Rheinpfalz Attacke gegen Gutachter

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Frankenthal. Fürs Urteil im Frankenthaler Babymord-Verfahren wird ein psychiatrischer Gutachter wichtig sein. Doch gestern hat der Verteidiger des Angeklagten diesen Experten scharf angegriffen: Der Facharzt habe möglicherweise gelogen, sei deshalb als befangen einzustufen. Wenn die Richterinnen das auch so sehen sollten, wäre der schon seit Monaten laufende Prozess vorerst gescheitert.

Sein lederbeschuhter Fuß wippt nervös, die Finger seiner rechten Hand tippen auf der Tischplatte herum: Minutenlang hört sich Peter Haag im Frankenthaler Babymord-Prozess schwere Vorwürfe an. Eigentlich soll der Psychiater aus Weinheim die Schuldfähigkeit und den Charakter eines Vaters beurteilen, der seine eigene, erst zwei Monate alte Tochter vor einem knappen Jahr vom Balkon in den Tod stürzen ließ. Doch nun sagt der Verteidiger dieses Angeklagten: Der Mediziner müsse als befangen ausgeschlossen werden. Rückblende: Im Sommer 2015 steht in Weinheim ein Mann vor Gericht, weil ihn eine Frau aus dem Rhein-Pfalz-Kreis angezeigt hat. Sie behauptet: Zusammen mit ihrem Ex-Freund habe er sie zur Prostitution gezwungen. Haag soll beurteilen, wie verlässlich ihre Aussagen sind. Also unterhält er sich zweieinhalb Stunden lang mit ihr. Anschließend schreibt er ein 26 Seiten dickes Gutachten und stellt fest: Was die junge Frau berichtet, sei voller Widersprüche. Vermutlich wolle sie sich als Opfer präsentieren, um vor ihrer Familie besser dazustehen. Im November 2016 trifft er die mittlerweile 20-Jährige wieder, diesmal in Frankenthal. Denn dort sitzt im Babymord-Prozess der nächste Ex-Partner dieser Frau auf der Anklagebank, und wieder ist sie eine wichtige Zeugin. Dass der Mann das gemeinsame Baby vom Balkon stürzen ließ, steht zwar ohnehin fest. Doch die Aussage der Mutter ist wichtig, um zu verstehen, was ihn dabei angetrieben haben könnte. Haag allerdings wird dem Gericht erst Wochen später melden, dass er die 20-Jährige bereits kennt und als unglaubwürdig eingestuft hat. Schriftlich teilt er Anfang Februar mit: Dass er mit der Frau schon zu tun hatte, sei ihm soeben aufgefallen, als er alte Rechnungen durchsah. Doch Alexander Klein, der Verteidiger des mutmaßlichen Babymörders, nimmt dem Mediziner so eine „intellektuelle Minderleistung“ nicht ab. Der Jurist sagt: Wäre Haag derart vergesslich, wäre er als Gutachter völlig ungeeignet. Also spekuliert der Anwalt: Der Psychiater könnte seinen alten Fall bewusst verschwiegen haben – zum Beispiel, um den neuen Auftrag und damit die Aussicht auf ein fünfstelliges Honorar nicht zu verlieren. Doch dann, so denkt der Verteidiger weiter, dürfte Haag aufgefallen sein, dass er mit dieser Taktik scheitern würde – weil immer mehr Gerichtsakten über die 20-Jährige herbeigeschleppt wurden, mithin irgendwann auch das alte Gutachten über sie auftauchen musste. Demnach wäre die Geschichte von der zufälligen Entdeckung beim Wühlen in alten Rechnungen eine dreiste Lüge. Und schon dieser bloße Verdacht, findet der Anwalt, reicht aus, um Haag als befangen einzustufen. Doch das würde bedeuten: Der ganze Prozess muss noch einmal von vorne beginnen. Um so vehementer wehrt sich die für den Fall zuständige Staatsanwältin Doris Brehmeier-Metz gegen den Vorstoß: Sie tadelt den Verteidiger als „böswillig“ und rühmt den Psychiater als „ausgesprochen seriös und professionell“. Sie verweist auf Haags noch geheimes Vor-Gutachten, in dem er dem Angeklagten wohlwollend zugestehe, wegen seines Kokainrauschs nur eingeschränkt schuldfähig gewesen zu sein. Und sie wirft Klein vor, den Prozess verschleppen zu wollen. Wie es weitergeht, müssen nun die Richterinnen entscheiden – nachdem Haag selbst Stellung genommen hat. Das allerdings will er erst an einem der nächsten Verhandlungstage tun, für diesmal belässt er es beim Fußwippen und Fingertippen.

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