Rheinpfalz Der Mann, dem die Landesregierung vertraute

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Seit Jahren predigen wohlmeinende Lehrer ihren pubertierenden Schülern, dass sie auf Facebook nur wenig preisgeben sollen. Schließlich könnten sich potenzielle Arbeitgeber eines Tages an der im Netz dokumentierten Vorliebe für wilde Partys mit lustigen Trink-, Knutsch- und Fummelspielchen stören. Andererseits warnen Karriereberater auch vor allzu sterilen Profilen. Denn die können erst recht so wirken, als wolle da jemand seinen liederlichen Lebenswandel vor dem Internet verbergen. Doch zum Glück gibt es jetzt ein selbst noch sehr jugendlich wirkendes Vorbild, das jungen Rheinland-Pfälzern den goldenen Mittelweg zeigt: Kyle Wang ist ein Mitgesellschafter und zugleich das von einer kühn zurechtgesprayten Haartolle gekrönte Gesicht der Shanghai Yiqian Trading Company (SYT). Und dieser bis dahin völlig unbekannte Firma haben das Land und seine Berater von KPMG den Hunsrück-Flughafen Hahn verkaufen wollen. Der überzeugte Fan zu eng sitzender Jacketts muss mit seinem Auftreten also alles richtig gemacht haben. Aus dem für jedermann einsehbaren Teil seines Facebook-Profils lassen sich daher gleich vier einfache Regeln ableiten. Nummer 1: Umgib dich mit interessanten Freunden. Unter Kyle Wangs 194 Facebook-Kontakten sind beeindruckend viele junge Frauen, die für ihr Profilbild mit Bin-ich-nicht-hübsch-Blick von schräg unten in die Kamera glubschen und gekonnt die prüden Facebook-Regeln umgehen. So wie die junge Asiatin, die das Mieder herabrutschen lässt, aber mit zwei neckischen Stoffstückchen an den richtigen Stellen trotzdem als angezogen zu gelten scheint. Wer eine Landesregierung und ihre Unternehmensberater mit so einem Umfeld beeindrucken kann, kann es sich auch leisten, zu besonderen Anlässen wie dem Erwerb eines Flughafens ein paar Bilder mit langweiligen Anzugträgern zu posten: Kyle Wang mit gereckten Daumen, den Arm um einen KPMG-Berater mit randloser Brille, schütterem Haar und schüchternem Lächeln legend. Und: Kyle Wang in gleicher Pose, nur mit dem in professionelle Schulterklopf-Pose samt passendem Grinsen gegangenen rheinland-pfälzischen Innenstaatssekretär Randolf Stich (SPD). Regel Nummer 2: Lass beiläufig erkennen, wie reich deine berufliche Erfahrung ist. Aber achte darauf, dass alles ein wenig geheimnisumwittert bleibt. Kyle Wang wohnt seinem Facebook-Profil zufolge in Schanghai, aber er arbeitet bei seiner eigenen, dem Netz leider weitgehend unbekannten Firma „Best Ressources Inc.“ auf den Philippinen. Und bei „NAPS INDIA“. Dabei könnte es sich um einen Hersteller von Kinder- und Damenschuhen aus Chennai handeln, aber so genau weiß man es nicht. Ebenso wenig lässt sich erkennen, was genau es im „Cream“ gibt. Diese Niederlassung haben Kyle Wang und seine „großartige Schwester“ Anfang Mai in Ho-Chi-Minh-Stadt eröffnet. Immerhin: Der Laden verspricht „Spaß“ für Geschäftsleute aller Art. Und wird daher mindestens so gut laufen wie die Kosmetiklinie. Dass sich die Gesichtsmaske „Skinable“ in China so reißend verkaufen würde – 10.000 Bestellungen in drei Tagen – hat Kyle Wang im Januar 2015 selbst überrascht. Mittlerweile laufen diese Geschäfte wohl ruhiger, die Internet-Seite des gülden-schimmernd verpackten Schönheitsmittels jedenfalls ist derzeit nicht erreichbar. Regel Nummer 3: Schere dich nicht um Rechtschreibregeln. Oder darum, dass du im Englischen ungefähr so sicher bist wie Lothar Matthäus. Zeige stattdessen einfach, wie gut es dir geht. Am 23. Februar 2015 verrät Kyle Wang, dass er jetzt im Autoladen eines Cousins seinen „schwarzen Drachen“ waschen lässt: einen Mercedes der Luxusklasse. Beiläufig trägt Kyle Wang zwei Tage später nach, dass sein Zweitwagen ein Porsche ist. Doch allzu materialistisch sollte man trotzdem nicht auftreten, gelegentlich muss Freude über die kleinen Dinge des Lebens geteilt werden. Am 1. Mai verriet Kyle Wang der Welt mit „hahahaha“, dass er bis 3 Uhr in der Nacht am Computer gedaddelt und deshalb am Folgetag die Badesachen für den Bootstrip vergessen hat. Vom 1. Juni an präsentierte er pittoreske Fotos, die ein besonders exotisches Reiseziel zeigen: einen Ort namens „Idaroberstein“, dessen frische Luft er besonders lobt. Am 7. Juni wurde es wieder geschäftlicher: mit Bildern von der Pressekonferenz, bei der die Landesregierung den nun mit Krawatte ausstaffierten Chinesen und seine Kompagnons als Hahn-Retter präsentierte. Womit wir bei der letzten, aber vielleicht wichtigsten Regel Nummer 4 angekommen wäre: Erspare der Welt jene Rückschläge, die das Leben dir manchmal beschert. Dass sein Unternehmen jetzt stolzer Eigentümer des Hunsrück-Flughafens sei, ist das bislang Letzte, was Kyle Wang der Welt verkündet hat. Mittlerweile allerdings glaubt die Landesregierung, sie sei Betrügern aufgesessen. Also wird jetzt nach neuen Investoren gesucht. Vielleicht können ein paar wohlmeinende Lehrer noch ihre pubertierenden Schüler in den Wettbewerb schicken. Die richtigen Facebook-Profile dafür haben die ja vermutlich schon.

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