der Karren ist dermaßen verfahren. Das ist echt schade.“ Recht zu haben ist nicht immer schön.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x