Rheinland-Pfalz Chemical-Love-Prozess: Leiden am Promi-Vater

Im Landauer Gerichtssaal: (von links) der Psychiater Gerhard Buchholz, der Verteidiger des Hauptangeklagten Achim Bächle und sei
Im Landauer Gerichtssaal: (von links) der Psychiater Gerhard Buchholz, der Verteidiger des Hauptangeklagten Achim Bächle und sein Mandant, der Sohn eines Ex-Profifußballers aus dem Raum Stuttgart.

Im Landauer Prozess gegen die Online-Dealer von „Chemical love“ präsentierte gestern ein Psychiater sein Gutachten.

Landau.

Es waren nicht zitierbare Schimpfwörter, die er beim Telefonat mit seinem Vater ins Handy brüllte. Nun schaut der 31-Jährige immer verlegener drein. Denn ein Mitschnitt des Gesprächs wird im Landauer Gerichtssaal abgespielt. Der Mann mit den Lockenschopf sitzt hier mit zwei Komplizen auf der Anklagebank, weil er als Chef des Internet-Dealerrings „Chemical love“ gilt. Mit ihnen als wichtigsten Handlangern hat er Deutschlands zeitweise größten Rauschgift-Versand aufgebaut, an Tausende Kunden verschickten sie die im südpfälzischen Rülzheim versteckten Drogen. Auch der Vater des Hauptangeklagten – einst ein prominenter Fußballer, später ein reicher Geschäftsmann – war in das illegale Treiben verstrickt, er soll vor allem Chauffeursdienste übernommen haben. Doch das von der Polizei abgehörte Wut-Telefonat lassen die Richter vor allem abspielen, damit ihr psychiatrischer Gutachter den 31-Jährigen noch besser kennenlernt. Denn Gerhard Buchholz, ein Facharzt aus Vallendar, soll erklären, wie ein intelligenter junger Mann aus dem Raum Stuttgart zum Chefdealer wurde, obwohl er in scheinbar besten Verhältnissen aufwuchs: Seine Eltern schickten ihren Jungen auf teure Privatschulen, zum 18. Geburtstag bekam er einen Mercedes-Sportwagen, zum 20. einen Porsche. Der Psychiater zitiert eine pfälzische Redensart: „Er ist auf der Wurstsuppe immer oben geschwommen.“ Doch genau das, meint Buchholz, war auch das Problem: Er diagnostiziert „Wohlstandsverwahrlosung“. Und dafür macht er vor allem den Vater des 31-Jährigen verantwortlich. Denn der habe seinem Sohn offenbar nur materielle Güter, aber keinen Halt gegeben. Der Arzt berichtet, was ihm der Angeklagte in einem Diagnosegespräch erzählt hat: dass er zufällig eine E-Mail und Bilder einer fremden Frau in Dessous gefunden, so die geheime Zweitfamilie seines Vaters entdeckt habe. Und dass er auch dessen geschäftlichen Total-Absturz auf dieses Doppelleben zurückführt. Doch gleichzeitig mahnt der Psychiater: „Mit 31 kann man nicht mehr alles auf den Vater schieben.“ Bleibt die Frage, inwieweit den Ex-Online-Dealer seine eigene Kokainsucht entlastet. Schließlich scheint er schon seit dem Teenager-Alter Rauschgift genommen zu haben. Doch für schuldfähig hält ihn Buchholz trotzdem: „Er hat das gut verkraftet.“ Allerdings empfiehlt der Gutachter den Richtern, den 31-Jährigen nicht nur zu bestrafen, sondern ihn auch schnellstmöglich in eine Therapie schicken. Denn die habe gute Erfolgsaussichten: Der Angeklagte sei zwar selbstverliebt, doch er habe inzwischen auch viel über sich nachgedacht. Nachdenklich gibt sich der 31-Jährige auch, nachdem er gehört hat, wie er seinen Vater am Telefon beschimpfte. „Ich möchte mich für das Gespräch entschuldigen“, sagt er, verlegen lächelnd. „Das Ganze ist ... erschreckend.“

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